Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung


Online-Edition wichtiger Beiträge Eugen Pragers in der sozialdemokratischen Presse.

    Dokument:

    Unsere Generalversammlung / Eugen Prager - [Electronic ed.], 1931
    In: Mitteilungen des Vereins Arbeiterpresse. - 31 (1. Juni 1931), 314, S. 1-2
    Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2006


Eugen Prager
Unsere Generalversammlung

Die schwere Wirtschaftskrise läßt auch das Zeitungswesen nicht unberührt. Die Zahl der Abonnenten geht zurück, die Anzeigenwerbung ist außerordentlich eingeschränkt worden. Es wäre töricht, wenn wir verschweigen wollten, daß auch die sozialdemokratische Presse unter diesen Verhältnissen zu leiden hat. Die vielen Millionen von Erwerbslosen sind ein Teil der Bevölkerungsschichten, in denen unsere Presse ihrer Leser findet. Von den Kürzungen an Lohn und Gehalt wird unser Anhängerkreis am stärksten betroffen. Bei alledem ist noch zu berücksichtigen, daß die Politik unserer Partei sich zur Zeit darauf beschränken muß, die früher errungenen Erfolge zu verteidigen, die unausgesetzt sich folgenden Angriffe auf Demokratie und Sozialpolitik abzuwehren. Diese Politik ist also nicht das, was man als populär zu bezeichnen pflegt.

Von um so größerer Bedeutung ist es aber, wenn der Parteivorstand berichten kann, daß der Rückgang der Auflagen der sozialdemokratischen Presse, der sich zum ersten Male seit vielen Jahren bemerkbar machte, verhältnismäßig gering geblieben ist. "Es ist unter sehr vieler Mühe und sehr großen Opfern zahlreichen Parteizeitungen möglich gewesen, die Auflageziffern zu halten, in einzelnen Fällen sogar zu verbessern. 46 Parteiverlage melden einen Zugang von 18 037 Lesern gegenüber dem Vorjahr, während bei 79 Verlagen ein Rückgang von insgesamt 51 431 verzeichnet wird. Nach Abzug der Zugänge verbleibt ein Verlust von 33 394 Lesern. Diese Zahl stellt einen so geringen Prozentsatz der Gesamtauflage dar, daß zu Bedenken kein Anlaß vorliegt; im Gegenteil, es muß anerkannt werden, daß die Wirtschaftskrise auf die Auflage der sozialdemokratischen Parteipresse einen sehr geringen Einfluß auszuüben vermochte." Zur Ergänzung sei noch wiederholt, was der Bericht aus der Tätigkeit der Inseraten-Union mitteilt; danach ist es gelungen, den Umsatz in Kollektivinseraten von 695 101 Mk. auf 712 093 Mk., den Umsatz der übrigen Inseratenwerbung von 156 219 Mk. zu erhöhen, der Gesamtumsatz hat mit 1 098 883 Mk. zum ersten Male die Million überschritten.

Dieser Erfolg steht zweifellos im Zusammenhang mit der außerordentlichen Aktivität, die die Partei im vorigen Jahre und vor allem nach den Reichstagswahlen entfaltet hat. Der Vorstoß des Faschismus am 14. September hat uns gezeigt, was für die deutsche Arbeiterklasse auf dem Spiele steht. Die von Genossen Wels aufgeworfene Frage nach dem zweiten Mann hat die Partei in Alarmzustand versetzt. Soweit unsere Presse in Betracht kommt, hebt der Bericht des Parteivorstandes mit Recht die ungeheure Initiative hervor, die unsere Verlage in der Leserwerbung im Jahre 1930 entwickelt haben. Wir dürfen hinzufügen, daß auch die Redaktionen das ihre getan haben, um durch die Ausgestaltung der Zeitungen deren Werbekraft zu erhöhen. So sehr wir geneigt sind, unsere eigene Tätigkeit ständig mit der schärfsten Kritik zu verfolgen, so brauchen wir doch auch nicht zu verschweigen, daß das Zeitungswesen unserer Partei in technischer ebenso wie in inhaltlicher Hinsicht weitere Fortschritte gemacht hat.

Der Verein Arbeiterpresse ist seinerzeit gegründet worden, um die rechtlichen und materiellen Verhältnisse der Angestellten in den Zeitungsunternehmungen der Arbeiterbewegung sicherzustellen. Ein Teil dieser Aufgabe ist ihm abgenommen worden, seitdem die Unterstützungsvereinigung eine selbständige Einrichtung der Arbeiterbewegung ist. Neue Aufgaben sind aber inzwischen hinzugekommen. Sie berühren vornehmlich die Gebiete der Zeitungstechnik des journalistischen Berufs. Wenn auch in unseren Kreisen häufig über die Uniformierung der Parteipresse geklagt wird, so darf man dabei doch nicht übersehen, daß auch das nur ein Ausdruck der gesamten technischen und geistigen Entwicklung ist. Eigentlich sollten wir uns darüber freuen, daß der Individualismus der Presse zurückgedrängt wird von einer ständig wachsenden Gemeinschaftsarbeit. Wie in der Industrie an die Stelle des Unternehmers mit privater Initiative immer mehr der kühl berechnende Ingenieur und die Betriebswissenschaft treten, so läßt sich auch bei der Presse die Verdrängung der einzelpersönlichen Arbeit durch die organisierende und mechanisierende Gesamtarbeit nicht aufhalten. Und wer vom Untergang der Individualität in der Parteipresse redet, der trauert eigentlich einem Zustand nach, der seine Begründung in der liberalistischen Wirtschafts- und Weltauffassung findet.

Es kommt also weniger darauf an, daß wir einzelne Gipfelleistungen erzielen, sondern daß wir unsere gesamte Presse auf einen möglichst hohen Stand bringen. Diesem Zwecke waren auch die Bildungskurse gewidmet, die in den vergangenen Jahren von der Partei und vom Reichsbildungsausschuß für Geschäftsführer, für Redakteure, für Buchhändler und für Parteisekretäre veranstaltet worden sind. Wir hätten gewünscht, daß bei den Redakteurskursen den zeitungstechnischen Fragen ein größerer Raum eingeräumt worden wäre. Vielleicht wäre es zweckmäßig, wenn Geschäftsführer und Redakteure auch zu gemeinsamen Kursen zusammenberufen werden. Die Reihe der Aufgaben ist gar nicht so gering, die von Geschäftsführungen und Redaktionen gemeinschaftlich zu lösen sind. Wenn die Zahl der Teilnehmer für zentrale Veranstaltungen zu groß erscheinen sollte, so wäre ihre Aufteilung auf die einzelnen Wirtschaftsgebiete des Reichs zu erwägen. Wir haben schon in einigen Bezirken gelegentliche Zusammenkünfte der Mitglieder des Vereins Arbeiterpresse; sie könnten ausgestaltet werden zu umfassenden und regelmäßigen Erörterungen aller Fragen, mit denen die Presseunternehmungen der Arbeiterbewegung zu tun haben.

Wir dürfen die Gefahren nicht gering achten, mit denen die technische, wirtschaftliche und geschäftliche Entwicklung im Zeitungswesen die Verbindung zwischen der Arbeiterbewegung und unserer Presse bedroht. Es ist gewiß richtig, daß nicht jedes Mitglied unserer Pressekommissionen in die Geheimnisse des modernen Zeitungswesens eindringen kann. Und ebenso stimmt es, daß der normale Funktionär unserer Bewegung, von dessen Leistung wir im übrigen mit der größten Hochachtung zu reden haben, über Aufmachung und Ausgestaltung der Parteizeitung häufig eine andere Meinung hat, wie wir vom Bau sie haben. Von uns her darf aber auch nicht die Spezialisierung der geschäftlichen und redaktionellen Aufgaben dazu führen, daß das Einzelne für wichtiger gehalten wird als das Ganze. Bei der kommunistischen Presse, auf deren Leitung die Parteimitgliedschaft gar keinen Einfluß hat, sucht man solcher Gefahr der gegenseitigen Entfremdung dadurch zu begegnen, daß man Zusammenkünfte der Arbeiterkorrespondenten und allgemeine Presseabende veranstaltet. Aehnliches findet man bei uns noch höchst selten. Es täte not, daß auch wir mehr örtliche Vorträge und Aussprachen veranstalten, in deren Mittelpunkt die Zeitungstechnik, das Verlagswesen und die Redaktionsführung zu stellen wäre.

Nach dem Kriege schien es eine Zeitlang, als ob die deutsche Presse völlig der "Amerikanisierung" verfallen würde; daß also die Nachrichten und die Sensationen den Raum der Zeitung in der Hauptsache in Anspruch nehmen und die gesinnungsmäßige Bearbeitung der politischen Fragen in den Hintergrund drängen würden. Auch wir haben uns ein wenig von dieser Tendenz beeinflußen lassen und dabei zuweilen des Guten zuviel getan. In der bürgerlichen Presse hat man inzwischen eingesehen, daß die "Amerikanisierung" dem deutschen Zeitungswesens nicht ganz zuträglich ist. Uebrig geblieben sind aus dieser Periode einige Boulevardblätter in den Großstädten und die lebhaftere Gliederung der gesamten Tagespresse. Auch unsere Parteiblätter haben die Kinderkrankheiten der "Aufmachung" überwunden. Wir wollen keine "Generalanzeiger" werden, sondern Organe der Arbeiterbewegung bleiben, für die Ideen des Sozialismus wirken, den Tageskampf des Proletariats führen, die politischen und unpolitischen Ereignisse mit Aufmerksamkeit verfolgen, zugleich aber auch für die Stunde der Muße Unterhaltung und Belehrung bieten.

Die Generalversammlung des Vereins Arbeiterpresse in Leipzig wird sich bei dem Punkte Agitation und Presse ausführlich mit diesen Dingen beschäftigen. Der Parteitag hat abweichend von den bisherigen Gewohnheiten die allgemeinen politischen Gegenstände zuerst auf seine Tagesordnung gesetzt. Damit soll zum Ausdruck kommen, daß der Parteitag vor allem eine Kundgebung für den Sozialismus und für die politischen Forderungen der Arbeiterklasse sein soll. In den bescheideneren Grenzen unserer Organisation werden wir uns zwar zunächst mit unseren engeren persönlichen und materiellen Fragen beschäftigen. Darüber hinaus aber werden wir zu bekunden haben, daß wir uns der Größe der uns übertragenen Aufgabe bewußt sind: die Parteipresse zu einer scharfen Waffe im proletarischen Befreiungskampfe zu machen.