Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung


Online-Edition wichtiger Beiträge Eugen Pragers in der sozialdemokratischen Presse.

    Dokument:

    Zu schön, um wahr zu sein / Eugen Prager - [Electronic ed.], 1932 - 11 KB, Text
    In: Mitteilungen des Vereins Arbeiterpresse. - 32 (1. Januar 1932), 321, S. 1-2
    Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2006


Eugen Prager
Zu schön, um wahr zu sein

Der in Kürze zu erwartende Bericht des Parteivorstandes über die Entwicklung der Partei im abgelaufenen Jahre wird sicher auch einen ausführlichen Abschnitt über die Parteipresse enthalten. Wir werden darin, so hoffen wir, etwa folgendes lesen können:

Die Parteipresse hat an ihrem Teil das denkbar Mögliche dazu beigetragen, um den Kampfeswillen der Massen zu steigern, Verständnis für die Aktionen der Partei zu wecken und trotz der ungeheuren Wirtschaftsnot den Leserkreis unserer Zeitungen immer mehr zu erweitern. Den Aufrufen des Parteivorstandes galt stets die ganze Liebe der Redaktion und der Druckerei; sie erschienen nicht nur immer an der ersten Stelle des Blattes, man bemühte sich auch, durch wirkungsvolle Aufmachung und durch besonderes Schriftenmaterial die Aufmerksamkeit der Leserschaft auf diese Kundgebungen hinzulenken. Uns ist kein Fall bekannt, in dem man sich damit begnügte, unsere Aufrufe, nur um einer sauren Pflicht zu genügen, in einem versteckten Winkel der Zeitung abzuladen. Als es nicht mehr zweckmäßig erschien, von zentraler Stelle aus zur Werbung für den zweiten Mann aufzufordern, da haben sämtliche Blätter von sich aus die Lücke ausgefüllt und immer wieder den Massen eingehämmert, daß es zur Stärkung der politischen Macht der Arbeiterklasse erforderlich sei, den zweiten Mann, die zweite Frau, den zweiten Leser zu gewinnen.

Aehnliches konnten wir bei der Berichterstattung über unsere organisatorische Tätigkeit beobachten. Wir haben eine Zeitlang der Parteipresse in regelmäßigen Abständen allgemeine Uebersichten über unsere Versammlungsflut im ganzen Reich gegeben. Sie sind nicht nur so abgedruckt worden, wie sie der Pressedienst verbreitet hatte, sondern die Redaktionen hatten ihnen auffallende Ueberschriften gegeben, sie drucktechnisch ausgestaltet, damit auch von diesen Veröffentlichungen eine suggestive Wirkung auf den Leser ausgehe. Als wir auch damit einige Monate pausierten, sind die Redaktionen sofort eingesprungen, haben die anderen Blätter studiert, haben Erkundigungen eingezogen, und so konnten sie die Leserschaft auch weiterhin auf dem laufenden halten, was von unserer Partei für die Aufklärung des Volkes geschieht. Es war keineswegs etwa so, daß man der Nazipresse diese Möglichkeit der Beeinflussung der öffentlichen Meinung neidlos überlassen hat. Wenn dort unter den Spitzmarken "Unser Siegeszug", "Unsere Versammlungslawine" und ähnliches berichtet wurde, so setzte unsere Presse unseren ganzen Ehrgeiz darin, neue und bessere Schlagzeilen zu erfinden, den Leser zu packen und ihn für die Teilnahme an unserem Kampfe zu gewinnen.

An einigen Beispielen der jüngsten Zeit soll noch gezeigt werden, wie ausgezeichnet die journalistische und propagandistische Arbeit unserer Parteipresse war. Als die berühmten Dokumente vom Boxheimer Hof aufgefunden wurden, da haben unsere hessischen Parteiblätter sich nicht etwa mit dem begnügt, was ihnen vom Pressedienst aus Berlin zugeschickt wurde. Sie setzten ihren Stolz darein, dieser Angelegenheit, die zwar das ganze Reich anging, aber doch in Hessen entstanden war, die notwendigen lokalen Ergänzungen zu geben. Wer in jenen Tagen die hessische Presse durchsah, der konnte manche bemerkenswerten Einzelheiten über den Boxheimer Fall erfahren. Unsere Wormser Redaktion, die selbst nicht über die erforderlichen Kräfte verfügt, hatte sich sofort mit der Redaktion unseres Mannheimer Parteiblattes in Verbindung gesetzt, um mit deren Hilfe eine Reportage über den Ursprungsort der hessischen Mordpläne zu erhalten. Unsere anderen Blätter waren deshalb nicht auf die Mitteilungen der bürgerlichen Presse angewiesen. Wir haben alles erfahren, was die Urheber der Mordpläne kennzeichnete, und auch das Milieu, in dem sie entstanden waren. Es war deshalb auch nicht erforderlich, den Zusammenbruch des Boxheimer Hofes so nebenher in einer Rubrik zu melden, sondern die Sache wurde nach ihrer politischen Bedeutung gewürdigt und mit vollem Recht ist darauf verwiesen worden, wie bei den Nazis agitatorische Frechheit und wirtschaftliche Unfähigkeit dicht beieinander wohnen. So erfuhren wir auch aus unserem Offenbacher Parteiblatt alles Erforderliche über den Naziabgeordneten Dr. Schäfer, über seine Herkunft und seine bisherige Tätigkeit. Offenbach ist die Heimat von Schäfer und deshalb hatte es unser dortiges Parteiblatt für erforderlich gehalten, sich eingehender mit der Persönlichkeit dieses Mannes zu beschäftigen.

Bei der Harzburger Tagung der "nationalen Opposition" hat sich unsere Presse nicht auf die Berichterstattung der bürgerlichen Büros verlassen. Einige unserer besten Journalisten waren an den Ort der Zusammenkunft geeilt, in ihrer Gesellschaft befanden sich eigene Berichterstatter, und es ist ihnen glänzend gelungen, das Treiben der in Harzburg versammelten illustren Gesellschaft zu schildern. Die für diese Reportage aufgewandten Kosten lohnten der Mühe, denn wir haben manches erfahren, was über die Beobachtungen der bürgerlichen Presse hinausging. Aehnlich war es bei den Hakenkreuzlern in Braunschweig, wo die Tätigkeit unseres örtlichen Parteiblattes durch die Entsendung von Sonderberichterstattern unterstützt wurde. Es war durchaus nicht etwa so, daß zwei Redakteure des "Vorwärts" erst dann auf dem Schauplatz erschienen sind, als die Hauptsache eigentlich schon vorüber war.

Wie im Reich, so auch in dessen Hauptstadt. Hitler erschien in Berlin und residierte mit seiner Gefolgschaft im feudalen Hotel Kaiserhof. Sofort waren unsere wertvollsten journalistischen Kräfte zur Stelle, haben sein Auftreten geschildert, die Umgebung dieser Nebenregierung dargestellt, kurzum alles getan, was man politische Reportage nennt. So war es der Parteipresse hier, wie schon vorher in Harzburg und in Braunschweig möglich, der Oeffentlichkeit zu zeigen, wie es in dieser "Arbeiter"-partei zugeht. Und erfreulich zu sagen bleibt noch, daß es sich unsere Chef- und politischen Redakteure nicht nehmen ließen, persönlich an Reportage dieser Art teilzunehmen.

Selbstverständlich, daß auch alle anderen Ereignisse und Vorgänge von unserer Parteipresse nach Gebühr gewürdigt werden. Unser Zentralorgan ging dabei mit dem besten Beispiel voran. Als wir nach den Mißerfolgen in Hamburg und Hessen bei Kommunalwahlen in den Bezirken Franken und Zeitz überraschend gut abschnitten, da wurden die Ergebnisse nicht etwa auf die zweite Seite in kompresser Schrift so versteckt, daß man sie erst suchen mußte, sondern man fand sie auf dem Hauptblatt mit dicken Ueberschriften und redaktionellen Anmerkungen. Wir wollen uns eben auch in dieser Beziehung von der nationalsozialistischen oder kommunistischen Presse nicht übertrumpfen lassen, die selbst den kleinsten Wahlerfolg als großen Sieg anpreist und damit ihre Anhänger zu neuen Taten aufmuntert.

Wird der Parteivorstand so über unsere Presse berichten können?

Das wäre zu schön, um wahr zu sein!