Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung


Online-Edition wichtiger Beiträge Eugen Pragers in der sozialdemokratischen Presse.

    Dokument:

    Laßt uns in Frieden / Peter Trim - [Electronic ed.], 1931 - 10 KB, Text
    In: Die Welt am Montag. - 37 (21. Dezember 1931) 51
    Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2006


Laßt uns in Frieden!

"Die Stärke der Nationalsozialisten liegt gegenwärtig nicht so sehr in ihrer eigenen Armee als in der Zersplitterung der Armee ihres Todfeindes."

Trotzki schlägt Alarm

Wer ist Trotzki? Die Sowjetregierung und ihre deutschen Nachbeter behaupten, er sei ein Verräter, ein Konterrevolutionär. Aber diese Behauptung wird von der Geschichte seines Lebens Lügen gestraft. Trotzki war der vertraute Mitarbeiter Lenins. Er hat die rote Armee organisiert, unter seiner Führung konnte das Sowjetregime seine Angreifer zurück schlagen und die politischen Grenzen des Landes sichern.

Fast ein Jahrzehnt lang hingen in den Wohnungen der Arbeiter und Bauern des russischen Riesenreichs die Bilder Lenins und Trotzkis einträchtig nebeneinander. Heute hat deren Stelle zwar das Bildnis Stalins eingenommen und Trotzki sitzt in der türkischen Verbannung. Aber ein Verräter ist er nicht. Er gehört neben Lenin zu den schöpferischen Köpfen der bolschewistischen Revolution.

In diesen Tagen ist eine kleine Schrift von ihm erschienen, die die Frage stellt: "Soll der Faschismus wirklich siegen?" Diese Frage ist an alle die gerichtet, die aus Feigheit, Mutlosigkeit oder Schwäche die Meinung vertreten, wenn man Herrn Hitler erst einmal zu Wort kommen lasse, so würde es nicht lange dauern, bis er sich abgewirtschaftet habe. Und dann wäre das Feld frei für die proletarische Revolution.

Diese Meinung wird auch von der Leitung der Kommunistischen Internationale, der Komintern, und der Kommunistischen Partei Deutschlands vertreten. Und darum hält es Trotzki für seine Pflicht, Alarm zu schlagen: "Die Leitung der Komintern führt das deutsche Proletariat zu einer gewaltigen Katastrophe, deren Kern die panische Kapitulation vor dem Faschismus ist!"

Die Führer der Kommunisten, so sagt Trotzki, hätten sich folgende Theorie ausgedacht: der Sieg des Faschismus in Deutschland sei ohnehin unvermeidlich, es sei also besser, rechtzeitig zurückzuweichen, die revolutionären Truppen aus der Gefechtszone herauszuführen und dem Faschismus eine Falle in Form der Staatsmacht zu stellen, damit er sich "kompromittieren" könne.

Was würde aber die innenpolitische Folge sein, wenn die Nationalsozialisten an die Macht kommen? Die Vertilgung der Blüte des deutschen Proletariats, die Zerstörung seiner Organisationen, die Ausrottung seines Glaubens an sich und seine Zukunft, unbarmherziger, vernichtender Bürgerkrieg auf Leben und Tod.

Und außenpolitisch? "Der Sieg des Faschismus in Deutschland würde den unvermeidlichen Krieg gegen die UDSSR bedeuten." Die Nationalsozialisten, zur Macht gelangt, würden nicht etwa mit dem Krieg gegen Frankreich oder nur gegen Polen beginnen. "Hitler wird Pilsudski ebenso brauchen, wie Pilsudski Hitler. Beide werden gleichermaßen Waffen Frankreichs sein." Hitlers Regierung wäre nur das Vollstreckungsorgan des gesamten Weltkapitals. "Hitler würde im Fall des Sieges Ober-Wrangel der Weltbourgeoisie werden."

Abwarten und vorsichtig zurückweichen sagen die Strategen der Komintern. Ihre Weisheit liegt im Aufschieben. "Laßt uns in Frieden! ... und dann, man wird sehen." Inzwischen zeigt man sich beim "roten Volksentscheid" erst in Preußen und jetzt in Sachsen "in Einheitsfront mit Hitler und seinen Schwarzhundert-Banden".

Ist diese Theorie des Abwartens und Ausweichens in der wirtschaftlichen Lage begründet? Nein, sagt Trotzki mit vollem Recht.

Denn was sind die Nationalsozialisten? Sie haben zwar ernste Kampfkaders, erfahrene Sturmabteilungen, bei denen die "Offiziere" eine große Rolle spielen. "Doch nicht die Offiziere entscheiden, sondern die Soldaten. Indes sind die Soldaten der proletarischen Armee unermeßlich höher, verläßlicher, ausdauernder als die Soldaten der Hitler-Armee."

Die Hauptarmee des Faschismus wird gebildet vom Kleinbürgertum, von politisch zurückgebliebenen Beamten, Angestellten, von wirtschaftlich heruntergekommenen Bauern, von ihren Frauen und Schwiegermüttern. " Die Nationalsozialisten sind die Partei der nationalen Verzweiflung."

Aber die deutschen Arbeiter halten in ihren Händen machtvolle Produktions- und Transportmittel, sie sind durch ihre Arbeitsbedingungen zu einer Armee des Eisens, der Kohle, der Eisenbahnen, der Elektrizitätswerke verbunden.

Und nun ruft Trotzki aus: "Die Stärke der Nationalsozialisten liegt gegenwärtig nicht so sehr in ihrer eigenen Armee, als in der Zersplitterung der Armee ihres Todfeindes. Aber gerade die Realität der faschistischen Gefahr, ihr Wachsen und Herannahen, das Bewußtsein der Notwendigkeit, sie um jeden Preis abzuwenden, müssen unvermeidlich die Arbeiter zum Zusammenschluß im Namen der Selbstverteidigung stoßen."

Dieser Mann ist kein Freund der Sozialdemokratie, kein Freund der bürgerlichen Demokratie. Seine Abneigung gegen die westeuropäischen Methoden des politischen Kampfes ist nicht gering. Um so größere Aufmerksamkeit verdient sein Appell an die arbeitende Klasse Deutschlands, nun endlich den Bruderkrieg zu beenden und die geschlossene Front dem Feinde aller politischen und geistigen Freiheiten, aller sozialen und wirtschaftlichen Rechte zuzuwenden.

Dieser Ruf gilt aber auch dem deutschen Bürgertum, soweit es in dieser Zeit überhaupt noch selbständig zu denken vermag. Der Sieg des Faschismus in Deutschland würde nichts anderes bedeuten als den Triumph des Großkapitals, die Wiederkehr der Herrschaft des Adels und des ostelbischen Junkertums, die Vernichtung jeder Kultur vergangener Jahrhunderte.

Solange der Feind der Menschlichkeit und der Freiheit vor den Toren steht, müssen wir brüderlich kämpfen. Und durch Einigkeit siegen!

Peter Trim.

Die Welt am Montag, Nr. 51, Berlin, 21. Dezember 1931, 37. Jahrgang