Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung


Online-Edition wichtiger Beiträge Eugen Pragers in der sozialdemokratischen Presse.

    Dokument:

    Zusammenfassung der Arbeit! / von Eugen Prager - [Electronic ed.], 1930 - 17 KB, Text
    In: Mitteilungen des Vereins Arbeiterpresse. - 30 (1. Dezember 1930), 308, S. 1-2
    Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2006


Zusammenfassung der Arbeit!
Von Eugen Prager

Es ist in den Blättern wiederholt schon davon gesprochen worden, daß mit der Wandlung der staatlichen Verhältnisse in Deutschland sich auch die Stellung der Sozialdemokratischen Partei zum Staat gewandelt hat. Damit haben sich auch die Aufgaben unserer Presse verändert und vermehrt. Die politische Form des Staates wurde so gestaltet, wie es den Mehrheitsverhältnissen der verfassunggebenden Nationalversammlung entsprach. Daß dieser Staat aber auch ein soziales Gemeinwesen werde, das blieb im wesentlichen der Willensbildung des Volkes vorbehalten. So besteht denn auch unsere Arbeit seit Weimar darin, die neue Staatsform gegen ihre Gegner zu verteidigen und zugleich den Kampf für die sozialistische Neuordnung der Gesellschaft zu führen. Ist die Presse der Sozialdemokratischen Partei innerlich und äußerlich so gewachsen, wie es der Größe ihrer Arbeit entspricht?

Das politische Bild

In der Vorkriegszeit hatte die deutsche Arbeiterklasse nur eine Partei, die Sozialdemokratie. Jetzt sehen wir neben uns noch eine zweite proletarische, die Kommunistische Partei. Während wir ehedem die Meinungsverschiedenheiten über politische Taktik in aller Oeffentlichkeit austragen konnten, müssen wir uns jetzt große Beschränkung auferlegen, um nicht dem skrupellosen Gegner von der anderen Fakultät Stoff zur Verschärfung des Zwistes in der Arbeiterschaft zu liefern. Zum mindesten seit dem 14. September 1930 aber wissen wir, daß auch noch die Nationalsozialistische Partei Eroberungen im proletarischen Lager zu machen sucht. Wir stehen also inmitten eines Zweifrontenkrieges, der noch dazu mit ungleichen Waffen ausgetragen wird. Als demokratische Partei sind wir für die freie Meinungsbildung, bei uns und bei den anderen. Die anderen aber, die eine diktatorische Gewaltherrschaft anstreben, benutzen die Mittel der Demokratie, um dieser Demokratie den Garaus zu machen. Soweit es sich um den Staat handelt, werden wir im Notfalle die Gewaltmethoden der Antidemokraten mit den zweckmäßigen Maßnahmen abzuwehren haben. Soweit es sich um Einrichtungen der Arbeiterbewegung handelt und vor allem um ihre Presse, dürfen wir nicht warten, bis wir in die Abwehr gedrängt sind.

In der Oktober-Nummer der "Mitteilungen" haben wir durch Umfrage festzustellen gesucht, welchen Einfluß die Presse auf den Ausfall der Reichstagswahlen gehabt hat. Das Ergebnis dieser Aussprache darf nachträglich dahin zusammengefaßt werden, daß wir den gesinnungsmäßigen propagandistischen Charakter unserer Presse stark betonen müssen, aber mit der gleichen Liebe den unpolitischen, den unterhaltenden Teil der Zeitungen zu pflegen haben. In keiner einzigen Antwort auf unsere Umfrage war die Rede davon, daß Auseinandersetzungen der Tagespresse über die Taktik anziehend auf die parteimäßig nicht zu uns gehörigen Wählerschichten wirken. Daraus müssen wir den Schluß ziehen, daß solche innerpolitischen Diskussionen überhaupt nicht mehr in die Tageszeitung gehören, sondern daß sie in der Organisation und im "Freien Wort" auszutragen sind. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf das Beispiel der österreichischen Sozialdemokratie. Würde diese Partei einen so imponierenden Wahlsieg errungen haben, wenn ihre Presse sich vorher erst darüber unterhalten hätte, ob die eine oder die andere Taktik die richtigere sei?

Methoden der Diktatur

In allen Ländern mit diktatorischer Verfassung ist die Pressefreiheit aufgehoben. Hier ist die Presse ein Machtinstrument des Staats, das bewußt zur einseitigen Willensbildung des Volkes benutzt wird. Kritik an Einrichtungen des Staates oder an der herrschenden Partei wird nur zugelassen, soweit dies das System selbst nicht gefährden kann, oder sie wird auf Gebiete abgelenkt, von denen die Interessen des Systems nicht berührt werden. Das ist so in Rußland wie in Italien. Die Geschäftsleitungen und Redaktionen werden nicht von demokratischen Körperschaften gewählt, sondern von der Diktatur und ihren Beauftragten in ihre Stellungen kommandiert. Sie sind den Machthabern verantwortlich und nicht den Lesern.

Aehnliche Methoden werden auch bei uns von den Parteien gehandhabt, die die diktatorische Gewaltherrschaft anstreben. Die Organisationen der Kommunistischen Partei haben keinen Einfluß auf die Besetzung der leitenden Stellen in der Parteipresse. Geschäftsführer und Redakteure werden von oben herab eingestellt, abberufen oder versetzt. Die Mitgliedschaft der Partei kennt nicht einmal den Namen der Leute, die in dieser Kommandohöhe thronen. Geschäftlich sind die kommunistischen Unternehmungen aufs schärfste zusammengefaßt, sie bilden eigentlich nur noch einen einzigen Betrieb. Auch die Redaktionsführung zeigt kaum noch lokale Nuancen. Ob die Taktik der Parteileitung gut oder schlecht ist, sie wird nach den Parolen verteidigt, die von oben her ausgegeben werden. Das Seitenstück dazu bietet der Münzenberg-Konzern, der auf rein kapitalistischer Grundlage aufgebaut ist, scheinbar auch Außenstehenden Raum zur Mitarbeit gewährt, aber doch nur so weit, daß sie den kommunistischen Parteizwecken nicht gefährlich werden.

In der nationalsozialistischen Presse zeigt sich die gleiche Entwicklung. Die ersten Blätter sind auf lokaler Grundlage entstanden, ihre Gründer und Leiter, zumeist Eingänger, waren der Partei nicht verantwortlich. In den letzten Monaten ist aber auch hier die Konzentration schnell fortgeschritten. Aus den Wochenblättchen sind vielfach Tageszeitungen geworden, die der Kontrolle der Parteileitungen unterstehen. Die Besetzung der leitenden Stellen geht in gleicher Weise vor sich wie bei den Kommunisten. Auch hier die Führer, die sich selbst berufen haben und nunmehr die ihnen genehmen Personen auf die wichtigsten Posten in der Partei und ihrer Presse kommandieren. Seit den Reichstagswahlen ist ein besonderer Parlamentsdienst eingerichtet worden, der den Redaktionen die vorgeschriebene Meinung übermittelt. In neuester Zeit wird dieser Parlamentsdienst den Zeitungen sogar gematert geliefert, "um dadurch den Verlagsanstalten ganz bedeutende Satzkosten zu ersparen".

Kapitalistische Konzentration

Die Zusammenfassung des bürgerlichen Pressewesens setzt sich ununterbrochen fort. Mit dem Absterben des Liberalismus in Deutschland vollzieht sich immer schneller der Wandel der Gesinnungspresse zur reinen Geschäftspresse. Nicht zuletzt darauf ist die Einflußlosigkeit der großen Presse auf den Ausgang der Wahlen zurückzuführen. Oder anders gesehen: Die Hervorkehrung des geschäftlichen Interesses in der großen Presse gehört zu den Ursachen, die zur Erstarkung der politischen Reaktion in Deutschland geführt haben. Zwei Beispiele: Der Ullstein-Konzern entledigt sich Georg Bernhards und schafft sich dafür einen Dr. Wolf an, der die Rationalisierung des gesamten Betriebes nach rein geschäftlichen, also kapitalistischen Methoden durchführt. Jede Gesinnung wird entfernt, die den Absatz der einzelnen Verlagserscheinungen gefährden könnte. Auch die "Frankfurter Zeitung", dieses vornehmste Organ der deutschen Demokratie, hat ihre Gesinnungsfreiheit eingebüßt. Sie darf ihre Meinung nur in dem Rahmen äußern, der ihr von Herrn Dr. Hummel, Aufsichtsrat der I. G. Farben-Industrie, gesteckt wird. Das gleiche gilt von fast allen anderen Großunternehmungen der bürgerlichen Presse, in Berlin ebenso wie im Reich. Fast überall steht vor der Gesinnung das Geschäft.

Nicht anders hat auch die kleine Presse im Reich ihre Unabhängigkeit eingebüßt. Die besondere Pflege des lokalen Teils genügt nicht mehr, um dem Wettbewerb der großstädtischen Zeitungen standzuhalten. Daher die starke Benutzung der Materndienste und der zentralisierten Klischee-Erzeugung. Illustrierte Blätter, Beilagen für Garten und Land und ähnliches wird von Berlin oder aus anderen Verlagsorten geliefert. Der Spielraum für den freien Mitarbeiter wird immer kleiner. Wenn die Meinungsäußerung nicht schon vom Unternehmer bestimmt ist, so wird sie der Redaktion fix und fertig aus einer Zentrale geliefert.

Konzentration bei uns

In der sozialdemokratischen Presse sind die Konzentrierungsbestrebungen noch nicht allzu weit über das Geschäftliche hinausgestoßen. Unsere "Konzentration" faßt die gemeinsamen wirtschaftlichen Aufgaben der Presseunternehmungen zusammen, sie ist zugleich Ratgeber, Verwalter und Treuhänder. Sie ist immer noch mehr eine demokratische Institution, bei der die Betreffenden weitgehendes Mitbestimmungsrecht haben, und kann nicht mit jenen Direktionen verglichen werden, die in kapitalistischen Konzernen von oben herab kontrollieren und anordnen. An der Sphäre der Redaktionsführung kommt sie nur dann heran, wenn sie sich gelegentlich mit der wirtschaftlichen Betriebsleitung begegnet.

Bei den Redaktionen unserer Presse steckt der Konzentrationsprozess erst noch in den Anfängen. Der Sozialdemokratische Pressedienst ist bei aller Ausdehnung nur das Nachrichtenbüro geblieben, das den Zeitungen den Rohstoff liefert. Die zeitungstechnische Behandlung seines Materials überläßt er den einzelnen Redaktionen, die auch für die Auswahl des Stoffes nach ihren Bedürfnissen treffen. Der Materndienst hat bisher nur bei unseren kleineren Parteiblättern Eingang gefunden. Lediglich die zentral redigierten illustrierten Zeitschriften werden, bis auf wenige Ausnahmen, von unseren Zeitungen beigelegt.

Im allgemeinen läßt sich also folgendes feststellen: Die Geschäftsleitungen haben ihre Tätigkeit schon vielfach konzentriert, was soviel heißt, daß sie sich den Notwendigkeiten der Gesamtpartei unterstellt haben. Der wirtschaftliche Effekt dieser En[t]wicklung ist nicht ausgeblieben. Dagegen herrscht in der Redaktionsführung noch die größte Zersplitterung. Diese Feststellung bezieht sich nicht etwa nur auf die freie Meinungsäußerung unserer Redaktionen, die als heiligstes Gut der Demokratie auch dann noch nicht angetastet werden soll, wenn schon die faschistische Diktatur vor den Toren des Staats und damit der Partei steht. Sie gilt in noch viel höherem Maße auch für die redaktionstechnische Ausgestaltung unserer Presse.

Was ist zu tun?

Als Sozialisten wollen wir der Gemeinschaft dienen, als Angehörige und Vertrauensleute der Partei den gemeinsamen Parteizweck fördern. Bisher war es in das Belieben der einzelnen Zeitungen und ihrer örtlichen Aufsichtsinstanz gestellt, wie weit sie sich an den zentralen Einrichtungen der Partei für die Presse beteiligen wollten. Es soll hier anerkannt werden, daß manche Parteiblätter die für die leistungsschwächeren Blätter getroffenen Maßnahmen unterstützt haben, auch wenn sie selbst keinen besonderen Vorteil daraus ziehen konnten. Wir sollten jetzt endlich viel weiter gehen. Die Presse der Sozialdemokratie muß zu einer Einheit umgeschmolzen werden, die dem Wessen unserer Partei als einer Kampfgemeinschaft entspricht. Dazu gehört, um einiges zu nennen: großzügige Ausgestaltung des Maternwesens; Ausbau des Pressedienstes zur journalistischen Propagandazentrale für die Presse der Partei, wie es die Werbeabteilung des Parteivorstandes bereits für die Organisation ist; die zentrale Erfassung und Bearbeitung des nichtpolitischen Stoffes; Aufbau des Bilderdienstes; stärkste Beeinflussung der Aufmachung unserer Presse unter Berücksichtigung der örtlichen Bedingungen; ständige Einwirkung auf die redaktionelle Arbeit durch ein von der Presse oder der Gesamtpartei zu bestellendes journalistisches Treuhänderkollegium; Erforschung der Ursachen etwaigen Stillstands oder Rückgangs des Abonnentenstandes; zentrale Zusammenlegung und Bearbeitung der wirtschaftlichen und geistigen Interessen der Parteipresse.

Wir wissen, daß unsere Vorschläge auf lebhafte Bedenken stoßen werden, nicht zum mindesten aus der Befürchtung, daß mit ihrer Durchführung die bewährte Selbständigkeit der einzelnen Parteiorgane vernichtet, jede freie Meinungsbildung bei uns beseitigt, die bisherige Stellung der Aufsichtsinstanzen für die Presse beseitigt und eine Diktatur des Parteivorstandes aufgerichtet werden würde. Darauf ist zu erwidern, daß die Selbständigkeit der einzelnen Parteiorgane und ihrer Redaktionen schon jetzt eingeengt wird durch die wirtschaftlichen Möglichkeiten, sie werden sicher noch wesentlich begrenzt werden durch die kommenden politischen Entwicklungen. Und wenn wir erst erkannt haben, wohin diese Entwicklung treibt, dann werden wir gern einige von unseren persönlich-demokratischen Freiheiten opfern, um die Demokratie für die Arbeiterklasse, für die Partei und ihrer Presse zu sichern.