Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung


Online-Edition wichtiger Beiträge Eugen Pragers in der sozialdemokratischen Presse.

    Dokument:

    Von Aufmachung und Umbruch / von Eugen Prager - [Electronic ed.], 1928 - 11 KB, Text
    In: Mitteilungen des Vereins Arbeiterpresse. - 28 (1. Juli 1928), 279, S. 5-6
    Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2006


Von Aufmachung und Umbruch.
Von Eugen Prager.

Die Zeitung ist, wie schon der Name sagt, ein Kind der Zeit. Sie spiegelt die Ereignisse wider, die sich in der "Zeit", also in unserer Gegenwart abspielen. Die Zeitung ist aber zugleich Wegweiser: sie gibt bestimmte Meinungen nach außen weiter. Die Zeitung nimmt und gibt, sie verarbeitet das ihr zufließende Material und schafft neue Erzeugnisse menschlichen Geistes. Die Zeitung verschwindet mit dem Tag, an dem sie geboren wurde, und doch ist sie einer der wichtigsten Bausteine für die Wissenschaft und arbeitet damit sozusagen für die Ewigkeit. Immer aber kann die Zeitung nur dann wirken, wenn sie im Flusse des Lebens steht, wenn sie aus dem Urstrom der Massen ihre Nahrung zieht, wenn sie in den zu stillenden und zu weckenden geistigen Bedürfnissen der Massen den Sinn ihres Daseins erkennt.

Der sozialdemokratische Zeitungsschreiber von ehemals war Rufer, Lehrer, Agitator, Trommler. Wir sozialdemokratischen Zeitungsschreiber von heute aber sollen zugleich Reporter, Journalisten sein, also Leute, die so schreiben, nicht wie sie selbst es schon verstehen, sondern wie es die Masse versteht. Der brave Leitartikel von früher, bei dem auch nicht ein Pünktchen in der Beweisführung fehlen durfte, muß immer mehr der Glosse, der Tatsachenschilderung, Platz machen. Daß ein Blatt zwei Leitartikel oder gar deren drei an einem Tage brächte, kommt immer seltener vor. Die Nachricht wird "aufgemacht". Die "Katastrophen" werden nicht mehr in das Lokale oder in das Vermischte abgeschoben, sondern selbst von unseren zu hundert Prozent politischen Blättern an die Spitze der Ausgabe gestellt. Sogar die "Rubriken" sind ins Wackeln geraten. Kurzum, wir sind dabei, aus der "Zeitung" die Zeitung zu machen. Wenn wir ein Bild aus der Welt des schöneren Geschlechts wählen dürfen: der Zopf verschwindet, der Bubikopf tritt an seine Stelle.

Aber es gibt noch andere Zöpfe, auch bei uns. Da ist zuerst der Streit zwischen der Auffassung des Redakteurs, der dem Blatt ein möglichst lebhaftes, abwechslungsreiches Aussehen geben will, und der Erziehung des Buchdruckers, der für die einheitliche, vornehme, korrekte Linie ist. Für das typographische Bild, wie wohl der Fachausdruck lautet. Weil die deutsche Zeitung seit 30 oder seit 300 Jahren in Fraktur gesetzt worden ist, so darf um Gottes willen nicht Antiqua verwendet werden. Für die Balken haben schon unsere Großväter 3 Cicero genommen, also wollen wir jetzt nicht etwa 5 oder gar 6 Cicero gebrauchen. Einen Artikel mit Fraktursatz etwa eine Ueberschrift in Antiqua oder in Kursiv zu geben, ist streng verpönt. Welcher Buchdrucker duldet Unterbrechungen des Fraktursatzes durch Auszeichnungen in Antiqua?

Und dann der Kampf um den Raum. Die alte Schule bei den Redakteuren und Buchdruckern ging von der Anschauung aus, daß der Platz, der in der Zeitung nicht vollständig ausgefüllt sei, seinen Zweck verloren habe. Also mußte soviel wie möglich kompreß gesetzt werden, freie Stellen auf der Seite wurden nicht geduldet. Wir wissen heute, daß auch hierbei Abwechslung nottut. Der Inseratenteil unserer Zeitung und die Werbedruckschriften der Reklamefachleute könnten uns manches lehren. Hier sucht man stets nach der Lösung, mit möglichst wenig Worten recht viel zu sagen. Häufig finden wir auf ganzen Seiten und auf riesengroßen Plakaten nur einige Zeilen Text, die aber eine viel größere Wirkung ausüben, als wenn der ganze Raum mit Mitteilungen und Anpreisungen vollgepfropft wäre. Eine solche Auflockerung tut uns besonders für die erste Seite unserer Zeitung oft sehr not, sie ist nicht weniger gut auch für das Innere des Blattes. Um Wirkung zu erzielen, kommt es zumeist nicht auf das Wieviel, sondern auf das Wie an!

Man beachte den normalen Leser, wenn er sein Blatt zur Hand nimmt. Die "Blickfänger" nehmen seine Aufmerksamkeit zuerst in Anspruch, sei es ein groß aufgemachter Unglücksfall, sei es ein aktuelles Bild. Die Wichtigkeit der Zeitereignisse, und sei es auch, mit allem Respekt zu sagen, eine Regierungsbildung, wird zumeist nicht nach ihrem fachlichen Gehalt, sondern nach ihrer Aufmachung beurteilt. Wir dürfen dabei allerdings nicht an unsere geschulten Funktionäre denken, sondern an die Masse der Leser, und vor allem an die Leser, die noch nicht unsere Leser sind. Es mag auch noch gewisse Unterschiede geben zwischen den Lesern in der Großstadt und denen in kleineren Orten und au dem Lande Aber das eine ist doch sicher: die bürgerliche Presse hat ihre große Auflage nicht zuletzt dadurch erreicht, daß sie dem Leser den von ihm gewünschten Stoff in packender Aufmachung gibt. Dabei darf nicht übersehen werden, daß diese Presse nicht nur Schund und Kitsch bring; wir finden dort politische, wissenschaftliche und dichterische Arbeiten, die auch den verwöhnten Leser befriedigt (!).

Vor dem Kriege hatten wir es sehr bequem. Der Redakteur blieb auf seinem Stuhle sitzen, gab dem Metteur den Spiegel, der machte den Umbruch nach einem Schema, das sich höchst selten änderte, der Redakteur bekam die Abzüge der Seiten und fand in der Regel nicht viel mehr zu ändern. Heute geht der Redakteur nach der Setzerei und ist beim Umbruch dabei. Noch aber fehlt der letzte Schritt: der Redakteur soll auch Zeitungstechniker sein und der Buchdrucker das ausübende Organ. Die typographischen Grundgesetze sind in Uebereinstimmung zu bringen mit den Bedürfnissen der Leser, die die Zeitung zu befriedigen hat. Und der das besorgen soll, ist nicht mehr der Buchdrucker, sondern der Redakteur. Daraus ergibt sich, daß der Umbruch nicht als eine minderbewertete Arbeit angesehen werden darf, die sich für den großen Politiker und für den Veteranen vom Redaktionsfach nicht geziemt. Der Umbruchredakteur in der modernen Zeitung ist eine der wichtigsten Persönlichkeiten, zuweilen wichtiger als der Chefredakteur.

Das alles sind keine neuen Weisheiten und es erschöpft auch nicht, was darüber gesagt werden müßte. Aber wie sieht die Praxis bei uns noch aus? Wenn in diesen Blättern über die Uniformität der Parteipresse gesprochen wurde, dann dachte man gewöhnlich an die Gleichartigkeit des Inhalts. Man muß aber auch die Aufmerksamkeit darauf lenken, daß sich in der Aufmachung der sozialdemokratischen Zeitungen eine nicht geringere Uniformität zeigt. Da gibt es nur wenige Blätter, die Wert darauf legen, anders auszusehen als die übrigen. Da werden noch oft genug Artikel und Berichte so abgedruckt, wie sie von den Korrespondenten geliefert wurden. Da ändert sich selten etwas im Satzbild, das Gesicht der ersten Seite bleibt sich immer gleich, von den übrigen Teilen der Zeitung ganz zu schweigen. Häufig wirkte die Einführung der Karikatur schon wie eine Revolution, das aktuelle Bild findet vor den Augen der meisten Redakteure und Geschäftsführer unserer Presse überhaupt noch keine Gnade. Die Traditionen einer für das Zeitungswesen phantasielosen Zeit hängen noch schwer an uns und hindern uns daran, das Zeitungsmachen zu einer Kunst zu gestalten. Zu einer Kunst, die nicht nur uns selbst befriedigen, sondern die unserer Parteipresse neue Scharen von Lesern zuführen soll.

Unsere Konferenzen für Redakteure haben sich bisher ausschließlich damit beschäftigt, den Teilnehmern das wissenschaftliche Rüstzeug zu geben, das sie für ihre Tätigkeit brauchen. Es wäre an der Zeit, daß man dort auch technische Fragen der Zeitungskunst erörterte, die doch für die sozialdemokratische Presse der Gegenwart so außerordentlich wichtig sind.