Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung


Online-Edition wichtiger Beiträge Eugen Pragers in der sozialdemokratischen Presse.

    Dokument:

    Parlamentarische Berichterstattung / von Eugen Prager - [Electronic ed.], 1926 - 10 KB, Text
    In: Mitteilungen des Vereins Arbeiterpresse. - 26 (1. April 1926), 252, S. 2-3
    Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2006


Parlamentarische Berichterstattung.
Von Eugen Prager

Zu den Schmerzenslindern (!) aller Redaktionen gehört die Berichterstattung aus den Parlamenten. Soweit die Presse der Sozialdemokratischen Partei in Betracht kommt, müssen wir mit drei verschiedenartigen Bedürfnissen rechnen. So wollen die größeren Blätter aus dem Reichstag einen ausführlichen Bericht, den sie bei wichtigeren Verhandlungen noch durch ein eigenes Stimmungsbild ergänzen. Die mittleren Blätter wünschen einen gedrängten Bericht, der die Verhandlungen zugleich stimmungsgemäß schildert. Die kleineren Zeitungen schließlich begnügen sich in der Regel mit dem Abdruck eines Stimmungsbildes, in dem der Inhalt der Reden nur skizziert wird. Wenn auch diese verschiedenartigen Wünsche bisher nicht vollständig erfüllt werden konnten, so scheint doch die früher häufig und mit Recht geäußerte Unzufriedenheit mit der Berichterstattung aus dem Reichstag einigermaßen zurückgedämmt zu sein.

Vor dem Kriege unterhielt Kurt Baake ein parlamentarisches Bureau, das mit mehreren Redakteuren und Hilfskräften besetzt war. Baake lieferte aus dem Reichstag je nach Wunsch einen ausführlichen oder einen kleineren Bericht, dazu noch ein Stimmungsbild. Auch die Berichterstattung aus dem Preußischen Landtag wurde von ihm besorgt. Die Gemeinschaftsarbeit mit dem damaligen Bureau Herzberg ermöglichte es ihm, das Personal auch in der parlamentlosen Zeit zu beschäftigen. Durch die Berichterstattung über wichtige Kongresse und Gerichtsverhandlungen, bei denen er auch einen Teil der bürgerlichen Presse bediente, war sein Bureau auf eine gesicherte materielle Grundlage gestellt. Auch die anderen Parteien wurden von eigenen Bureaus mit Berichten versorgt; daneben gab es noch neutrale, parteilose Berichterstattungen und schließlich legten auch die großen Blätter Wert darauf, eigene parlamentarische Berichterstatter in Berlin zu halten.

Heute haben sich die Verhältnisse gründlich verändert. Die Vertrustungstendenzen, die wir von der Wirtschaft her kennen, haben vor der Presse nicht halt gemacht. Wir finden sie auch bei der parlamentarischen Berichterstattung. Es gibt jetzt im Reichstag eigentlich nur noch drei selbständige Berichterstattungen. Der Verein deutscher Zeitungsverleger gibt einen verhältnismäßig objektiv gehaltenen Bericht heraus, der die Grundlage für die Berichterstattung fast der gesamten bürgerlichen Presse bildet. Da dieser Bericht in zwei ausgaben, als "kleiner" und als "großer" erscheint, so haben die einzelnen Parteikorrespondenzen und jene Blätter, die eigene Vertreter in Berlin haben, die Möglichkeit, über die parlamentarische Verhandlung nach ihren besonderen Bedürfnissen zu berichten, ohne daß sie zu diesem Zweck wie früher eigene Bureaus unterhalten müßten. In enger Verbindung mit dem Verein deutscher Zeitungsverleger steht das Wolffsche Bureau, dessen Berichte nur Auszüge aus den Berichten des VdZ. sind. Daneben gibt noch die Telegraphen-Union einen eigenen Bericht heraus, indem vor allem die Redner der Rechtsparteien ausführlich berücksichtigt werden. Auch die TU. arbeitet in den Parlamenten in enger Fühlung mit dem VdZ.

Seit einiger Zeit haben die sozialdemokratischen Fraktionen im Reichstag und im Preußischen Landtag einen eigenen parlamentarischen Dienst eingerichtet, der auf dem Wege über den sozialdemokratischen Pressed[i]enst den Lesern der sozialdemokratischen Presse ein möglichst einwandfreies Bild von den Verhandlungen geben soll. Wenn auch die sozialdemokratische Presse die Auffassungen der anderen Parteien nicht unterschlagen darf, so müssen doch die Ausführungen der sozialdemokratischen Abgeordneten vor allem berücksichtigt werden. Soweit der Reichstag in Betracht kommt, steht für den Zweck der Berichterstattung ein Redakteur und eine Hilfskraft zur Verfügung. Die Vervielfältigung und Versendung des Berichts geschieht durch die SPD. Wenn der Redakteur mit der Abfassung des Berichts warten könnte, bis die Verhandlungen zu Ende sind, so würde er Unwesentliches ausscheiden, die Darstellung konzentrieren und überhaupt dem Bericht eine Form geben können, die ohne weiteres seine Wiedergabe in den einzelnen Blättern ermöglicht. Nun beginnen aber die Sitzungen des Reichstages gewöhnlich zwischen 1 und 3 Uhr nachmittags, sie dauern in der Regel bis nach 7 Uhr abends. Da kurz darauf schon die ersten Züge abgehen, die die Berichte mitnehmen sollen, so muß bis dahin der Beicht auch fertiggestellt sein. Dazu kommt noch, daß der SPD. gerade in den letzten Stunden vor Abgang der Züge außerordentlich stark belastet ist und ihm nicht zugemutet werden kann, zu dieser Zeit noch ein ausführliches Manuskript zu vervielfältigen.

Es bleibt also nichts anderes übrig, als die Vorgänge im Plenum des Hauses fortlaufend aufzunehmen und sie außerhalb des Saales im Arbeitszimmer zu diktieren. Die Möglichkeit der Ablösung auf der Pressetribüne, wie sie der VdZ. und TU. mit ihren großen Redaktionsstäben haben, besitzen wir nicht. Es war deshalb bisher nicht zu vermeiden, daß wichtige Vorgänge zuweilen nicht einwandfrei wiedergegeben wurden. Die Arbeit der Berichterstattung wird noch dadurch erschwert, daß die Akustik des Reichstages nicht die beste ist und daß außerdem manche sozialdemokratische Redner, die, allerdings verständliche, Angewohnheit haben, ihre Ausführungen nach rechts zu richten, also nach der der Pressetribüne entgegengesetzten Seite des Hauses. Unter diesen Umständen können die Berichte aus dem Reichstag nicht viel mehr als Rohstoff sein, der noch der Ueberarbeitung in den Redaktionen bedarf. Auch sachliche und stilistische Fehler werden häufig erst in der Redaktion beseitigt werden können. Unterstützt wird den Redaktionen diese Arbeit dadurch, daß der SPD. außer den fachlichen Berichten auch noch Stimmungsbilder von den Verhandlungen versendet.

Die augenblickliche Regelung der Berichterstattung aus den Parlamenten ist keineswegs ideal. Die berechtigten Wünsche der Redaktionen werden aber erst dann erfüllt werden können, wenn eine Besserung der wirtschaftlichen Lage die Möglichkeit schafft, auch für diesen Zweck größere Mittel bereitzustellen.