Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung


Online-Edition wichtiger Beiträge Eugen Pragers in der sozialdemokratischen Presse.

    Dokument:

    Für die Freiheit der Presse! / Eugen Prager - [Electronic ed.], 1932 - 12 KB, Text
    In: Mitteilungen des Vereins Arbeiterpresse. - 32 (1. Juli 1932), 327, S. 1-2
    Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2006


Eugen Prager
Für die Freiheit der Presse

Vor einigen Monaten in Eutin, vor einigen Wochen in Dessau sind die Vertreter unserer Parteizeitungen aus den Sitzungen öffentlicher Körperschaften ausgewiesen worden. Ohne Rücksicht auf bestehende Gesetze, unbekümmert um journalistische Gepflogenheiten, machen die Nazis hemmungslos von ihrer Macht Gebrauch, sobald sie einmal in der Mehrheit sind oder den Kurs der Mehrheit bestimmen. Dazu gehört auch der Erlaß von einstweiligen Verfügungen, den sie gegen unangenehme Presseäußerungen erwirken. Wenn wir schließlich noch auf die Drohungen hinweisen, die von nationalsozialistischen Zeitungen und Rednern gegen die Arbeiterpresse ausgestoßen werden, wenn wir an die zahllosen Ueberfälle auf Buchhandlungen, Zeitungsfilialen, einzelne Händler und zuletzt auf das "Vorwärts"-Gebäude in Berlin erinnern, so haben wir bereits einen Vorgeschmack dessen, was unser wartet, wenn das "Dritte Reich" ausbrechen sollte. Wir hatten uns seinerzeit darüber gewundert, wie solche Dinge in Italien geschehen konnten, und wir trösteten uns damals damit, daß die Organisation der italienischen Arbeiterklasse nicht so gefestigt sei wie die unsrige. Die ersten Anfänge des faschistischen Terrors gegen das Pressewesen der Arbeiterklasse haben wir inzwischen auch in Deutschland erlebt.

In welchem Verhältnis die Regierung von Papen zu Hitler steht, ob sie durch Abmachungen gebunden ist, oder nur den Uebergang zu einer reinen faschistischen Diktatur darstellt, mag an dieser Stelle unerörtert bleiben. Fest steht das eine, daß sie bereits alle Vorbereitungen getroffen hat, um die völlige Unterdrückung der Pressefreiheit zu ermöglichen. Die Verordnung des Reichspräsidenten gegen politische Ausschreitungen vom 14. Juni 1932 enthält nicht nur die Aufhebung des Uniformverbots und des Verbots der SA., sie hat auch einen Abschnitt für periodische Druckschriften, denen man die schärfste Beachtung schenken muß. Wir geben hier die Einzelheiten aus diesem Abschnitt wieder, weil ihre Erörterung in der Tagespresse inmitten der sich überstürzenden politischen Ereignisse zu kurz gekommen ist.

Es heißt zuerst, daß die periodischen Druckschriften verpflichtet sind, "auf Verlangen einer obersten Reichs- oder Landesbehörde amtliche Kundgebungen und amtliche Entgegnungen auf die in der periodischen Druckschrift mitgeteilten Tatsachen ohne Einschaltung oder Weglassung unentgeltlich aufzunehmen". Der Abdruck hat unverzüglich zu erfolgen, eine "Stellungnahme zu einer Entgegnung" (schönes Deutsch) ist in der gleichen Nummer unzulässig. Eine solche Auflage ist schon in mehreren Fällen erfolgt. Wir erinnern an den "Vorwärts", der an die Stelle einer großen Karikatur, die sich mit dem Falle des Großspekulanten Flick beschäftigte, eine Erläuterung der Reichsregierung bringen mußte. Es ist zu erwarten, daß diese Bestimmung sich künftig in der Hauptsache gegen die Linkspresse richten wird.

Von wesentlicher Bedeutung sind die dann folgenden Bestimmungen über das Verbot von periodischen Druckschriften. Es soll bei Tageszeitungen vier Wochen, in anderen Fällen sechs Monate nicht überschreiten. Von dem Verbot werden auch die Kopfblätter sowie die angeblich neue Druckschrift erfaßt, "die sich sachlich als die alte darstellt oder als ihr Ersatz anzusehen ist." Was das bedeutet, das haben, um nur zwei Fälle zu nennen, unsere Parteiblätter in Braunschweig und in Danzig gespürt. Am wichtigsten sind die folgenden Abschnitte. Danach können periodische Druckschriften verboten werden:

  1. wenn in ihnen zum Ungehorsam gegen Gesetze oder rechtsgültige Verordnungen oder die innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen Anordnungen der verfassungsmäßigen Regierung oder der Behörden aufgefordert oder angereizt wird;
  2. wenn in ihnen Organe, Einrichtungen, Behörden oder leitende Beamte des Staates beschimpft oder böswillig verächtlich gemacht werden;
  3. wenn in ihnen eine Religionsgesellschaft des öffentlichen Rechtes, ihre Einrichtungen, Gebräuche oder Gegenstände ihrer religiösen Verehrung beschimpft oder böswillig verächtlich gemacht werden;
  4. wenn in ihnen eine Veröffentlichung enthalten ist, die lebenswichtige Interessen des Staates dadurch gefährdet, daß unwahre oder entstellte Tatsachen behauptet oder verbreitet werden.

Wir empfehlen dringend, diese Bestimmungen sehr sorgfältig durchzulesen, denn sie enthalten eine Anzahl von Fußangeln, in denen man sich auch bei der sorgfältigsten Arbeit in den Redaktionen leicht verfangen kann. Es sind Kautschukbestimmungen, die je nach der politischen Gesinnung der nach der Notverordnung zum Verbot Berechtigten ausgedehnt werden können. Denn darüber, was unter Auffordern oder Anreizen, Beschimpfen oder böswillig Verächtlichmachen zu verstehen ist, entscheidet ja nicht der Redakteur, sondern die Regierung und ihre ausübenden Organe, die Landesbehörden und auch die Polizei. Was lebenswichtige Interessen des Staates sind, wodurch die gefährdet werden, ob unwahre oder entstellte Tatsachen verbreitet werden, darüber wird gleichfalls diktatorisch von oben bestimmt.

Hier sehen wir also, wie jetzt schon auf den wichtigsten Gebieten der redaktionellen Arbeit die Pressefreiheit eingeschränkt, wie sie theoretisch bereits aufgehoben ist. Es bedarf jetzt nur noch der "starken Hand", um mit diesen Bestimmungen die Presse völlig zu knebeln, jede Meinungsfreiheit zu unterbinden. Bisher bestand wenigstens noch die Möglichkeit, auf strafrechtlichem oder zivilrechtlichem Wege eine Erörterung darüber herbeizuführen, was staatsgefährlich ist, ob eine böswillige Verleumdung oder Verächtlichmachung vorliegt. Diese Möglichkeit ist jetzt beseitigt. Es regiert der Befehl, es regiert in einzelnen Fällen bereits die Willkür.

Wir brauchen in diesem Zusammenhang nur darauf hinzuweisen, wie durch diese neuen Bestimmungen der politischen Notverordnung die Arbeit in den Redaktionen außerordentlich erschwert werden muß. Wir werden künftig noch sorgfältiger jeden Satz, jedes Wort daraufhin zu prüfen haben, ob sie nicht die Handhabe bieten könnten, das Schwert des Verbots und der darauf folgenden Bestrafung über unsere Parteiunternehmungen niedersausen zu lassen. Unsere Kollegen im Reich werden auch nicht mehr darauf vertrauen können, ob bei der Lieferung von Material aus zentralen Stellen alles vermieden worden ist, was zu Verboten Anlaß geben könnte. Das Urteil darüber, was nach der Notverordnung strafbar sein kann oder nicht, ist ganz in das individuelle Ermessen des Redakteurs gestellt. Er selbst hat die Entscheidung darüber zu treffen, wie weit er in seinem eigenen Blatte bei der Besprechung öffentlicher, häufig aber auch privater Angelegenheiten gehen darf. Die Verantwortung wird ihm bei der Verschiedenheit der Verhältnisse im Reich keine zentrale Instanz abnehmen können.

Daraus ergibt sich auch noch ein Weiteres. Die Reichtagswahl am 31. Juli wird nicht nur allgemein darüber entscheiden, wie die Linie der politischen Entwicklung in Deutschland weiter verlaufen soll. Sie bringt auch die Entscheidung über die Zukunft der Arbeiterpresse. Immer noch waren es die Zeitungen des Proletariats, die der Diktatur zuerst zum Opfer fielen. Sind erst die arbeitenden Klassen der Organe beraubt, in denen sie täglich ihre Meinung und ihren Willen zum Ausdruck bringen können, so fällt es leichter, auch gegen die anderen Einrichtungen der Arbeiterschaft vorzugehen. Wir haben stets betont, daß die Zeitung das wichtigste Bindemittel zwischen den einzelnen Gliedern der Arbeiterbewegung ist. Aber ebenso hat die Reaktion von jeher geglaubt, daß sie die Arbeiterbewegung um so schneller tödlich treffen kann, je eher sie dieses Bindemittel beseitigt.

Auch aus diesem Grunde müssen wir bereit sein, dem Wahlkampf mit allen uns zu Verfügung stehenden Mitteln zu führen. Die Parole der Eisernen Front, das Zeichen der drei Pfeile gilt auch für uns: Aktivität, Disziplin und Einigkeit! Und wenn wir begeistert in den Ruf: Freiheit! einstimmen, so bringen wir damit zum Ausdruck, daß wir nicht zuletzt auch den Kampf für die Freiheit der Presse führen wollen.

Mitteilungen des Vereins Arbeiterpresse, Nr. 327, Berlin, 01. Juli 1932, XXXII. Jahrgang