Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
Auf dem Bundeskongreß der Jungsozialisten in Oberhausen wird über die Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus (Stamokap), die von einem Teil der Jungsozialisten vertreten wird, lebhaft diskutiert.
3. Nach dem Zweiten Weltkrieg. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1978.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001
Stichtag:
26./27. Febr. 1972
Zur sozialistischen Strategie im Bildungsbereich beschließt der Kongreß ein umfangreiches Programm. Die Strategie von Sozialisten im Schulbereich ist mit dem Begriff der Demokratisierung genauer zu bestimmen. Demokratisierung des Bildungswesens heißt, die für die Kinder der Mehrheit des Volkes bestehenden Zugangsschranken zu den Bildungsinstitutionen einzureißen. Sozialistische Arbeit im Schulbereich muß als ein Teil einer übergreifenden Strategie antikapitalistischer Strukturreformen verstanden werden. Sie ist politisch wichtig, weil die Schule als ein entscheidendes Instrument zur Reproduktion des kapitalistischen Systems verwendet wird.
Der Bundeskongreß fordert die sozialdemokratischen Kultusminister und die Bundestagsfraktion der SPD auf, sich entschieden jeder weiteren Entdemokratisierung des Hochschulrahmengesetzes zu widersetzen und endlich sozialdemokratische Zielvorstellungen im Bildungswesen durchzusetzen und vor der Öffentlichkeit sichtbar zu machen.
Der Parteivorstand der SPD soll die Diskussion mit dem SHB wieder aufnehmen sowie die finanzielle Unterstützung wieder herstellen.
Ziel des eigenständigen Juso-Wahlkampfes muß es sein: die SPD muß die absolute Mehrheit gewinnen oder mindestens mit der FDP weiterregieren können; die SPD kann die Mehrheit nicht durch Zugeständnisse an die Rechtskräfte erhalten, indem sie sich als systemerhaltende Kraft ausweist, sondern nur durch eine offensive Vertretung der Interessen der arbeitenden Bevölkerung. Die Jungsozialisten und andere Linke innerhalb der Partei müssen in der Vorbereitung und während des Wahlkampfes dafür sorgen, daß die SPD-Führung die Illusion über Gemeinsamkeiten mit der CDU/CSU aufgibt und daß die Partei eine klare Alternative zur CDU/CSU bietet.
Die Jungsozialisten werden das Eintreten für konkrete Tagesforderungen mit dem Kampf um weitergehende Ziele (Vergesellschaftung der Schlüsselindustrien, der Banken und Versicherungen, der Kommunalisierung von Grund und Boden) und der Perspektive der sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft (Vergesellschaftung der Produktionsmittel, demokratische Planung und Ausübung der Staatsmacht durch die arbeitende Bevölkerung) verbinden.
Die Jungsozialisten werden sich bei der Aufstellung der Kandidaten zur Bundestagswahl dafür einsetzen, daß nur solche Sozialdemokraten aufgestellt werden, von denen die uneingeschränkte Unterstützung einer konsequenten Reformpolitik im Sinne des demokratischen Sozialismus erwartet werden kann.
Die Jungsozialisten fordern alle Parteigliederungen und die vom Parteivorstand eingesetzte Kommission auf, bei ihren Diskussionen und Entwürfen einer längerfristigen Politik nicht den Sozialismus als Ziel aus dem Auge zu verlieren.
Die SPD und alle von ihr geführten Landesregierungen sollen den grundgesetzwidrigen Maßregelungen, wie sie im Ministerpräsidentenerlaß verfügt wurden, entgegentreten.
Die Bundesregierung soll die Wünsche der Regierung Chiles im Hinblick auf bilaterale und multilaterale Umschuldung von Entwicklungskrediten unterstützen. Eventuellen Erpressungsmanövern der Regierung der Vereinigten Staaten ist zu widerstehen.
W. Roth wird als Nachfolger von K. Voigt zum Bundesvorsitzenden gewählt. Ein gegen ihn noch schwebendes Parteiausschlußverfahren, wegen Verstoßes gegen einen Abgrenzungsbeschluß des Parteivorstandes der SPD, wird in eine Rüge umgewandelt.