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Die Macht des Zeitungskapitals : Was Bernhard über Hugenberg berichtet
/ Eugen Prager - [Electronic ed.], 1928 - 23 KB, Text
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Der Berliner Universitätsprofessor Ludwig Bernhard hat im Verlage von Julius Springer, Berlin, eine Schrift erscheinen lassen, die die Entstehung des Hugenbergkonzerns schildert. Als Untertitel hat der Verfasser gewählt "Psychologie und Technik einer Großorganisation der Presse". Die sozialdemokratische Tagespresse hat sich mit dieser Schrift bereits ausführlich befaßt, und dort ist alles Notwendige vom politischen Standpunkt aus gesagt worden. Man erfährt aus dem Buch auch einiges darüber, wie weit die Abhängigkeit des bürgerlichen Redakteurs von dem politischen und gesellschaftlichen Interesse des Verlages oder des hinter dem Verlag stehenden Kapitals reicht. Diese Dinge sind freilich bekannt genug, und wenn die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Presse in ihrem Tarifabkommen erklärt: "Die Zusammenarbeit von Verleger und Redakteur ist bedingt durch die Wahrnehmung öffentlicher Interessen durch die Presse", so weiß man, daß die Profitmacherei im bürgerlichen Zeitungswesen häufig andere Wege einschlägt, als es sich der Idealismus manches bürgerlichen Journalisten träumen läßt. Der frühere Chefredakteur der "Kölnischen Zeitung", Ernst Posse, hat in einer Besprechung des Bernhardschen Buches geklagt: "Der Geschäftsjournalismus des Hugenbergkonzerns, so wie Professor Bernhard ihn schildert, ist mit diesem Grundsatz ("Wahrnehmung öffentlicher Interessen") nicht zu vereinbaren." Hätte Herr Posse sich in dem ihm doch so nahestehenden Hause Dumond ein weinig umgesehen, so würde er bemerkt haben, siehe "Stadt-Anzeiger", daß der Geschäftsjournalismus und der "Grundsatz" der Arbeitsgemeinschaft sich auch außerhalb des Hugenbergkonzerns sehr wohl vereinbaren lassen.
Ist eine Kritik des Bernhardschen Buches in unseren Blättern nicht eigentlich erforderlich, so erscheint es um so notwendiger, über einige Einzelheiten ausführlich zu referieren, weil nach dem Worte, daß man auch vom Gegner lernen soll, manches darin auch die für die Arbeiterpresse verantwortlichen Körperschaften interessieren wird.
Das Großkapital als Seelenkäufer.
Die vielen Fälle sind bekannt genug, in denen die Industrie, seien es einzelne "Kapitäne" oder größere Industriegruppen, durch Kapitalanlage oder direkten Ankauf die Presse in den Dienst ihrer Interessen zu stellen suchten. Vor dem Kriege war "Die Post" das Organ Stumms, des "Königs von Saarabien". In der Inflation suchte Stinnes das ganze Zeitungsgewerbe in seinen Dienst zu stellen, von den Wäldern, die die Zellulose liefern, bis zur fertigen Zeitung. Hugenberg hat mit dem Gelde der rheinisch-westfälischen Schwerindustrie nicht nur einzelne Zeitungen, sondern das große Berliner Unternehmen von Scherl, einen erheblichen Teil der Provinzpresse, die alte Annoncenexpedition von Hasenstein & Vogler mit Daube, dazu die Telegraphen-Union und die Ufa, das bedeutendste Filmgeschäft Deutschlands, gekauft. Aber auch andere Kapitalmächte üben beherrschenden Einfluß auf das bürgerliche Zeitungsgewerbe aus. Hören wir Bernhard:
"Kein modernes Zeitungsunternehmen kann sich ohne Bankkredit entwickeln. In einem unaufhörlich sich wiederholenden Aufnehmen und Hingeben, in einem fast zu organischer Bewegung gesteigerten Wechselspiel zwischen Bank und Zeitung, entwickelt sich der Körper der Zeitung.
Und die Seele der Zeitung? Sie kann nicht unberührt bleiben. Wenn ein Mann, der für das geschäftliche Gedeihen, also für die Existenz eines Zeitungsverlages verantwortlich ist, sich bewußt wird, daß ein beträchtlicher Bankkredit im nächsten Jahre prolongiert werden muß, wird er, ohne gegen sein Gewissen zu handeln, sich doch so verhalten, daß er das Geschäft nicht aufs Spiel setzt. Er wird das Kampfesfeuer, das jede Zeitung zu ihrem Gedeihen braucht, nicht gerade dahin sprühen lassen, wo die Bank im allgemeinen oder die "befreundete" Bank im besonderen empflindlich ist. Die Presse in einer organischen Abhängigkeit zu halten, ohne Zeitungen zu besitzen, das ist die Stärke der Banken. Indem die organische Abhängigkeit sich über einen großen Teil der Presse erstreckt, ohne Ansehung der Partei, wird über die ganze politische Front hin sich ein liebliches Maßhalten geltend machen, dem dann zu guter Stunde ein fröhliches Mitgehen entspricht."
Unnötig zu sagen, daß die sozialdemokratische Presse mit diesen Dingen nichts zu tun hat.
Mit welchen Kapitalien arbeitet die bürgerliche Presse?
Ludwig Bernhard schreibt in seinem Buche folgendes darüber:
"Es liegt in der Natur jedes großen modernen Zeitungsunternehmens, daß seine Entwicklung in immer erneuten Stößen vorwärts treibt. Die Gefahr einer unerwartet vordrängenden Konkurrenz oder die Laune des Publikums, oder der Wunsch, eine Gelegenheit zu ergreifen, zwingen plötzlich zu Anstrengungen, die fast stets mit kostspieligen Erweiterungen der Anlagen, mit großen Propagandaausgaben verbunden sind. Nur selten wird ein Zeitungsverlag genügend Mittel aufgespart haben, den Vorwärtsstoß ohne Hilfe einer Bank zu führen. Je mehr die Zeitungsverlage an Größe zunehmen, je weiter ihr finanzieller Radius über das Vermögen einzelner Personen hinausgreift, je gespannter die Konkurrenzkämpfe werden, je rationeller die Kreditpolitik der Zeitungsverlage wird, um so mehr werden sie gezwungen oder geneigt sein, bei Banken Stützpunkte zu finden. Der Wert der Kapitalanlagen der großen Berliner Zeitungsverlage beträgt heute in einem einzigen Verlag 20 bis 60 Millionen Mark. Und nicht nur in Berlin, sondern auch in der "Provinz" gibt es Zeitungsunternehmungen von diesem Ausmaße. In England, wo die Pressekonzentration noch weiter vorgeschritten ist, ist ein Zeitungsunternehmen, die "Illustrated News Papers Ltd., im Oktober 1926 mit einem Kapitalaufwand von 3 500 000 Pfund = 70 Millionen Mark finanziert worden; ein anderes Zeitungsunternehmen (E. Hulton u. Co.) wurde 1923 vom Daily-Mail-Trust für 6 Millionen Pfund = 120 Millionen Mark übernommen. Dabei ist zu beachten, daß es noch zwei erheblich größere Zeitungsunternehmungen in England gibt."
Etwas vom Inseratenwesen.
"Durch die beherrschende Bedeutung, welche die Inserateneinnahmen im Zeitungshaushalt haben, wird jede Zeitung in hohem Maße konjunkturempfindlich. Jeder Zeitungsverleger erhält in den täglich kontrollierbaren Inseratenaufträgen und in dem täglich feststellbaren Verhältnis der Inseratenbarzahlungen zu den Außenständen höchst reagible Merkzeichen für die wirtschaftliche Lage im allgemeinen und für die finanziellen Aussichten seines Blattes im besonderen. Nicht aber vermag der Zeitungsverleger immer mit Sicherheit zu erkennen, wodurch ein Rückgang der Inseratenaufträge oder ein Nachlassen der Barzahlungen bewirkt worden ist. Der Leiter seiner Inseratenabteilung wird den Rückgang als Folge einer allgemeinen wirtschaftlichen Depression oder als eine "Saisonerscheinung" zu erklären suchen. Der Verleger hingegen wird vorsorglich vermuten, daß in der Organisation der Inseratenabteilung etwas in Unordnung sei. Schließlich aber werden Verleger und Inseratenchef sich sagen, daß etwas geschehen müsse, d. h. fast stets: Verstärkung der "Propaganda", und die kostet Geld.
Die allgemeinen Wirtschaftskrisen von 1900 und 1907 mit den anschließenden Depressionsjahren hatten das Zeitungswesen schwer betroffen, hatten aber zugleich einigen genialen, zupackenden Zeitungsorganisatoren zum Sprunge gedient, um der belasteten Konkurrenz zuvorzukommen. Eine Vermehrung des Wettbewerbes unter den großen Zeitungen war die Folge. Bedeutende Verbesserungen, insbesondere in der Illustration des Rotationsdrucks, waren die sehr kostspieligen technischen Mittel. Gewaltige Propagandaschläge begleiteten diese Neuerungen.
Das muß[t]e sich notwendig im Haushalte der großen Zeitungen als eine unvermutete Vermehrung des Kapitalbedarfs geltend machen, und wo es nicht gelang, diesen Kapitalbedarf in solider Weise zu befriedigen, kamen die Zeitungen ins Schwanken.
Die Folgen wurden bald auch den Außenstehenden erkennbar, denn es setzte eine Zeitungskrisis ein, die zu einer wesentlichen Umgestaltung der europäischen Presse führte."
In Berlin sind damals durch diese Entwicklung zwei der ältesten und angesehensten Zeitungen in schwere Gefahr geraten, auf zwei verschiedenen Wegen wurden sie gerettet. Die "Nationalzeitung", in den Revolutionstagen des Jahres 1948 gegründet, ehemals das führende Organ der in den siebziger Jahren so mächtigen Nationalliberalen Partei, wurde mit industrieller Hilfe als "8-Uhr-Abendblatt" in ein demokratisch schillerndes Sensationsblatt umgewandelt. Das Blatt ist heute ein Tochterunternehmen von Rudolf Mosse. Die "Vossische Zeitung", das älteste Blatt Berlins, ging am 1. Januar 1914 in den Verlag der Firma Ullstein über. Ullstein hatte den Ehrgeiz, neben seinen Erzeugnissen für die breite Masse auch über ein großes politisches Blatt zu verfügen. Trotzdem die Auflage der "Vossischen Zeitung" seit der Inflationszeit sich verhältnismäßig stark entwickelt hat, erfordert sie doch noch erhebliche Zuschüsse.
Von Scherl zu Hugenberg.
Die Geschichte des Uebergangs des Unternehmens Scherl an die Hugenberg-Gruppe ist ein Kapitel politischer Korruption aus dem Kaiserreich. In der sozialdemokratischen Presse ist bereits mitgeteilt worden, daß aus den Kassen des preußischen Staates Gelder zur Verfügung gestellt worden sind, um zu verhindern, daß der "Berliner Lokal-Anzeiger", dieses so nationale Blatt, in demokratische Hände falle. Bernhard berichtet darüber noch folgendes: August Scherl war in enge finanzielle Verbindung zu der Berliner Handelsgesellschaft geraten. Diese Abhängigkeit wurde ihm unangenehm, er bewegte sich mit unruhigen Plänen, die schließlich sein Unternehmen in schwere Nöte brachten. Sein großer Konkurrent Rudolf Mosse hatte begonnen, durch die Uebernahme von 1,5 Millionen Vorzugsanteilen der August Scherf G.m.b.H. Interesse an diesem Geschäft zu nehmen.
"In den leitenden politischen Kreisen Berlins nahm man im Jahre 1913 an - wenn nicht "höhere Gewalt" lenkend eingreife -, daß entweder Rudolf Mosse oder Gebrüder Ullstein das Eigentum des Scherl-Verlages erwerben oder doch beim Verkauf Scherls einen starken Einfluß gewinnen werden."
Diese Meinung hegte man besonders im preußischen Landwirtschaftsministerium. Scherl gab dann dem damaligen Reichskanzler von Bethmann Hollweg davon Kenntnis, daß er 8 Millionen Mark Stammanteile verkaufen solle, Rudolf Mosse habe ihm dafür bereits 1 ½ Millionen Mark geboten, er wolle aber diese Anteile "Freunden der Regierung" zum Preise von nur 10 Millionen Mark anbieten.
"In dem Druck dieser geschäftlichen Zange wuchs die Erregung. An hoher und allerhöchster Stelle sah man das Gespenst einer Beherrschung der Berliner Presse durch "Mosse-Ullstein", wie man sich ausdrückte, uns sprach von der "jüdischen Gefahr". Dieser Gefahr entgegenzutreten unternahmen schließlich Baron Simon Alfred von Oppenheim in Firma Sal. Oppenheim jun. u. Co. in Köln und der Kölner Finanzmann Louis Hagen. Oppenheim und Louis Hagen brachten einen Kreis von Leuten zusammen, die kein anderes Band miteinander hatten als die Tatsache, daß sie alle wohlhabend und alle von dem Ehrgeiz beseelt waren, zur Erfüllung eines an hoher Stelle gehegten Wunsches beizutragen."
Am 5. Februar 1914 traten an die Stelle von Scherl 59 "wohlhabende Herren", die sich zum Deutschen Verlagsverein zusammenschlossen. Es kamen schwere Enttäuschungen. 7 Millionen Mark waren eingezahlt worden, es bestand noch eine Bankschuld von 3 Millionen Mark. Es stellte sich bald heraus, daß noch fast 8 Millionen aufzubringen seien, um das Unternehmen zu halten. In den ersten Kriegsjahren stieg die Not so sehr, daß der preußische Landwirtschaftsminister Freiherr von Schorlemer sich am 11. Dezember 1915 an einige Ruhrindustrielle wandte, damit sie in Hugenberg den "Retter" stellten.
"Strengste Geheimhaltung wurde zur Pflicht gemacht. Baron Simon Alfred v. Oppenheim sei am genausten über die wichtige Angelegenheit unterrichtet. Noch vor Jahresschluß müsse Klarheit geschaffen werden, um den Zusammenbruch resp. Uebergang der Scherl-Anteile in "unerwünschte Hände" zu verhindern."
Alles wurde in größter Heimlichkeit getan, auf Briefe und schriftliche Verhandlungen nach Möglichkeit verzichtet.
"In den Aktennotizen erschienen Decknamen, z. B. wurde die Regierung resp. der Landwirtschaftsminister als "Firma", die Ruhrindustriellen als "die Gruppe", die August Scherl G. m. b. H. als "Zentrale" bezeichnet. Die notwendigen juristischen Formalitäten durchzuführen, wurde eine juristische Person geschaffen, deren Name nichts vermuten ließ und deren Sitz vom wirklichen Mittelpunkte des Geschehens entfernt war: "Hanseatische Treuhand G. m. b. H." in Lübeck. Ferner wurden einige unbekannte Privatpersonen in den Vordergrund gestellt."
Hugenberg stellte seine Bedingungen: erst solle der Verlagsverein durch Abtragung der Bankschuld von 7 Millionen Mark saniert werden und dann die August Scherl G. m. b. H. mit einem Aufwand von schätzungsweise 10 Millionen Mark. So geschah es. 7,1 Millionen Mark Bankschulden wurden getilgt, die "Gruppe" brachte 6,1 Millionen Mark auf, "Unbekannt", also die preußische Regierung gab 1 Million. So berichtet Bernhard. In Wirklichkeit hat die preußische Regierung 4 Millionen Mark zur Verfügung gestellt.
Die dumme und die kluge Zeitung.
Hugenberg baute auf dem Grundsatz auf, den August Scherl als einer der ersten im deutschen Zeitungsgewerbe befolgt hat: Je höher das Niveau einer Zeitung, um so kleiner der Kreis ihrer Leser. Das Niveau mußte also auf den Geschmack der Masse eingestellt werden. Die Sensationstechnik mußte entwickelt werden, "die Kunst, die Aufmerksamkeit weiter Kreise mit magnetischer Kraft für einen Tag auf ein Ereignis zu lenken; einen Vorgang, einen Ausspruch, eine Vermutung für einen Tag zur Höhe einer Weltbedeutung zu erheben". Nach diesem Prinzip wurde die Verbreitung der Zeitung erzielt, die dann wiederum das wichtigste erreichte: Die Anlockung von Inserenten.
"Nach August Scherls Vorbild und gewaltigem Erfolg haben die Gebrüder Ullstein ähnliches organisiert. Auf denselben Grundsätzen beruht in England das Gedeihen der mächtigen Northcliff-Presse, der Zeitungen des Lord Beaverbroke, der Berry-Presse, in Amerika der Hearst-Presse und anderer Zeitungskonzerne . Sie alle ohne Ausnahme sind kapitalstarke, auf dem Prinzip der industriellen Konzentration beruhende, mit allen Mitteln moderner Technik ausgerüstete Organisationen, die dazu dienen, die auf Massenwirkung berechnete Produktion ihrer Redaktionen ins Land zu schleudern. In diesem steten Werben um die Aufmerksamkeit der Menge, in diesem unausgesetzten Bedachtsein auf Effekt gedeihen natürlich feinere Qualitäten nur mittelmäßig. Die Verlagsleiter und ihre Redakteure beugen sich dieser Notwendigkeit gewiß nicht gern. Jeder der genannten Konzerne läßt daher neben den gewinnbringenden Massenblättern noch eine "hochstehende" Zeitung erscheinen, begnügt sich dabei mit bescheidenen Gewinnen oder zahlt gar noch etwas dazu. Aber für alle gilt die Wahrheit, die in folgendem Zwiegespräch zum Ausdruck kommt: Als der Chefredakteur einer "hochstehenden" Zeitung dem Redakteur der Massenzeitung seines Verlages zurief: "Wie konnten Sie heute früh solche dumme Sensationsnachricht bringen", erfolgte die Antwort: "Ich muß die dumme Zeitung schreiben, damit der Verlag das Defizit Ihrer klugen Zeitung decken kann".
Bernhard stellt fest, daß diese Zeitungsunternehmen erhebliche politische Faktoren geworden sind, der Einfluß, den sie ausüben, ist viel eindringender und nachhaltiger, als man angesichts der Oberflächlichkeit dieser ganzen Produktion vermuten möchte. Aber auch der geschäftliche Erfolg ist außerordentlich groß. Während alle früheren Beteiligungen des Hugenberg-Konzerns: August Scherl G. m. b. H., Erwerb der Telegraphen-Union, Gründung der Ala A.-G. nur durch Kapitalzuwendungen der Industrie ermöglicht worden waren, hat er seine Beteiligung an der Ufa aus eigener Kraft aufgebracht.
Einige Schlußfolgerungen.
Man gerät leicht in die Gefahr, des Verrats an altbewährten Grundsätzen geziehen zu werden, wenn man auf diese Entwicklungen im bürgerlichen Pressewesen hinweist und verlangt, daß die sozialdemokratische Presse alle Anstrengungen mache, um nicht in den Hintergrund gedrängt zu werden. Heißt das nicht unsere Blätter auf den Stand der "Lokal-Anzeiger", "Generalanzeiger" und "Morgenpost" herabdrücken, wenn wir verlangen, daß auch wir sozialistischen Zeitungsschreiber uns den Bedürfnissen der Masse anzupassen hätten? Diese Schlußfolgerungen wird man aber nicht ziehen dürfen. Das Ziel muß vielmehr sein, einen sozialdemokratischen Zeitungstyp zu schaffen, der von kapitalistischen Einflüssen vollkommen unabhängig bleibt und trotzdem so ausgestattet wird, daß er mit Erfolg den Kampf um die Massen der Leser aufnehmen kann. Während die bürgerliche Zeitungsindustrie sich immer mehr ausdehnt, stehen wir erst am Anfang unserer Entwicklung. Während die bürgerlichen Zeitungsunternehmer immer neue Millionen ins Geschäft hineinstecken (und wieder herausziehen), sparen wir an den Pfennigen und sind doch dabei die größten Verschwender. Wir wollen gewiß keine "dumme" Zeitung machen, aber doch eine Zeitung, die nicht nur den seit Jahrzehnten organisierten Parteigenossen und den treuen Funktionär interessiert, sondern in schnell zunehmender Weise die politisch Lauen und Unerfahrenen, die Frauen und die heranwachsenden Generationen erfaßt. Anders ausgedrückt: weniger Wissenschaft und mehr Leben auch in unseren Zeitungen! Die Zeitung entsteht aus der schnellfliehenden Zeit, sie ist für diese Zeit und nicht für die Ewigkeit geschaffen!
Wir hätten den Wunsch, daß das Bernhardsche Buch von allen Parteigenossen gelesen wird, die an der Arbeiterpresse tätig sind, sei es im Verlag, in den Redaktionen oder in den aufsichtsführenden Körperschaften. Inzwischen aber mögen die von uns wiedergegebenen Stellen aus der Schrift zeigen, daß die Frage des weiteren Ausbaues der Arbeiterpresse nicht nur eine interne Angelegenheit unseres Kreises ist, sondern ein Problem darstellt, das die ganze Arbeiterbewegung angeht und zur raschen Lösung drängt.
Eugen Prager.