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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
Online-Suppl. Erweiterung des Berichtszeitraums von Mitte 1977 bis zur Jetztzeit / Autor: Dieter Schuster.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2003 ff

Stichtag:
13. Okt. 1977

Bundeskanzler H. Schmidt berichtet bei einer Sitzung des SPD-Parteivorstandes über die aktuelle innen- und außenpolitische Lage. Dabei geht er zunächst auf das Thema Terrorismus und innere Sicherheit ein. Er unterstreicht die zwingende Notwendigkeit der schnellen Verabschiedung des Kontaktsperregesetzes, die sich im Zusammenhang mit der Entführung des Arbeitgeber-Präsidenten H. M. Schleyer ergeben hat. Die weiteren Gesetzgebungsmaßnahmen im Bereich der inneren Sicherheit sollen mit Sorgfalt und in ruhiger Abwägung erfolgen, erklärt der Bundeskanzler. Leider müsse befürchtet werden, dass die Vermeidung von Emotionen ein frommer Wunsch bleibe; denn die Reden des CDU-Vorsitzenden H. Kohl und des CSU-Vorsitzenden F.-J. Strauß wie auch die jetzt vorgelegte sogenannte „Dokumentation„ des CDU-Generalsekretärs Heiner Geißler seien bedrückende Signale für die Fortführung einer Aufheizungsstrategie. Die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsparteien würden sich weiterhin in Selbstdisziplin der Pflicht stellen, alle Möglichkeiten zur wirksamen Bekämpfung des Terrorismus zu prüfen und auszuschöpfen.

Besorgnis äußert der Bundeskanzler über die zunehmende Rauhheit des sozialen Klimas. Die Entführung H. M. Schleyers erweise sich leider auch als Hemmnis für eine Geste der Arbeitgeberseite bei der Verfassungsklage in Sachen Mitbestimmung. Er appeliert an die Sozialpartner, sich bewusst zu bleiben oder zu machen, dass eine Verschärfung der klassenpolitischen Auseinandersetzung niemandem nützen, wohl aber „unsere bisherigen Erfolge bei der Bewältigung weltwirtschaftlicher Schwierigkeiten infrage stellen könne„.

In einer Analyse der weltwirtschaftlichen Lage stellt Bundesfinanzminister H. Apel vor dem Parteivorstand fest, dass sich das Wirtschaftswachstum in fast allen Industrieländern der westlichen Welt im 2. Quartal 1977 gegenüber den Erwartungen verlangsamt habe. Die Ursachen dafür lägen vielfach im binnenwirtschaftlichen Bereich. Insgesamt sei dadurch aber auch der Welthandel getroffen worden, dessen Wachstum wesentlich hinter den Prognosen zurückgeblieben sei.

Für die den zum Jahreswechsel erwarteten Daten nicht entsprechenden Entwicklungen der deutschen Wirtschaft nennt H. Apel vier Gründe: die Schwäche des Welthandels; offenkundig gewordene Investitionshemmnisse im öffentlichen Bereich, wo ein geschätztes Auftragsvolumen von 10 Milliarden nicht realisierbar sei; die unzureichende private Investitionsneigung und eine deflatorische Lücke in den öffentlichen Haushalten, hier vor allem bei den Ländern und Gemeinden, die zu lange auf expansive Maßnahmen verzichtet hätten.

Die Aussichten für 1978 beurteilt der Bundesfinanzminister mit vorsichtigem Optimismus. Als Gründe für diese Auffassung nennt H. Apel : die voraussichtliche Belebung des Welthandels; die eher noch fallende Zinstendenz; die Maßnahmen des Bundes, zumal auch im steuerlichen Bereich.

Der SPD-Parteivorstand äußert sich empört zu der von der CDU vorgelegten sogenannten „Dokumentation„. Als besonders beschämendes Beispiel einer verantwortungslosen Polemik bezeichnet W. Brandt mit Zustimmung des Vorstandes die in Pressemeldungen wiedergegebene Aufforderung des Staatssekretärs im baden-württembergischen Staatsministerium, Gerhard Mayer-Vorfelder , an den Schriftsteller und Nobel-Preisträger Heinrich Böll , „das Land zu verlassen„. Diese beschämende Äußerung lasse jedes Maß an Toleranz vermissen. Der Parteivorstand der SPD fordert alle Sozialdemokraten auf, sich nicht an den Aktivitäten des sogenannten Russell-Tribunals zu beteiligen und es nicht zu unterstützen, keine Unterschriften zu leisten oder geleistete Unterschriften zurückzuziehen und das auch bekannt zugeben. Die Mitglieder der SPD seien insbesondere aufgefordert, nicht als Zeugen vor dem Russell-Tribunal zu erscheinen.

Palästinenser entführen eine Lufthansa-Maschine auf dem Rückflug von Mallorca, um deutsche und türkische Terroristen freizupressen.


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