Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung


Online-Edition wichtiger Beiträge Eugen Pragers in der sozialdemokratischen Presse.

    Dokument:

    "Arbeiterkorrespondenten" / von Eugen Prager - [Electronic ed.], 1925 - 14 KB, Text
    In: Mitteilungen des Vereins Arbeiterpresse. - 25 (1. April 1925), 240, S. 2-3
    Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2006


"Arbeiterkorrespondenten."
Von Eugen Prager.

Seit einigen Monaten versuchen die kommunistischen Blätter in Deutschland eine Einrichtung zu kopieren, für die sie sich das Muster aus Sowjetrußland geholt haben: die "Arbeiterkorrespondenten". Der genaue Titel lautet: "Arbeiter- und Bauernkorrespondenten", der Sowjetstil nennt sie "Rabkorr". In Rußland sollen sie folgende Aufgaben erfüllen: In allen Betrieben und in allen Dörfern sollen Korrespondenten herangezogen werden, die die kommunistische Presse aller Länder mit Material zu beliefern und, von Land zu Land, auch Nachrichten auszutauschen haben. Für die "Prawda", das Zentralorgan der russischen Kommunisten schreiben die "vorgeschritteneren" (!) Arbeiter, für die "einfachen" Arbeiter sind die untergeordneten Organe bestimmt. Die "Rabkorrs" hielten vor einiger Zeit einen Kongreß ab und ihrer Aufforderung an die kommunistischen Parteien der anderen Länder, diesem Beispiel zu folgen, ist man in Deutschland nachgekommen. Die "Rote Fahne", die "Hamburger Volkszeitung" und wohl noch einige andere kommunistische Blätter haben für die "Arbeiterkorrespondenten" ihrer Verbreitungsgebiete bereits Konferenzen abgehalten. In der Konferenz der "Roten Fahne" führte der Berichterstatter S.-n. aus:

"Ein Heer von Arbeiterkorrespondenten muß geschaffen werden. Die KPD., die revolutionäre Bewegung lebt und wächst mit der Klarheit und dem Selbstvertrauen, der Entschlossenheit der Massen. Zehntausende, Hunderttausende aktiver Arbeiterkorrespondenten müssen diese Klarheit durch die Arbeit in der kommunistischen Tagespresse und die Arbeit in unzähligen Zellenzeitungen in jeden Betrieb, in jedes Kontor, in jede Kaserne, in jedes Arbeiterhaus tragen ... Bisher hat die kapitalistische Presse eine engere Verbindung mit den breiten Massen aufrechtzuerhalten verstanden als die Presse unserer Partei. Das muß anders werden durch die Arbeiterkorrespondenten."

Einige andere Redner setzten auseinander, wie die Mitarbeit der "Arbeiterkorrespondenten" beschaffen sein soll. Es müsse ein "proletarischer Journalismus" gepflegt werden. Die Korrespondenten sollen sich nicht dazu verleiten lassen, "zu fein und künstlerisch zu schreiben, das Arbeiterwort soll richtig gehört werden", "wenn wir Frauen als Korrespondenten gewinnen wollen, dann müssen wir sie lehren, was sie berichten sollen", "bei der Auswahl der zu berichtenden Tatsachen muß kritisch verfahren werden", sie sollen nicht nur Dolmetscher für den Redakteur, "sondern zugleich sein Lehrer sein". Diese Regeln werden auch schon von der kommunistischen Presse befolgt, allerdings nur in den Rubriken, in denen die "Arbeiterkorrespondenten" zugelassen sind. Die "große Politik" bleibt auch künftig den führenden Geistern vorbehalten.

Der Sinn dieser angeblich neuen Richtung in der Arbeiterbewegung ist der, daß die Arbeiterblätter nicht von Berufsjournalisten, sondern von den Arbeitern selbst gemacht werden sollen. Nicht der "feine" Geist soll Inhalt und Ton bestimmen, sondern "die schwielige Arbeiterfaust". Die Arbeiterzeitung darf auch nicht objektiv die Tatsachen feststellen, sondern sie muß das berichten, was den Interessenten der Partei zuträglich erscheint. Die Presse soll nicht das Spiegelbild des wirklichen Lebens sein, sondern sie soll die Verhältnisse so schildern, wie sie der dogmengläubige Leser zu sehen wünscht. Wer die harte Pflicht hat, die kommunisti[s]che Presse regelmäßig zu lesen, wird wissen, daß dieses Rezept sorgfältig angewandt wird. Unwahrhaftigkeit in der Darstellung, Roheit im Ton, Verantwortungslosigkeit in der Berichterstattung bilden hier eine abstoßende Gesellschaft.

Ein kommunistischer Sachkenner, Karl Voß, hat in der "Internationalen Pressekorrespondenz", 1925, Nr. 34, folgendes Urteil über die Presse der KPD. abgegeben:

"Unter revolutionärer Phrase in der kommunistischen Presse kann man zweierlei verstehen. Es gibt kommunistische Zeitungen, die stets und grundsätzlich nur die stärksten eindringlichsten Worte, die ihnen überhaupt zur Verfügung stehen gebrauchen, Organe, von denen man den Eindruck hat, daß sie stets bei 40 Grad Fieber geschrieben werden. Das wirkt auf die Massen abstoßend und nicht agitierend, ganz abgesehen davon, daß sich ein solches Organ der Möglichkeit beraubt, in bestimmten Situationen einer Steigerung der Sprache fähig zu sein. Eine zweite Abart der revolutionären Phrase ist die unaufhörliche Verwendung kommunistischer Losungen ohne inneren, den Arbeitermassen sichtbaren Zusammenhang mit den tatsächlichen Ereignissen. ... Die Verachtung der Methoden der bürgerlichen Journalistik hat in einem Teile unserer Parteipresse zu einer Verwahrlosung der Sprache und der Stilistik geführt, die unter Umständen zu einer politischen Gefahr werden kann. In einer ganzen Reihe kommunistischer Presseorgane findet man in wechselnder Folge ein krasses Durcheinander "intellektueller" Terminologie und einer ausgesprochenen Feindseligkeit gegen jede klare Begründung und klare Darstellung einer klaren kommunistischen Losung. Es ist verständlich, daß solche Organe niemals Massen für sich interessieren können. Zu diesen kleineren, aber tückischeren Feinden der kommunistischen Presseagitation gehört beispielsweise die unnütze Verwendung von Fremdwörtern."

Was uns hierbei noch interessiert, wäre die Frage, ob auch die sozialdemokratische Presse eine Blutauffrischung in dem Sinne nötig hätte, daß ihre Redaktionen zu den Arbeitermassen in engere Fühlung treten müßten. Im allgemeinen wäre diese Frage zu verneinen. Abgesehen von einer Reihe von großstädtischen Zeitungen stehen unsere Parteiblätter immer im Mittelpunkte der Arbeiterbewegung, häufig zentralisiert sich bei ihnen die ganze Partei- und Gewerkschaftsarbeit des Bezirks. Es gibt wohl keinen Redakteur bei uns, der sich als "Berufsjournalist" fühlt; er war und ist der Vertauensmann der Partei, von ihr auf einen besonderen Posten gestellt. Auch die Mitarbeit der "einfachen" Arbeiter ist für uns nichts Neues; ohne die hingebende Berichterstattung der im Beruf stehenden Parteigenossen aus den öffentlichen Körperschaften, aus den Gewerkschaften, aus den Betrieben wäre die Ausgestaltung des lokalen, provinziellen und gewerkschaftlichen Teils überhaupt nicht möglich.

Was die sozialdemokratische Presse grundsätzlich von der kommunistischen Partei unterscheidet, das ist das in jahrzehntelanger Arbeit erworbene Verantwortungsgefühl vor der Arbeiterbewegung und vor der gesamten Oeffentlichkeit. Die Gesamthaltung des Blattes untersteht der Kontrolle der durch die Organisationen eingesetzten Instanzen; in allen Einzelfragen muß dem Redakteur soviel Bewegungsfreiheit bleiben, daß er selbst die Entscheidung über Inhalt und Ausgestaltung des ihm anvertrauten Blattes treffen kann. Wo die Grenzen zwischen eigener Verantwortlichkeit der Redaktion für die Tagesarbeit und der Kontrolle der allgemeinen Haltung der Zeitung durch die von der Partei eingesetzten Instanzen so abgesteckt sind, dort werden sich keine gefährlichen Reibungsflächen bilden können.

In der über die Frage der "Arbeiterkorrespondenten" geführten Diskussion wurde nun in der kommunistischen Presse verlangt, daß die Arbeit der Redakteure nicht nur von der Parteileitung, sondern auch noch von anderen Körperschaften überwacht werden solle. So müßten beispielsweise die Einsendungen der "Arbeiterkorrespondenten" erst von einer besonderen Kommission geprüft und gesichtet werden, diese hätte dann die Redaktion anzuweisen, was veröffentlicht werden solle. Weiter müsse der "mechanischen Ressorteinteilung" in den Redaktionen ein energischer Kampf angesagt werden. alle Fragen müßten als "politische" behandelt werden, die gewerkschaftlichen ebenso wie die lokalen. "Eine wirtschaftliche Garantie für die Durchführung dieses Prinzips wird sich in den meisten Fällen nur durch eine systematische organisatorische und politische Kontrolle der Redaktionen durch die politischen Leitungen durchführen lassen", sagt der schon erwähnte Karl Voß. In Wirklichkeit würde die Durchführung dieses "Prinzips" die Redakteure der Arbeiterpresse zu Tintenkulis machen, ihnen jede eigene Verantwortung abnehmen und sie allen Selbstgefühls berauben.

Wer wollte leugnen, daß auch die Presse der Sozialdemokratischen Partei noch manche Verbesserung in inhaltlicher wie in technischer Hinsicht vertragen könnte? Aber im allgemeinen darf man wohl sagen, daß sich unsere Zeitungen sehen lassen können. Wo noch Mängel zu finden sind, entspringen sie nicht einem falschen Prinzip, sondern dem Mangel an Mitteln. Wo das frühere innige Verhältnis zu den breiten Massen der Arbeiter gelockert erscheint, so ist das meist den besonderen örtlichen Verhältnissen geschuldet, entspringt aber auch häufig der allgemeinen politischen Entwicklung, die im vergangenen Jahrzehnt Menschen und Dinge durcheinander gewirbelt hat. In technischer Hinsicht kann die sozialdemokratische Presse den Vergleich mit den bürgerlichen Blättern meist aushalten, Berichterstattung, Nachrichtenübermittlung und Aufmachung müssen auch die Leser befriedigen, die von der bürgerlichen Presse zu uns kommen.

Dem weiteren Ausbau unserer Presse werden auch wir die größte Aufmerksamkeit zuwenden müssen. Dazu gehört nicht zuletzt die Heranziehung von Mitarbeitern aus den Kreisen der berufstätigen Arbeiter und Angestellten, sowie die Ausbildung eines mit der Arbeiterbewegung innig verwachsenen Nachwuchses. Wir wollen uns jedoch davor hüten, der "schwieligen Arbeiterfaust" zu schmeicheln und uns auf Experimente einzulassen, die die weitere Entwicklung unseres Pressewesens nur hemmen würden.