Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung


Online-Edition wichtiger Beiträge Eugen Pragers in der sozialdemokratischen Presse.

    Dokument:

    Die Weiterbildung der Redakteure / von Eugen Prager - [Electronic ed.], 1913 - 12 KB, Text
    In: Mitteilungen des Vereins Arbeiterpresse. - 14 (3. Dezember 1913), 119, S. 3-4
    Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2006


Die Weiterbildung der Redakteure
von Eugen Prager

Der Bezirks - Bildungsausschuß für Thüringen wird an einem der nächsten Sonntage eine Konferenz abhalten, zu der die Redakteure und angestellten Berichterstatter der thüringischen Parteiblätter eingeladen worden sind. Es sollen dort drei Vorträge gehalten werden, und zwar aus den Gebieten: Zeitungstechnik, Stillehre, Justiz und Presse. Zunächst wird es sich nur um einen Versuch handeln; es wird dich dabei ergeben, ob solche Zusammenkünfte, nach einem bestimmten Plan fortgesetzt, für die Weiterbildung unserer Redakteure von Nutzen sein können. Dieser Versuch kann auch in anderen politisch oder wirtschaftlich zusammengehörigen Bezirken wiederholt werden; und vielleicht will es da Glück, dass sich der Parteivorstand der Sache annimmt und sie in ein formgerechtes Schema bringt, damit auch jene Bezirke von der Anregung profitieren, deren Bildungsausschuß keinen Redakteur zum Vorsitzenden hat.

Die Redaktionen unserer Parteipresse sind zum allergrößten Teile mit Genossen besetzt, die nur die Volksschule bis hinab zur Dorfschule besucht haben, und die deshalb fast alle Kenntnisse sich selbst erwerben mussten. Man kann zwar alle akademischen Grade besitzen und doch einen spottschlechten Stil schreiben, denn Stilgefühl kann nicht erworben werben. Aber umgekehrt kann ein guter Stil nicht nur erfühlt, er muß auch von bestimmten Regeln getragen sein. Das feinste Stilgefühl nützt aber nicht viel, wenn es sich nicht mit weitreichendem Wissen paart. Die bürgerlicht Journalistik hat schon längst anerkannt, dass das Wissen des Redakteurs nicht allein ererbt, dass es auch erworben sein muß; das heißt , dass auch der begabteste Journalist ständig auf seine Weiterbildung bedacht sein soll. Mehrere Hochschulen und Vorlesungsinstitute haben Vortragskurse über das Zeitungswesen eingerichtet, die von solchen Hörern besucht werden, die mit der Presse in Verbindung stehen oder sich dem Presswesen widmen wollen. Es gibt schon Dozenten, di sich vorwiegend mit den Angelegenheiten der Presse beschäftigen.

Was in dieser Beziehung bei uns bisher geleistet worden ist, das läßt sich in etwa fünf Sekunden hersagen. Auf der Parteischule werden Vorträge über das Zeitungswesen gehalten; sie haben solche Genossen zu Hörern, die zumeist nicht in den Redaktionsdienst übertreten. Die Mitteilungen des Vereins Arbeiterpresse enthalten sehr hübsche Abhandlungen, die aber kurz gehalten sein müssen, und deshalb nicht in die Tiefe gehen können. Und was das Schlimmste ist: sie werden von denjenigen unserer Freunde, die es am nötigsten brauchen, ungelesen beiseite gelegt.

In zwei Gruppen lassen sich die Angelegenheiten rennen, die auf den Konferenzen zur Weiterbildung unserer Redakteure zu behandeln wären. Die erste Gruppe würde die Fragen der Zeitungstechnik umfassen, die andere die Fragen des Zeitungsinhalts. Zur Technik zähle ich zuerst das Wissen um die Herstellung der Zeitung; jeder Redakteur muß die fachlichen Ausdrücke der Buchdrucker kennen, denn er soll selbst angeben können, wie sein Manuskript gesetzt werden soll, er darf das nicht allein dem Geschick des Metteurs überlasen. Er muß das Schriftenmaterial kennen und danach seine Anordnungen treffen; er muß sich das Satzbild vorstellen können, bevor er das Manuskript dem Setzer übergibt. Der Redakteur muß ferner wissen, wie umbrochen, wie stereotypiert wird; kurzum er muß wissend die Herstellung der Zeitung verfolgen können, bis sie als fertiges Druckerzeugnis in die Hand des Lesers gelangt. Nebenbei: ich bin der ketzerischen Ansicht, dass der Redakteur, wenn auch nicht schön, so doch deutlich schreiben soll. Nicht immer ist die schlechte Schrift das Kennzeichen eines genial schaffenden Geistes!

Zur Technik des Zeitungswesens zähle ich Orthographie und Grammatik, also die schriftliche Ausdrucksweise, für die es bestimmte Regeln gibt. Man braucht sie nicht auswendig zu wissen, sie sollen vielmehr ins Bewusstsein des Schreibenden übergegangen sein. Welch wunderfeines Kunstwerk ist die menschliche Sprache! Aber wie Kunst von Können abgeleitet ist, so muß auch der Künstler bestimmten Gesetzen folgen, wenn er ans Schaffen geht. Kunst hat aber nichts mit Künstelei zu schaffen, und schon gar nichts die Sprachkunst. Je bedeutender ein Kunstwerk ist, desto leichter lassen sich seine reinen Linien seine einfachen Formen erkennen. Und so ist es auch mit der Sprachkunst, mit dem Stil. Nicht der Wortschwall macht den Stilkünstler, sondern seine Befähigung, dem großen Gedanken die natürliche Sprachform zu geben.

Es gehört zur Technik noch manches andere: so die Gestaltung des Zeitungsbildes; die Anordnung des Stoffs; die Umformung der Berichte und kurzen Nachrichten; die Handhabung des zur Verfügung stehenden Materials; die Kenntnis der hierher gehörigen Literatur.

Bei den Fragen des Zeitungsinhalts wäre die Geschichte der bürgerlichen und der Parteipresse zu behandeln. Das Wesen der großen politischen Blätter, ihre Beziehungen zur Regierung und zum Kapital; die Generalanzeiger - Presse; die Amtsblattpresse. Anregend kann die Erörterung des Werdens der Arbeiterpresse wirken. Wir müssen aber auch erfahren wie die ausländische Presse, besonders die amerikanische und die englische, geleitet wird, um gegen das Gift der Sensationshascherei, das auch uns von dort bedroht, gefeit zu sein.

Eingehende Geschichtsstudien zu treiben, wird auf solchen sonntäglichen Konferenzen nicht möglich sein. Wohl aber müssen wir unsere Kenntnisse von der Parteigeschichte zu vertiefen suchen. In den Redaktionen sitzen zum Teil jüngere Genossen, die in die Parteibewegung erst nach dem Falle des Sozialistengesetzes gekommen sind. Sie müssen auch die Vergangenheit unserer Partei kennen, sie sollen das Erbe verwalten helfen, das die erste und zweite Generation unserer Vorkämpfer hinterlassen hat. Wie viel es da zu bessern gibt, das kann man deutlich sehen, wenn wir den Tod eines unserer Alten beklagen müssen oder einen Freudentag feiern helfen sollen. Selten findet man dann, und fast nur noch in den ganz großen Parteiblättern, eine eigene Arbeit der Redaktion. In der Regel wird das abgedruckt, was das Pressebureau oder ein fabrikmäßig wirkender Mitarbeiter eingeschickt hat. Hierhin gehört auch die Behandlung wichtiger Parteiangelegenheiten auf den Parteitagen; was sich auf denen der jüngsten Zeit ereignet hat, das haftet wohl noch in unserem Gedächtnis, aber die Debatten der früheren Parteitage sind längst ins Wesenssole versunken.

Sehr wichtig ist das Quellenstudium. Der Redakteur kann nicht alles wissen, aber er muß darüber unterrichtet sein, wo er sofort das finden kann, was er bei seiner Tagesarbeit braucht. Wir haben in den größeren Parteiblättern schöne Bibliotheken, bei den kleineren mangelt es daran ganz und gar. Aber die schönste Bibliothek ist zu nichts nütze, wenn man mit ihr nicht umzugehen weiß. Über die Einrichtung einer solchen Büchersammlung und auch über die Auswahl der Bücher für den privaten Grabrauch des Redakteurs ließe sich manches sagen. Wenn wie die Quellen kennen, aus denen wir für unsere Tätigkeit schöpfen können, so wird es uns möglich sein, unser Wissen ins Unendliche zu erweitern.

Hier konnten nur Anregungen gegeben werden. Die Praxis wird lehren, nach welcher Richtung wir unsere fortbildenden Tätigkeit zu erweitern haben. Mit lauten und leisen Klagen über die Uniformität unserer Presse ist es nicht getan. Wenn unser Presswesen wirklich krank ist, dann muß dem Übel an die Wurzel gegangen werden. Aber es darf niemand beiseite stehen und selbstgerecht glauben, man brauche nichts mehr zu lernen. Nur wenn die Alen mit gutem Beispiel vorangehen, sei es als Lehrer, sei es als Mitschüler, dann werden wir Jüngeren die Gewissheit haben, dass alle in den Redaktionen tätigen Genossen die hohe Bedeutung einer guten Parteipresse für die Arbeiterbewegung zu würdigen wissen.

Mitteilungen des Vereins Arbeiterpresse, Nr. 119, Berlin, 3.Dezember 1913, XIV. Jahrgang