Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung


Online-Edition wichtiger Beiträge Eugen Pragers in der sozialdemokratischen Presse.

    Dokument:

    Die "Parteimaschinerie" und die Zeitung / von Eugen Prager - [Electronic ed.], 1928 - 12 KB, Text
    In: Mitteilungen des Vereins Arbeiterpresse. - 28 (1. November 1928), 283, S. 2-3
    Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2006


Die "Parteimaschinerie" und die Zeitung.
Von Eugen Prager.

So hat es in der Regel begonnen: die Parteiorganisation und die Gewerkschaften des Bezirks befanden sich in erfreulichem Aufstieg. Man mußte die ersten Gewerkschaftsangestellten einsetzen, es hielt auch immer schwerer, die Parteigeschäfte nur nebenamtlich zu erledigen. Das Schlimmste aber war, daß man kein eigenes Blatt in der Stadt und im Bezirk hatte. Die bürgerliche Presse verbreitete täglich ihre Lügennachrichten über die Arbeiterbewegung, ohne daß man ihr rechtzeitig in der Oeffentlichkeit entgegentreten konnte. Es ging nicht länger ohne eine sozialdemokratische Zeitung. Man erkundigte sich danach, wie es anderswo gemacht worden war. Dann gründete man eine Genossenschaft, suchte sich einen Drucker und begann wohl auch bald mit einem eigenen kleinen Betrieb.

Die Unternehmungen fingen klein an, aber trotzdem waren verhältnismäßig große Betriebsmittel erforderlich. Verwaltung und Redaktion entwickelten sich aus der Parteiorganisation. Die wenigen Genossen, die man freistellen konnte, hatten noch eine Fülle von Nebenarbeiten zu verrichten, die eigentlich mit der Zeitung nichts zu tun hatten. Was ihnen an Erfahrung abging, das ersetzte der opferwillige Idealismus der einzelnen wie der ganzen Bewegung. Die Zeitung war nichts anderes als ein Glied der Organisation. Das Parteimäßige drückte sich im Inhalt und in der Aufmachung aus, und auch in der Verwaltung war sehr viel davon zu spüren. Es mußte mit den primitivsten Hilfsmitteln, in engen Räumen und mit unzureichenden Einrichtungen gearbeitet werden. Wer Näheres darüber wissen will, der mag es sich von den älteren sozialdemokratischen Redakteuren und Geschäftsführern berichten lassen.

Wie "herrlich weit" haben wir es seitdem gebracht! Telephon, Telegraph, Radio stehen uns zur Verfügung, 20 Korrespondenzen oder noch mehr liegen täglich auf unserem Tisch, wir brauchen nicht mehr um jede Stahlfeder beim Geschäftsführer zu interpellieren, wir können sogar Honorare für Originalarbeiten zahlen. Auch die Verwaltung der Parteipresse ist durchaus modern; soweit ich etwas davon verstehe, unterscheiden sich Buchhaltung, Inseratenwerbung und ähnliche Ding in nichts mehr vom bürgerlichen Betrieb. Im allgemeinen führen also unsere Parteiunternehmungen ein selbständiges Dasein und wenn sie auch naturgemäß mit der Partei und mit den Gewerkschaften noch in engster Fühlung bleiben müssen, so besteht doch besonders in den größeren Orten nicht mehr die innige Verbundenheit mit dem Leben in den Organisationen wie einst. Die Entwicklung hat auch bei uns dahin geführt, dem Spezialistentum einen größeren Raum als früher einzuräumen.

Aber in einer Hinsicht sind wir konservativ geblieben. Da schickt mir vor einiger Zeit ein Kollege den Ausschnitt aus einer völkischen Zeitung zu, in dem man einiges über "die rote und die bürgerliche Presse" lesen kann. Eine Stelle darin war blau angestrichen und ich sollte mich wohl in den "Mitteilungen" damit beschäftigen. Es wurde in dem Blatt behauptet, daß die bürgerlichen Journalisten die freiesten Männer von der Welt seien, während der Titel "Tintenkuli" eigentlich auf die sozialdemokratischen Redakteure zutreffe. Ich habe aber in diesem Artikel eine andere Stelle gefunden, die mir doch mehr beachtenswert erscheint. Nicht weil ihr unbedingt zuzustimmen ist, sondern weil sich daraus für uns einige Nutzanwendungen ziehen lassen. Man soll, so sagt man wohl, auch vom Gegner lernen. Darum sei dieser Teil des völkischen Artikels hier wiedergegeben:

"Warum sind denn die roten Parteiblätter zumeist mangelhaft redigiert und schlecht verwaltet? Weil sich die Redaktion um die Ausdehnung des Leserkreises und weil sich die Verwaltung um die Prosperität des Geschäftsganges nicht sonderlich zu bemühen braucht. Nach der einen wie nach der anderen Richtung besorgt die Parteimaschinerie den Hauptteil der Arbeit. Wenn man Zwangsabonnenten hat, wozu braucht man sich redaktionell anzustrengen? Und wozu braucht man sich um prompte Zustellung und geschäftliche Propaganda Sorgen zu machen, wenn die Abonnenten und sogar die Inserenten ohnedies wie Schafe in die Zeitungshürde getrieben werden? Sind einmal die Einnahmen weniger befriedigend, so geht einfach das Parteikommando hinaus: Neue Abonnenten werben! Und sie werden geworben und gepreßt, bis die Kasse wieder in Ordnung ist. Da heißt es freilich nicht: Geschäft ist Geschäft. Da heißt es nur: Partei ist Partei. Ich sehe zwar nicht ein, wieso das moralischer und tugendhafter sein soll. Aber ich sehe ein, daß es weitaus bequemer ist. Es lebe die Partei! Und es lebt sich auch ganz gut von der Partei."

Es ist nicht ganz so, wie es hier geschrieben steht, aber es ist noch zum Teil so. Der bürgerliche Verleger setzt seine Geschäftsführer und Redakteure ein und die haben dafür zu sorgen, daß es mit der Zeitung vorwärts geht. Mit immer neuen geschäftlichen und redaktionellen Methoden wird um den Leser und um den Inserenten geworben. Erfüllen die vom bürgerlichen Verleger angestellten Personen oder Persönlichkeiten nicht die in sie gesetzten Erwartungen, geht es mit der Leserzahl nicht aufwärts, bleibt das Inseratengeschäft zurück, dann fliegen diese Leute eben auf die Straße. Wir dagegen sind Vertrauensleute der Partei. Eine hohe Ehre, gewiß, eine Ehre aber, die uns leider aber auch die persönliche Verantwortlichkeit zu leicht macht. Wir legen den Parteigenossen und denen, die es werden sollen, die Pflicht auf, das sozialdemokratische Blatt zu abonnieren. Wir können ihnen nicht immer sagen, daß das Parteiblatt besser ist als der Durchschnitt der bürgerlichen Presse, unser Hauptwerbemittel ist noch immer der Hinweis darauf, daß es sich um eine Zeitung der Sozialdemokratischen Partei und der Gewerkschaften handle.

Auch die sozialdemokratische Zeitung hat, darauf wurde schon früher in diesen Blättern hingewiesen, in gewissem Sinne den Charakter einer Ware. Der Ladenbesitzer der alten Zeit brauchte keine Schaufenster, sein Gewölbe war unansehnlich, den Begriff der Reklame kannte er kaum: die Kunden kamen von selbst zu ihm. Heute kommen sie nicht mehr von selbst. Sie müssen täglich neu umworben werden, man muß der Oeffentlichkeit zeigen, was man feilzubieten hat, die Ware muß in den Schaufernstern und in den Verkaufsräumen ausgelegt, verlockend aufgemacht sein. Auch zu uns kommen die Kunden nicht von selbst. Unsere Kunden, das sind die Arbeiter, Angestellten, Beamten, die kleinen Gewerbetreibenden, die noch die bürgerliche Presse lesen. Aber fragen wir uns sozialdemokratischen Redakteure, die wir für die Aufmachung unserer Ware, der Tageszeitung, verantwortlich sind, bei jeder Nummer, wie sie auf unsere Leser und vor allem auf die, die noch nicht unsere Leser sind, wirken mag? Ist unsere Zeitung schon an jedem Tage und in allen ihren Teilen so durchgearbeitet, daß sie nicht nur die Funktionäre der Arbeiterorganisationen befriedigt, die in allen Sätteln der Arbeiterbewegung gerecht sind, sondern weit darüber hinaus die Masse des werktätigen Volkes?

Ich wage diese Fragen nicht zu bejahen, zumal wir ja allzumal Sünder sind. Aber es scheint mir doch, als ob der völkische Artikelschreiber in gewissem Sinne recht hat; daß wir uns nämlich noch allzusehr auf die Werbetätigkeit der Parteiorganisation verlassen. Vielleicht mag auch eine gewisse Ueberspannung des demokratischen Prinzips die Schuld tragen. Wenn Preßkommisssionen, Parteileitungen und andere Aufsichtsbehörden ihren Vertrauensleuten zu wenig Spielraum lassen, wenn sie sich dagegen um zu viele Einzelheiten kümmern, dann muß das hemmend auf die Initiative und das Verantwortungsbewußtsein wirken.