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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
Online-Suppl. Erweiterung des Berichtszeitraums von Mitte 1977 bis zur Jetztzeit / Autor: Dieter Schuster.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2003 ff

Stichtag:
5. Okt. 1979

In der gleichen Sitzung fassen diese Gremien einen Beschluss zur Situation der Bundeswehr, speziell zur inneren Führung und zur Ausbildungssituation: „Drei sozialdemokratische Verteidigungsminister haben das Gesicht der Bundeswehr seit 1969 maßgeblich geprägt. Dabei konnte angeknüpft werden an die entscheidenden und richtungsweisenden Beiträge deutscher Sozialdemokraten bei der Planung, der verfassungsrechtlichen Verankerung und dem Aufbau der Bundeswehr als eines auf Friedenssicherung festgelegten politischen Instruments.

Das Grundgesetz begrenzt den Einsatz der Bundeswehr auf Verteidigung und Friedenssicherung, Der Ausbildungs- und Bildungsprozess in den Streitkräften steht unter diesem Zeichen.

Innere Führung erkennt den Menschen als eigenständige Größe an und sieht seine Leistung nicht im Funktionalen verengt. Die Berücksichtigung dieser politischen, sozialen wie individuellen Aspekte legitimiert die Führung und motiviert die Geführten zu gewissenhafter Ausübung ihrer Funktion. Kooperativer Führungsstil und Delegation von Verantwortung sind zentrale Forderungen der Inneren Führung. Sie werden getragen vom Vertrauen in den Leistungswillen der Untergebenen und ihrer Mündigkeit als Staatsbürger in Uniform. Die Innere Führung überzeugt nur vom Wert der freiheitlich demokratischen Ordnung, wenn ihre Grundsätze im militärischen Alltag praktiziert werden. Die Verwirklichung der Inneren Führung und ihre Fortentwicklung bedarf der intensiven Steuerung durch die politischen Instanzen. Die Ausbildungsgänge für Offiziere und Unteroffiziere müssen der Konzeption der Inneren Führung entsprechen. Sie bedürfen deshalb einer Überprüfung hinsichtlich der Ausbildungsziele und -methoden. Die begonnene Reorganisation der Schule für Innere Führung ist voranzutreiben. Der Anteil der politischen Bildung der Vorgesetzten ist nach Inhalt und Umfang klar zu beschreiben und verbindlich vorzugeben.

Mitbeteiligung, Mitwirkung in den Streitkräften sowie Mitbestimmung in der Bundeswehr müssen, wie in den Parteitagsbeschlüssen von 1975 und 1977 vorgesehen, ausgebaut werden. Dem Vertrauensmann als Bindeglied zwischen Soldaten und Disziplinarvorgesetzten sind mehr Kompetenzen zu geben. Der zunehmenden Verengung der Inneren Führung durch ihre technokratische Auslegung sowie durch übertriebene Zentralisierung und Bürokratisierung ist entgegenzutreten. Den Vorgesetzten und Untergebenen auf allen Ebenen der Hierarchie ist durch Dezentralisierung und Delegation der Funktionen und Befugnisse wieder jener Handlungs- und Entscheidungsspielraum zurückzugeben, der eine intensivere Verwirklichung der Prinzipien der Inneren Führung ermöglicht.

Ein wichtiger Teilbereich der Inneren Führung ist die Betreuung und Fürsorge. Der Umfang der Betreuung und Fürsorge bestimmt die soziale Situation der Angehörigen der Bundeswehr und bildet die Grundlage zur Verwirklichung des Gedankengutes der Inneren Führung. Solange auf diesem Gebiet berechtigte Unzufriedenheit herrscht, sind notwendige Voraussetzungen für eine zeitgemäße Menschenführung nicht vorhanden.

Das Ausbildungssystem der Streitkräfte muss weiter entwickelt werden und die voraussehbaren gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen berücksichtigen. Man kann die Reform des Bildungssystems der Bundeswehr heute als eines der bedeutenden Reformvorhaben der Bundesregierung einstufen. Für uns haben deshalb die Grundsätze und die Ziele der Neuordnung nach wie vor Bestand.

Zur Tradition fordert die SPD: Die Bundeswehr kann und soll sich vor allem auf ihre eigene Tradition als einer der Friedenserhaltung und der Demokratie verpflichteten Armee stützen. Werte ohne Bezug zum demokratischen Staat und seiner Wertordnung sind nicht traditionswürdig. Verhaltensweisen, wie z.B. Tapferkeit, Pflichterfüllung, Opferbereitschaft oder Selbstlosigkeit, müssen an die Normen unserer freiheitlichen Ordnung gebunden sein. Die Benennung von Kasernen, Geschwadern und Schiffen bedarf der kritischen Überprüfung, nichttraditionswürdige Namen und Symbole sind nach und nach durch traditionswürdige zu ersetzen.„

Auf der Abschlusskundgebung der SPD zu den Bürgerschaftswahlen geht Bundeskanzler H. Schmidt auf die gegenwärtige Wirtschaftslage ein. Im September habe es die wenigsten Arbeitslosen seit fünf Jahren in der Bundesrepublik gegeben. Die Krise in der Bundesrepublik sei überwunden, falls nicht abermals eine Ölkrise eintrete. Das Arbeitslosenproblem ist nach den Worten des Kanzlers zur Zeit strukturell und nicht konjunkturell bedingt. Selbst Werften suchten zur Zeit wieder Facharbeiter. Und dann appelliert H. Schmidt an Unternehmer und Betriebsräte, gleichermaßen bei der Besetzung von freien Stellen an alle Altersgruppen zu denken: „Ein 58-jähriger hat das gleiche Recht auf Arbeit wie ein 28-jähriger.„ H. Schmidt räumt ein, dass ihm der Preisauftrieb Sorgen bereite. Die Preisentwicklung habe nicht nur ihre Ursache in der 100-prozentigen Verteuerung des Heizöls. So müsse für ein Drittel aller importierten Güter 15 Prozent mehr bezahlt werden. Nach den Worten des Kanzlers sind aber auch die realen Nettoeinkommen deutlich gestiegen. Mit Schweden und der Schweiz nehme die Bundesrepublik die Spitzenstellung in der Welt ein. Für H. Schmidt liegt der Grund für diese Tatsache nicht daran, dass die Deutschen etwa tüchtiger und fleißiger sind als andere Menschen auf dieser Welt. Der wichtigste Grund sei die Gründung der Einheitsgewerkschaft gewesen, die ohne ,Abschlachten der Kuh’ für die arbeitenden Menschen sorge. Schon deshalb müsse man eindringlich vor den Versuchen warnen, diese einheitliche Gewerkschaftsbewegung zu zerstören.


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