Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung


Online-Edition wichtiger Beiträge Eugen Pragers in der sozialdemokratischen Presse.

    Dokument:

    Handel mit geistiger Ware / E.P. - [Electronic ed.], 1929 - 9 KB, Text
    In: Mitteilungen des Vereins Arbeiterpresse. - 29 (1. August 1929), 292, S. 8
    Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2006


Handel mit geistiger Ware

Der Konkurrenzkampf im Buchgewerbe wird mit ähnlichen Mitteln geführt, wie man sie im Handel etwa mit Eisenwaren oder Kleidungsstücken antrifft. Der Börsenverein der deutschen Buchhändler hat zwar Statuten und Vorschriften für den Verkehr der Mitglieder dieser ehrsamen Zunft untereinander. Aber es werden der Bezirke immer mehr und größere, auf die sich sein Machtbereich nicht ausdehnt. Wir sehen dabei ganz von dem Großbuchhandel ab, dessen weites Feld sich auf Hunderte von Warenhäusern und auf Tausende von Schreibwarenhandlungen erstreckt. Es ist des Buchgewerbes illegitimes Kind und hat mit dem Börsenverein nichts zu tun. Aber es gibt noch ein anderes Gebiet des Buchhandels, das eigentlich in die Sphäre des Börsenvereins gehört und wo er dennoch wenig zu sagen hat. Das ist der Handel mit Zeitschriften.

Der größte Unternehmer in Zeitschriften ist der Verlag Ullstein in Berlin. Er besitzt in der "Berliner Illustrirten Zeitung" einen Verkaufsartikel, an den keine Konkurrenz herankommen kann. Woche um Woche gehen nicht viel weniger als 2 Millionen Exemplare ins Land hinaus. Es sind zahlreiche andere Blätter entstanden, die entweder mehr boten oder billiger waren als die "Berliner Illustrirte" Aber wenn deren Auflage zeitweise stabil blieb oder gar zurückging, so lag das nicht an der Konkurrenz, sondern es war mehr die Furcht des Verlegers vor dem Zeitpunkt, an dem die Einnahmen aus den Inseraten mit der Steigerung der Abonnentenzahlen nicht mehr Schritt halten würden. Es bleibt also Tatsache, daß es keinen Großbuchhändler, keinen Zeitungsstand gibt, der ohne die "Berliner Illustrirte" auskommen könnte. Und das ist die Grundlage der Macht, die Ullstein ausübt.

Daneben hat Ullstein aber noch die "B. Z. am Mittag" und neuerdings die "Grüne Post". Das "Tempo" hat lange Zeit erhebliche Zuschüsse erfordert, aber der Gedanke ist noch nicht aufgegeben, auch aus ihm eine tragende Säule des Ullsteinschen Verlags zu machen. Es gibt bei ihm allerdings auch einige andere Erzeugnisse, deren Vertrieb schon schwieriger ist. Da sind zunächst die Magazine, wie der "Uhu" oder die "Koralle". Dann die Einzelhefte, von denen höchstens das eine "Wie bleibe ich jung und schön" zum Schlager geworden ist. Auch die Ullstein-Bücher zu 1 Mk. gehen nicht mehr so gut wie früher, da neben ihnen eine ganze Anzahl ähnlicher Erzeugnisse auf den Markt geworfen werden. Die Großhändler können sich nicht darauf beschränken, nur die guten Sachen aus dem Ullsteinschen Verlage zu übernehmen, zu einem bestimmten Prozentsatz müssen sie auch die schlechteren Verlagserzeugnisse kaufen, ohne die Möglichkeit zu haben, das Unverkäufliche wieder zurückzugeben.

Dabei arbeitet Ullstein mit einem verhältnismäßig billigen Apparat. Mit Ausnahme von Berlin unterhält er keine eigenen Filialen, sondern macht das ganze Geschäft durch den Großbuchhandel, den er durch seine Vertreter mehr überwachen als besuchen läßt. Die Reklame wird in der Hauptsache "in sich" gemacht. Die "B. Z." empfiehlt die "Illustrirte", die "Illustrirte" preist die "Ullstein-Bücher" an und so erreicht die Werbung für die Ullsteinschen Erzeugnisse, auch ohne daß der übliche und dabei sehr teure Reklameapparat benutzt wird, doch einen außerordentlich großen Kreis von Lesekunden. Es muß allerdings dem Ullsteinschen Verlag das Zeugnis ausgestellt werden, daß er die Kundenwerbung auch dort betreibt, wo die Aussicht auf größeren Erfolg zuerst noch gering erscheint.

Die anderen Zeitschriftenverlage haben demgegenüber einen äußerst schwierigen Stand. Sie unterhalten im Reiche eigene Filialen oder sie schicken ein Heer von Reisenden und Revisoren hinaus, die nicht nur auf Provision arbeiten, sondern auch feste, oft sehr hohe Bezüge haben. Sie müssen große Summen für Reklame ausgeben. Wenn auch ihr Geschäft nicht schlecht geht, so müssen sie doch die äußersten Anstrengungen machen, um gegenüber Ullstein nicht ins Hintertreffen zu geraten. Wir können kein Urteil abgeben, ob die Behauptung wahr ist, daß die Ullsteinschen Methoden im Verkehr mit dem Großbuchhandel nicht immer "fair" seien. Es dürfte sich aber so verhalten, daß auch auf den Handel mit "geistiger" Ware das Wort: Geschäft ist Geschäft! angewendet wird. Wie dem auch sei, so ist doch der Gedanke entstanden, einen Zusammenschluß aller Zeitschriftenverleger herbeizuführen, dessen Tendenz sich gegen den Ullstein-Verlag richten soll. Wir werden also eines Tages noch die Kartellierung dieses Zweiges der kapitalistischen Wirtschaft erleben.

Wenn man einen Blick hinter die Kulissen des Zeitschriftenhandels tut, so versteht man es, weshalb die sozialistischen Unternehmungen von periodischen Druckschriften vor einer außerordentlich schwierigen Aufgabe stehen. Sie dürfen kein Material bringen, mit dem das "große" Publikum in der Regel gewonnen wird: sei es blanker Schund, sei es Edelkitsch. Ihnen stehen auch nicht die Propagandamittel der bürgerlichen Verleger zur Verfügung. Aber mit der Besserung der wirtschaftlichen Lage der deutschen Arbeiterklasse und mit der weiteren Hebung ihrer geistigen Bedürfnisse wird sicher auch die Zeit kommen, in der nicht mehr die Ullsteinschen oder ähnliche Erzeugnisse, sondern die der sozialdemokratischen Unternehmungen das Feld beherrschen.

E. P.