Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung


Online-Edition wichtiger Beiträge Eugen Pragers in der sozialdemokratischen Presse.

    Dokument:

    Reklame, Partei, Presse : Ausstellung und Kongreß für Reklamewesen in Berlin / E.P. - [Electronic ed.], 1929 - 30 KB, Text
    In: Mitteilungen des Vereins Arbeiterpresse. - 29 (1. September 1929), 293, S. 1-4
    Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2006


Reklame, Partei, Presse
Ausstellung und Kongreß für Reklamewesen in Berlin

In diesen Spalten ist es gute Sitte über Angelegenheiten der Partei nur soweit zu sprechen, als sie das Gebiet des Pressewesens berühren. Wenn man aber, den Anlaß der Berliner Reklameausstellung benützend, den Rahmen der Diskussion etwas weiter stecken möchte, so wird man von der Erwägung geleitet, daß die modernen Formen der Agitation und der Propaganda sich vielfach mit denen der eigentlichen Reklame berühren. Reklame ohne Presse aber ist undenkbar. Wer als sozialdemokratischer Funktionär durch die Hallen der Ausstellung gestreift ist und die Reden auf dem Kongreß gehört oder sie im Bericht nachgelesen hat, der wird sich sicher die Frage vorgelegt haben, ob wir das Richtige bei der Anwendung reklamehafter Mittel in unserer Propaganda treffen. Und noch die weitere, ob die Kosten, die wir für unsere Reklame aufwenden, im richtigen Verhältnis zu dem durch sie erzielten Nutzen stehen.

Was Reklame ist, braucht hier nicht auseinandergesetzt zu werden. Es genügt zu sagen, daß die bürgerliche Geschäftswelt eine Art Wissenschaft aus ihr gemacht hat. Um ihre Wirkung zu studieren, werden vor allem jene Hilfsmittel angewendet, die uns die Nationalökonomie und die Psychologie bieten. Womit nicht gesagt sein soll, daß alles, was man auf der Ausstellung zu sehen und auf dem Kongreß zu hören bekam, reine Weisheit und unanfechtbare Wahrheit gewesen ist. Im Gegenteil, es ist von den "praktischen Geschäftsleuten" vieles gezeigt und geredet worden, was jenseits aller Wissenschaft war. Aber einiges bleibt doch, was auch für uns wichtig ist.

Was wir sagen sollen.

Unsere Agitation war vor dem Kriege einfacher, primitiver als sie es heute ist, wie sich auch die geschäftliche Reklame erst seit einigen Jahrzehnten zu ihrer heutigen Mannigfaltigkeit entwickelt hat. Wir standen in grundsätzlicher Opposition zu dem damaligen Staat, von seinen wichtigsten Einrichtungen waren wir ausgeschlossen. Daß die Verhältnisse in einigen süddeutschen Bundesstaaten etwas günstiger lagen, hat das allgemeine Bild nicht sehr beeinflußt. Unsere stärkeste Seite war damals die Kritik. Jetzt aber üben wir doch schon erheblichen Einfluß auf Gesetzgebung und Verwaltung aus. Wir dürfen nicht nur kritisieren, sondern müssen auch sagen, was wir getan haben. Wir müssen erklären, warum wir bisher nicht alle unsere Forderungen durchsetzen konnten, daß wir sogar zu Kompromissen gezwungen sind, die auch Zugeständnisse an die bürgerlichen Parteien enthalten.

Die Fachleute der Reklame ermahnen die Geschäftsleute immer wieder, dem Publikum in der Reklame nichts anderes zu sagen, als was sie wirklich beim Verkauf vertreten könnten. Man soll keine schlechte Ware als gute empfehlen. Man soll keine Preise angeben, die man später nicht innehalten könne. Aber wenn ein Geschäftsmann von der Güte seiner Ware überzeugt ist, so solle man deren Vorzüge in der Reklame auch angeben, denn davon hätten Geschäftsleute und Kunden ihre Vorteile. Wenn wir vom Geschäftlichen wieder ins Politische zurückkehren, so dürfen wir vor uns selbst bekennen, daß wir uns dessen, was wir getan haben, vor unseren Lesern und Wählern nicht zu schämen brauchen. Wäre unsere Politik wirklich so schlecht, wie es sogar einige Leute im eigenen Lager behaupten, dann müßte die Kommunistische Partei, die es an Reklame doch wirklich nicht fehlen läßt, sich vor Zulauf nicht mehr zu retten wissen. Aber selbst die theoretische Leuchte am bolschewistischen Himmel, Varga, mußte im Etti kürzlich feststellen, daß der Reallohn der deutschen Arbeiterschaft von Mai 1928 bis Mai 1929, das war die Zeit größter Arbeitslosigkeit, um 5 bis 8 Prozent gestiegen sei, daß sich also die Lebenshaltung der deutschen Arbeiterklasse im gleichen Verhältnis gebessert haben müßte. Sollten wir bei aller Bescheidenheit nicht das Hauptverdienst dafür in Anspruch nehmen können? Hat nicht unsere Politik dazu beigetragen, daß das soziale Niveau des deutschen Proletariats sich trotz der furchtbaren Folgen des Krieges, trotz der Inflation, trotz schwerer Wirtschaftskrisen merklich gebessert hat?

Diese Tatsache, neben vielen anderen gleicher Art, müssen wir in der Propaganda denen sagen, die noch unsere Wähler, unsere Leser werden sollen.

82 Proz. Konsumenten sind Werktätige.

Eine der schönsten Abteilungen auf der Reklameausstellung zeigte die Konzentration. In der Mitte die überlebensgroße Figur eines Arbeiters, zwischen dessen Beinen ein Besitzbürger Platz hat. Diese Plastik, aus Prof. Frenzels Meisterhand hervorgegangen, soll das Verhältnis zwischen den minderbemittelten und den besitzenden Klassen darstellen. Wir lasen dort auch, daß 82 Proz. aller Konsumenten Werktätige sind. Das soll dem Beschauer sagen, daß diese 82 Proz. eigentlich Leser der Arbeiterpresse sein sollten. Die Wirklichkeit ist von diesem Zustande noch weit entfernt. Wie weit, dass erkennt man mit schmerzhafter Deutlichkeit, wenn man die Ausstellung durchwandert. Das größte Zeitungsunternehmen Ullstein, fehlte allerdings, wie es auch auf der Pressa in Köln gefehlt hat. Man muß annehmen, daß Ullstein es sozusagen nicht nötig hat, auf Ausstellungen zu paradieren. Die Kongreßbesucher waren zu Besichtigungen in die beiden Druckereigebäude von Ullstein geladen worden, und die anderen Leute werden durch die Werbemethoden dieses Hauses ganz anders erfaßt, als es auf einer Ausstellung möglich ist.

Dafür waren aber Mosse und Scherl und Gieradet und wie alle anderen deutschen Zeitungskonzerne heißen, vertreten. Scherl zeigte auf Transparenten die berufliche Aufteilung der Leser seiner Zeitschrift. Sie war offenbar für die Inserenten bestimmt, denn Proleten fehlten darin, sie erschienen unter Handwerkern und gewerblichen Angestellten. Auf dem Stande des "Hamburger Fremdenblattes" sah man eine Liliput-Tiefdruckmaschine, die ständig Miniaturzeitungen auswarf. Einzelne Blätter, wie die "Kölnische Zeitung", gaben Sonderausgaben gratis an die Besucher ab. Die Kosten sind wahrscheinlich durch Inserate reichlich eingebracht worden. Auch die ausländische Presse hatte ausgestellt. Bemerkenswert war der Stand des "The Christian Science Monitor" mit dem Sitz in Boston. Das Blatt will im Gegensatz zu der anderen bürgerlichen Presse keine Sensationen bringen, der Inseratenteil wird in "christlichem" Sinne zensiert. Das Blatt hat bereits in der ganzen Welt Filialen, auch in Deutschland. An diesem Beispiel mag man sehen, welche Anstrengungen das internationale Zeitungskapital macht, um hoch zu kommen. Es zieht sich, wenn es nottut, auch ein "christliches" Kleid an.

Die Tagespresse hat über die Ausstellung berichtet, deshalb mögen hier diese wenigen Hinweise genügen. Die Ausstellung wurde auch von den Geschäftsführern der sozialdemokratischen Presse besucht; wir nehmen an, daß sie dort manches gesehen haben, was noch getan, aber auch, was unterlassen werden muß.

Reklame und Journalismus.

Der auch in unseren Kreisen geschätzte Kollege Dr. Emil Dovifat, jetzt Universitätsprofessor und Direktor des Deutschen Instituts für Zeitungskunde in Berlin, hielt auf dem Reklamekongreß einen Vortrag, der einige grundsätzliche Betrachtungen über Reklame und Journalismus enthielt. Wir geben hier das Wesentliche daraus wieder:

"Reklame und Journalismus haben gemeinsam die moderne Tageszeitung geschaffen. Sie haben damit gemeinsam dem heutigen Leben das stärkste Ausdrucksmittel seines öffentlichen Wollens und öffentlichen Meinens gegeben. Erst seit die Presse ihre Meinungsfreiheit erfochten hat, konnte auch der Anzeigenreklame die breiteste Oeffentlichkeit erschlossen werden; erst der Ertrag der Anzeige wiederum gab dem Zeitungswesen die wirtschaftliche und technische Kraft, seine Nachrichten mit Blitzesschnelle rund um den Erdball zu sammeln und seine Nachrichten und Meinungen wieder zu verbreiten. Dadurch erst gewinnt die Zeitung jene große und immer größere Rufweite, die der Nachricht, der Meinung und der Anzeige gleichzeitig zugute kommt. Reklame und Journalismus haben sich also gegenseitig in der Zeitung ihre Tribünen errichtet. Sie tragen einander, und dennoch: sie sind streng voneinander getrennt.

In dieser strengen Trennung zwischen dem Anzeigenteil einer Zeitung und ihrer journalistischen Arbeit liegt für beide der größte Erfolg. Aber auch die größte Gefahr. Gemeinsam ist beiden die Werbeabsicht. Aber gänzlich verschieden ist der Werbeinhalt. Ob der Journalismus im Meinungskampfe steht oder Nachrichten sammelt und vermittelt, überall sind es allgemeine, sind es öffentliche Interessen, denen er dienstbar ist. Wo aber die Reklame auftritt, ist zunächst immer ein privates Interesse Triebkraft der Werbehandlung. Erst der Wert des Dargebotenen und die Zweckmäßigkeit und Treffsicherheit der Werbeform geben der Reklame ihre allgemeine, ihre volkswirtschaftliche Bedeutung. Zunächst aber steht sie im privatwirtschaftlichen Wettbewerb mit anderen, die für ähnliche oder verwandte Dinge werben. Dieser Wettbewerb muß ehrlich sein. Er muß als "fair play" mit guten Mitteln und unter gleichen Voraussetzungen geführt werden. Mag dem Besten der Erfolg beschieden sein!

Wenn aber in diesem gesunden und ganz natürlichen Wettkampf die Leistungen der Kämpfenden sich steigern, Geringes ausscheidet und Wertvolles sich behauptet, so ist es unerträglich, wenn hier Kämpfer das Visier schließen, regelwidrige Fechterkniffe anwenden und unerlaubte Hilfsmittel benutzen. Ein derart unerlaubtes Hilfsmittel ist die Vermengung von Reklame und Journalismus. Unerlaubt für den Journalismus, der dadurch seine allgemeinen Zielen dienende Arbeit privatwirtschaftlich mißbrauchen läßt. Unerlaubt für die Anzeige vor allem deswegen, weil sie irreführend im journalistischen Kleide erscheint, also nicht nur kostenlosen Anzeigenraum zu gewinnen sucht, sondern auch in einem privaten Wettbewerb öffentlichen Vorspann regelwidrig nutzt. Also in beiden Fällen: Vorspiegelung falscher Tatsachen."

Anzeigenteil und Inseratenteil.

"In beiden Fällen auch höchst gefährlich für die journalistischen wie für die volkswerbenden Aufgaben der Zeitung. Man kennt die Versuche, vom Anzeigenteil her den redaktionellen Teil zu beeinflussen. Sie sind mannigfaltig und treten in allen Masken auf. Bald in freundlicher Selbstverständlichkeit, bald laut fordernd. Von der harmlosen, mehr oder weniger gekennzeichneten "Redaktionellen Notiz", vom Versuch, Journalisten durch Einladungen oder bevorzugte Warenbelieferungen zu gewinnen, bis zur deutlichen Boykottandrohung gegenüber redaktioneller Meinungsäußerung. Wenn derartige Versuche sich siegreich durchsetzen, so bedeuten sie das Ende der Tageszeitung in ihrer gegenwärtigen Form und damit das Ende unseres besten Reklameträgers. Wenn der redaktionelle Teil verkappt dem Anzeigenteil dienstbar gemacht wird, so ist die tiefste Ursache jedes publizistischen und jedes reklametechnischen Erfolges der Zeitungsarbeit dahin: das Vertrauen des Lesers. Für die Beziehungen zwischen Journalismus und Reklame gilt in der Endwirkung unwiderlegbar der Grundsatz: Die Anzeigenkraft des Blattes ist am stärksten, das dem Anzeigenteil keine Einwirkung auf seine journalistische Arbeit gestattet. Je größer die publizistische Unabhängigkeit, um so größer der Anzeigenerfolg.

Dies Grundgesetz muß jeder journalistischen und jeder anzeigenfachlichen Arbeit vorausgestellt werden. Wo große Wirtschaftserfolge einzelner erzielt werden, wo hervorragende privatwirtschaftliche Erfolge Gegenstand allgemeinen und öffentlichen Interesses geworden sind, pflegt die Zeitung auch im redaktionellen Teil zwangsläufig darüber zu berichten. Das liegt ganz einfach in den organischen Gesetzen aller journalistischen Arbeit. Aber jedes der Zeitung aufgezwungene journalistische Anzeigenhilfsmittel, alle Reklamenotizen, redaktionellen Hinweise und Textreklamen werden durch gesunde Zeitungen ganz von selbst in eine Form gebracht, zusammengefaßt und gekennzeichnet, daß der Leser sie schon sehr bald als das nimmt, was sie sind: Kein journalistischer Text! Bloße Beigaben zur Anzeige! Das Gegenteil würde den Verlust des Vertrauens in den redaktionellen Teil und damit das Ende der Zeitung bedeuten. Zeitungsleute und Reklameleute haben also ein gemeinsames Interesse daran, gegen Bestrebungen Front zu machen, die ihnen den Anzeigenwert der Zeitung zerschlagen, gegen Organisationen und Persönlichkeiten anzugehen, die eine Ausnutzung des redaktionellen Teils zur privatwirtschaftlichen Werbung sich zur Aufgabe gemacht haben. Es ist ein Zeichen gefährlicher Begriffsverwirrung, daß es solche Organisationen und solche Persönlichkeiten überhaupt gibt.

Hier liegt auch eine Bildungsaufgabe. Für die innere Bedingtheit zwischen publizistischer Freiheit und Anzeigenwirkung sollte man schon dem künftigen Werbepraktiker Verständnis beibringen. Ebenso wie der künftige Journalist lernen und wissen muß, wie bedeutsam für die wirtschaftliche und technische Ausgestaltung seiner Zeitung und damit für die Wirkungsweise seiner eigenen Arbeit und Anzeigenteil ist, ebenso muß der Werbepraktiker der journalistischen Arbeit mit Sinn und Verständnis gegenüberstehen. Er muß wissen, daß diese Arbeit von öffentlichen Interessen bestimmt und in öffentlicher Verantwortung geleistet ist. Es muß ihm in Fleisch und Blut übergehen, daß jede Verschleierung der klaren Scheidung zwischen dem redaktionellen und dem Anzeigenteil eine Verminderung der Wirkungskraft der Zeitung ist, die beiden Aufgaben gleicherweise dient. Daher sollten auch Zeitungswissenschaft und Werbewissenschaft in der Bearbeitung dieser Fragen zusammenwirken, weil sie für das Zeitungswesen wie für das Werbewesen von gleicher lebenswichtiger Bedeutung sind."

Zensur und Reklame.

Louis Wiley, kaufmännischer Direktor der "New York Times", eines der größten Zeitungsunternehmungen der Welt, berichtete, daß sein Blatt für den Inseratenteil eine besondere Zensur eingerichtet hat. Es ist ein "Index" aufgestellt worden, der Anzeigen folgender Art aus ihren Spalten ausschließt:

  1. "Betrügerische oder zweifelhafte Inserate.
  2. Gratisangebote von Wertgegenständen; Anzeigen, die falsche, ungarantierte oder übertriebene Behauptungen aufstellen.
  3. Anzeigen, die in der Abfassung zweideutig sind und irreführen könnten.
  4. Angriffe persönlicher Art; Inserate, die ungerechtfertigte und überflüssige Bemerkungen über Konkurrenten und Konkurrenzwaren enthalten.
  5. Inserate, die große Dividenden und außergewöhnliche Gewinne in Aussicht stellen.
  6. Angebote finanzieller Aussichten.
  7. Inserate, die indezent, vulgär, verlockend oder beleidigend sind, dem Inhalt oder dem Wortlaut nach.
  8. Heiratsangebote, Wahrsagung, Massage.
  9. Nicht einwandfreie medizinische Inserate und Angebote freier Behandlungen; Inserate, die direkt oder zwischen den Zeilen Heilung oder Linderung versprechen, die aber keineswegs durch Tatsachen oder Erfahrung berechtigt erscheinen.
  10. Anzeigen von gefährlichen, zur Gewohnheit werdenden Drogen.
  11. Inserate, die Geld für Mustersendungen oder irgendwelche Artikel fordern.
  12. Inserate irgendwelcher Art, die den Lesern Verluste an Gesundheit, Schädigungen in sittlicher Hinsicht verursachen könnten oder welche geeignet sind, das Vertrauen in ehrliche Inserate zu erschüttern, ehrlichen Handel zu schädigen, oder welche sonst noch von der "New York Times" als unwürdig angesehen werden."

Die Kontrolle der Auflagen.

In den Vereinigten Staaten von Nordamerika haben sich, wie Philipp L. Thomson auf dem Kongreß berichtete, 1400 der bedeutendsten Verleger von Tageszeitungen, Wochenschriften, handels- und landwirtschaftlichen Zeitungen, ferner etwa 200 der führenden Reklameagenturen und Publizisten in einer Organisation "Audit Bureau of Circulation" zusammengeschlossen. Die Vereinigung hat den Zweck, die wirkliche Auflage der Presseunternehmungen und die Bewertung der Leser für den Zweck des Inserenten festzustellen. Es wurden Normen aufgestellt, in Einheiten zusammengefaßt und so ein "amerikanischer Standard" ermittelt. Thomson schilderte das System im einzelnen folgendermaßen:

"Der Käufer bedient sich jetzt zuerst des ABC-Geschäftsberichts des entsprechenden Verlegers, um die Fragen beantwortet zu erhalten: Wieviel Leser haben Sie? - Wie erwarben Sie Ihren Leserkreis? - Wo ist dieser wohnhaft? - Als erstes hatte dann das ABC die Einheiten für die Industrie festzulegen. Zweitens waren die Karteien der Verleger nachzuprüfen, ihre Korrektheit zu bescheinigen. Drittens mußte Uebereinstimmung der Standards mit dem Bureau mittels eines Direktoriums durchgesetzt werden, dem man weitest gehende Vollmachten gab.

Zwecks Veröffentlichung seiner Revisionsberichte unterhält das Bureau einen Stab von geschulten Revisoren, die die Reklamefirmen in regelmäßigen Abständen besuchen und Kontrollen der gesamten Unterlagen vornehmen. Diese Leute, die alles Anzeigenmaterial auf der gleichen Basis revidieren, haben die Tätigkeit aufgenommen, die früher die unparteiischen Revisoren vornahmen, die dazu angestellt waren. Da die Prüfung hauptsächlich eine zahlenmäßige darstellt, setzt sie eine vielseitige Prüfung auf Leserinteresse voraus, die dem Käufer ferner hilft, eine zahlenmäßige Zergliederung zu geben. Niemals wird jedoch der ABC-Bericht irgendwelche Ansichten des Bureaus enthalten. Dieser umfaßt nichts als die nackten Tatsachen. Das erreicht, daß Wege, die verschieden sind, im schriftstellerischen Gepräge und ihrer Zugkraft, ihren Mitgliedern immer noch offen zur Anwendung des Verkaufstalents sind, aber immerhin haben sie keinen Umfang in bezug auf die Qualität der Auflage, und das vermeidet ein langes Hin und Her von Mutmaßungen, wie man sie in Ländern, die das System noch nicht kennen, findet...

Die Richtlinien sind gerade für die Maßregeln, besonders für den Fall, daß ein Verleger vom Revisor bei Unregelmäßigkeiten oder Zurückhaltung von Unterlagen betroffen wird. Nach den Bestimmungen muß nämlich dem Revisor alles zugänglich gemacht werden, um die Angaben zu überprüfen, die die Berichte auswiesen. Zum Beispiel beginnt er mit der Bitte um Vorlage der Rechnungen für den Papiereinkauf, so daß er in die Lage kommt, ein[e] Prüfung der Zahlen des gekauften Druckpapiers mit denen des Verbrauchs in der ausgewiesenen Druckperiode vorzunehmen."

Thomson erklärte, daß sich dieses System in Amerika bewährt habe. Noch vor 20 Jahren habe ein Verleger sagen können, daß er seine Verlagsunterlagen nicht einsehen lassen wolle, seine Qualität sei so erstklassig, daß er außer Konkurrenz stehe. Heute würde er damit auf einem Reklamebureau verlacht werden. In Europa ist man noch nicht so weit, hier hütet jeder Verleger noch sorgfältig seine "Geschäftsgeheimnisse", auch den Inserenten gegenüber.

Arbeitslohn und Kaufkraft.

Was hier folgt, gehört eigentlich in die sozialdemokratische Tagespresse. Amerikanische Unternehmer und Reklamefachleute berichteten auf dem Kongreß übereinstimmend, daß die eigentliche Ursache der wirtschaftlichen Prosperität in den Vereinigten Staaten nicht der größere natürliche Reichtum des Landes sei, sondern die Erkenntnis, daß hohe Löhne größere Absatzmöglichkeiten und damit eine unausgesetzt steigende Produktion schaffen. Francis H. Sisson, Vizepräsident der Guaranty Trust Co., erklärte:

"Die erste Abhilfe zur durchgreifenden Gesundung des allgemeinen wirtschaftlichen Wohlergehens wäre, wie wir es in den letzten Jahren beobachtet haben, alsdann die Einschränkung unseres Zwischenhandelsystems, damit der Verbrauch mit gesünderer Produktion in Einklang stände. Wir haben auf diese Weise mühsam eine Besserung erlangt, weil unsere Arbeitgeber sich zum Evangelium der hohen Löhne und unsere Industriearbeiter sich zum Evangelium der großen Produktion bekehrten. Es hat viele Jahre schmerzlicher Erfahrung gekostet, um zu lernen, daß der einzige Weg der Industrie, um sich einen stabilen Markt für ihre Produktion zu schaffen, der ist, ihre Arbeiter mit der Kaufkraft zu versehen, mit der sie kaufen können. Daß die einzige Möglichkeit für die Besserstellung der Arbeiter die ist, mehr Ware herzustellen, als mehr Arbeit zu leisten.

Auf diese Weise haben wir zwei bedeutende Probleme gelöst. Erstens wurde unsere Produktionsfähigkeit erhöht, und zweitens, wie wir festgestellt haben und was keinesfalls wie beim ersteren der Fall war, verfolgten wir den Zweck, unseren Nachfragebedarf entsprechend zu stärken."

Aehnliches bemerkte Gilbert T. Hodges, Mitglied des Verwaltungsrats "The Sun": "Massenproduktion bringt niedrigere Preise und ermöglicht höhere Gehälter. Hohe Gehälter wiederum erhöhen die Kaufkraft der Massen und der Kreis ist, wie wir sehen, folgerichtig und geschlossen."

Der aus Büchern und Reden bei uns schon bekannte Warenhausbesitzer Edward A. Filene aus Boston forderte kategorisch: "Löhne und Gehälter müssen heraufgesetzt werden." Er behauptet, daß die amerikanischen Unternehmer schon ganz allgemein erkannt hätten, daß die Erhöhung der Löhne und Gehälter auch für sie von großem Vorteil sei. Die Ware werde in großen Mengen und nach wissenschaftlich durchdachten Methoden hergestellt und abgesetzt. Dadurch würden niedrigere Preise und hohe Löhne erzielt, also Kaufkraft der Massen erzeugt. Filene schilderte die Ergebnisse dieser Methode in folgender Weise:

"Der Durchschnittsangestellte in den Vereinigten Staaten kann heute tatsächlich mit dem Inhalt seiner Lohntüte ein Drittel mehr Ware einkaufen, als ihm dies vor zehn Jahren möglich war.

Die Kaufkraft des amerikanischen Arbeiters ist heute zwei- bis viermal so groß, als die seiner Kollegen in den führenden europäischen Ländern. Was dies bedeutet, kann nur erfaßt werden, wenn man sich vorzustellen versucht, was diese Tatsache in Form verbesserter Lebensführung und größeren Lebensglückes für Millionen Männer, Frauen und Kinder darstellt, immer dargestellt bzw. ausgedrückt in den jeweiligen Wünschen und Bedürfnissen des einzelnen: ein Auto für jeden sechsten Einwohner der Vereinigten Staaten, ein Telephon in jedem zweiten Wohnhaus, eine Badeeinrichtung in dreiviertel aller Behausungen; sieben Millionen Radioeinrichtungen, die im Gebrauch sind! Eine Zunahme aller Bildungseinrichtungen um 250 Prozent zwischen 1914 und 1926 und eine Erhöhung von 146 Prozent in den Ausgaben für öffentliche Erholungsstätten im gleichen Zeitraum."

Wir können hier nicht feststellen, ob diese Zahlen den Tatsachen entsprechen, ebensowenig, ob wirklich alle Unternehmer in Amerika die Forderung anerkennen: Hohe Löhne, niedrige Preise. Sicher trifft man auch dort noch viel Elend in der werktätigen Bevölkerung an und neben all dem Licht wird es noch viele Schatten geben. Wir erwähnen nur die gesteigerte Intensität der Arbeit, die den Arbeiter nach kürzerer Arbeitszeit häufig viel mehr erschöpft als bei längerer Tätigkeit. Wir erinnern an das Fehlen der Sozialversicherung, wodurch vor allem die älteren Arbeiter und Angestellten viel mehr als bei uns der Not ausgeliefert sind. Das alles aber hindert uns nicht daran, zu fordern, daß die amerikanische Parole: Höhere Löhne, niedrigere Preise, auch bei uns Geltung bekommen müsse.

Nach dieser Abschweifung in die hohe Politik braucht abschließend nur noch festgestellt zu werden, daß sowohl die Reklameausstellung wie der Reklamekongreß uns viele gute Lehren gegeben haben. Sie sollten beachtet werden nicht nur von den Zeitungsunternehmungen der Partei, sondern auch von der Partei selbst. Die besten Methoden zur Gewinnung der uns noch fernstehenden Schichten der werktätigen Bevölkerung werden wir allerdings niemals von den "praktischen Geschäftsleuten" und von den Reklamefachmännern lernen können. Auch künftig wird die beste "Reklame" für uns die hingebungsvolle Arbeit jedes einzelnen für die Aufgaben der Arbeiterbewegung und für die Ziele des Sozialismus sein. Die Ausstellung der Konzentration hat aber auch in symbolischer Form gezeigt, daß in der Zusammenfassung, in der Gemeinschaftsarbeit unsere Stärke liegt!

E. P.