Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung


Online-Edition wichtiger Beiträge Eugen Pragers in der sozialdemokratischen Presse.

    Dokument:

    Die Bestätigung / Eugen Prager - [Electronic ed.], 1920 - 14 KB, Text
    In: Freiheit. - 3 (17. September 1920) 388
    Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2006


Die Bestätigung.
Von Eugen Prager

Wenn man die Ausführungen des Genossen Schwenk in der Donnerstagmorgennummer der "Freiheit" ihres dekorativen Beiwerks entkleidet, so stellen sie eine vollkommene Bestätigung meiner Mitteilungen über die zur Spaltung der unabhängigen Sozialdemokratie treibenden Anstrengungen bestimmter Kreise dar. Um nicht noch einmal dem Vorwurf ausgesetzt zu werden, daß ich den wirklichen Sachverhalt in die "grobe Verzerrung" stelle, seien noch einige Einzelheiten aus den organisatorischen Spaltungsvorbereitungen mitgeteilt. In Berlin bemühen sich drei Gruppen in dieser Hinsicht. Unter Führung vo Stahlberg, Rothe und Schulz von der Kommunistischen Partei kommt die eine Gruppe regelmäßig in einem Lokal in der Alten Jakobstraße zusammen. Die zweite Gruppe, die der Leitung des Ehepaars Geyer und Wegmann untersteht, sammelt sich in den Muttersälen. Die dritte Gruppe bildet den Diskutierklub mit dem altpreußischen Namen "Adler" und erfreut sich der Führung des Genossen Paul Schwenk. Zurzeit wird daran gearbeitet, diese drei Gruppen zusammenzufassen und gemeinschaftlich den Kampf gegen den Feind zu führen; wobei man bemerken muß, daß unter "Feind" nicht der Kapitalismus, sondern die andersdenkenden Parteigenossen aus dem eigenen Lager zu verstehen sind.

Schon seit längerer Zeit wird von diesen Gruppen der "zuverlässige" Teil der Mitgliedschaft bearbeitet; ihre Tätigkeit beschränkt sich nicht auf Berlin, sie geht über das ganze Land hinaus. Die enge Verbindung mit führenden Leuten aus der kommunistischen Partei sorgt dafür, daß über die Tendenz dieser Bestrebungen keine Unklarheit sich bilden kann. Es ist ja auch oft genug ausgesprochen worden, daß die wichtigste Arbeit des "linken Flügels", der bekanntlich die echten Revolutionäre umfaßt, auf die Zertrümmerung der Partei, auf eine neue Zerreißung der Arbeiterklasse hinausgeht. So schreibt noch am 14. September E. K. in der "Schlesischen Arbeiter-Zeitung":
"Die Abspaltung der Zentrümler und der opportunistischen Saboteure der proletarischen Revolution und die Bildung einer von reinem Marxismus beherrschten Partei ist nicht nur möglich, ist Pflicht."

Dieser Pflicht wird von dem linken Flügel schon lange Genüge getan. Ende August fand eine außerordentliche Kreis-Delegiertenversammlung für Große-Dresden statt, in der es sehr heftig zuging. In dem Bericht, den unser Dresdner Parteiblatt darüber veröffentlichte, konnte man folgendes lesen:
"Genosse Bittwald erklärt, daß er in ständiger Verbindung mit der Berliner Betriebsräte-Zentrale stehe und von dort dauernd Material erhalte. Er und eine Anzahl Genossen seien zu der Ueberzeugung gekommen, daß hier in Dresden andere Männer anstelle von Fleißner und Menke kommen müßten, die fest zum Rätesystem ständen. (Genosse Menke: Was ich gesagt habe, ist also wahr?) Jawohl, das ist wahr!"

Genosse Menke hatte vorher mitgeteilt, daß man in geheimen Konventikeln beraten habe, wie man ihn und Fleißner beseitigen könne. Die Genossen Viktor Stern-Berlin und Keil seien bereits für die erste Redakteur- und Sekretärstelle vorgesehen worden. Man habe nur nach dem Wege gesucht, der zum ersehnten Ziele führen sollte.

Aehnliche Vorgänge werden aus Elbing berichtet. In der "Elbinger Volksstimme" vom 14. September schreibt ein Schlchau-Arbeiter:
"Was Richard Müller und Däumig in Berlin bewußt treiben, das machen manche Genossen in der Provinz unbewußt. Im Bestreben "radikal" zu sein, suchen sie nach Vorbildern und finden sie auch in der verankerten Rätezentrale. Die Keimzellen machen Schule. Von außen wird meist auch noch ein Uebriges dazu getan und die bekannte kochende Stimmung ist fertig. So war dieser Tage Eberlein (von der K. P. D.) in Danzig und bestellte die Vertrauensleute der U. S. P. D. hintenherum zu einer Sitzung, in der er Stimmung machte für den Anschluß an die dritte Internationale. Der Kommunist Seitz sprach in Elbing in einer öffentlichen Versammlung über unsere internen Parteifragen, noch bevor wir selber dazu Stellung genommen hatten. Durch die Einwirkungen Dritter lassen sich leider manche Genossen beeinflussen und vergessen dabei, daß eine Revolution kein Radau ist...
Wer nur den Bruder im eigenen Lager angreift, beweist damit nur, daß er unfähig ist, mit dem Feind draußen anzubinden. Deshalb kann man nicht oft genug warnen: Genossen, seht zu. Daß Ihr nicht unbewußt kommunistische Keimzellen werdet. Es schreibt Euch dieses kein "Bonze", der da fürchten könnte, für Moskau nicht anschlußreif zu sein, sondern ein Elbinger Arbeiter, ein Soldat aus Reih und Glied, der mit Euch kämpft in guten und in schlimmen Tagen."

Man kann also sehen, daß es sich bei diesen Spaltungsbestrebungen durchaus nicht um einen "Popanz" handelt, sondern um sehr reale Tatsachen. Und wenn nicht der Raum des Blattes zu einer Einschätzung nötigte, so könnte der vom Genossen Schwenk gewünschte Beweis noch wesentlich ergänzt werden.

Es sind nicht nur "Klageweiber", die von einer neuen Spaltung der deutschen Arbeiterklasse die schlimmsten Folgen für die proletarische Bewegung voraussagen. Im Halleschen "Volksblatt" setzt sich Genosse Paul Henning, der im Prinzip sich mit den Anschlußbedingungen einverstanden erklärt hat, lebhaft dafür ein, daß erst die Partei im Sinne der Bedingungen umgebaut und dann der Anschluß vollzogen werden solle. In einer Polemik gegen einen Gegner der Aufnahmebedingungen führte Genosse Henning am 14. September nun folgendes aus:
"Denn noch einmal: Nach der Abstimmung für oder gegen zerreißt sich die Partei, gleichgültig, welcher Flügel die Mehrheit bekommt. Wer dies Entsetzliche jetzt noch nicht glauben wollte, betröge sich selbst. Die Dinge sind bereits so weit getrieben, daß nur dieser von uns vorgeschlagene Weg, erst einmal unsere Partei zu reformieren und dann den Anschluß an Moskau nachzusuchen, noch Rettung bringen könnte - wenn beide Seiten wollten ... Selbst wenn über den formalen Anschluß noch ein Jährchen vergehen sollte, das wäre zu ertragen, viel eher als der Bruch der Proletariermasse, die im Rahmen der U. S. P. marschiert. ... Wie werden diesen unseren Vorschlag, der Parteitag solle aus eigener Initiative (nach Besprechung der Moskauer Frage) den Neuaufbau unserer Parteiorganisation einleiten und dann erst den Anschluß an Moskau nachsuchen, noch einige Male darlegen, obgleich ihn anscheinend niemand befolgen, nicht einmal begreifen will. Aber unser Gewissen drängt uns dazu, wir empfinden es als Parteipflicht. Wir wollen auf jeden Fall nicht mitverantwortlich sein für den entsetzlichen, in seiner Fruchtbarkeit und seinen unheilvollen Konsequenzen gar nicht auszudenkenden proletarischen Bruderkrieg, der nach der Abstimmung ausbricht."

Nachdem Genosse Schwenk zugeben muß, daß die Sonderorganisation besteht, führt er zu ihrer Entschuldigung an, daß die Genossen sich durch Sonderbesprechungen gegen die irreführende Art der Arbeit der Gegner der Moskauer Bedingungen wappnen müßten, und er sagt weiter, daß erst durch die Anstrengungen des Diskutierklubs "Adler" und seiner Geschwisterorganisationen die Parteigenossen die volle Wahrheit erfahren. Insbesondere macht er der "Freiheit"-Redaktion den Vorwurf, daß sie die Leser falsch unterrichte. Nun ist Genosse Schwenk nicht nur Vorsitzender des Diskutierklubs "Adler", sondern auch Vorsitzender der Preßkommission der "Freiheit", und es müßte ihm bekannt sein, daß die politische Redaktion der "Freiheit", trotzdem sie sich rückhaltlos gegen die Annahme der Moskauer Bedingungen ausgesprochen hat, von vornherein darauf verzichtete, die Parteigenossen einseitig zu beeinflussen, sondern es ihnen überlassen wollten, sich eine eigene Meinung zu bilden. Aus diesem Grunde sind in der "Freiheit" abwechselnd Befürworter und Gegner der Bedingungen zu Worte gekommen; die Redaktion ist sogar noch weiter gegangen. Sie hat solche Genossen, die anderer Meinung waren, erst dazu aufgefordert, ihre Meinung in der "Freiheit" zu äußern. Anders dagegen arbeiten die Kreise, denen Genosse Schwenk und seine Freunde vorstehen. Sie denunzieren die Gegner der Bedingungen als Anschlußgegner. Sie suchen von den Parteigenossen nach Möglichkeit das fernzuhalten, was ihrer eigenen Meinung widerspricht, sie füttern ihre "zuverlässigen" Leute mit einseitigem und tendenziös zurechtgestutztem Material. Wer den Berliner Parteiversammlungen der jüngsten Zeit beizuwohnen die Ehre hatte, der wird beobachtet haben, wie sich die gleichen Redewendungen in den Ausführungen der Referenten und mancher Diskussionsredner für die Bedingungen jedesmal nicht nur sinngemäß, sondern wörtlich wiederholten. Sie folgten aufs genaueste den Anweisungen, die ich in meinem ersten Artikel wiedergegeben hatte.

Ein ergötzliches Beispiel dafür, wie "objektiv" die Freunde der Moskauer Bedingungen arbeiten, erhält man aus Hamburg. Die dortige Parteiorganisation hat schon vor etwa vierzehn Tagen sich für die vorbehaltlose Annahme der Moskauer Bedingungen erklärt. Die "Hamburger Volkszeitung" veröffentlichte aber erst in ihrer letzten Sonnabendnummer die Moskauer Bedingungen. Zuerst hat man also die Hamburger Parteigenossen mit Zeitungsartikeln und ähnlichem Material bearbeitet, darauf wurde die Abstimmung vorgenommen und hinterher erst wird den Parteigenossen mitgeteilt, wofür sie überhaupt abgestimmt haben.

Auf die Bemerkungen des Genossen Schwenk über meine Person will ich nicht eingehen. Ich halte es in dieser Beziehung wie Lessing, als er seinem Hauptpastor zurief: "Ueberschreien können Sie mich alle acht Tage: Sie wissen wo. Ueberschreiben sollen Sie mich gewiß nicht."

Freiheit, 17.09.1920