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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
3. Nach dem Zweiten Weltkrieg. 2., neu bearb. und erw. Aufl. 1978.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
19. März 1970

In Erfurt findet die erste Begegnung zwischen Bundeskanzler W. Brandt und dem Vorsitzenden des Ministerrates der DDR, W. Stoph, statt.
Bei seiner Ankunft wird W. Brandt von der Bevölkerung herzlich begrüßt. W. Stoph stellt für die Normalisierung der beiderseitigen Beziehungen u.a. folgende Forderungen auf: Herstellung normaler gleichberechtigter Beziehungen zwischen der DDR und der BRD auf der Grundlage des Völkerrechts; Gewaltverzicht zwischen der DDR und der BRD, der ihre territoriale Integrität und die Unantastbarkeit ihrer bestehenden Staatsgrenzen anerkennt; Beantragung der Mitgliedschaft der DDR und der BRD in den Organisationen der Vereinten Nationen und Begleichung aller Schulden der BRD gegenüber der DDR.
Bundeskanzler W. Brandt erwidert darauf, daß wir allenfalls am Anfang eines langen und mühseligen Weges stehen, aber es könnte sich aus den Darlegungen der verschiedenen Standpunkte doch ergeben, daß wir trotz allem, was war, und trotz allem, was uns trennt, bereit sind, uns auf diesen Weg zu begeben. Dabei gehe er aus von der fortdauernden und lebendigen Wirklichkeit einer deutschen Nation. Die starken Bande der gemeinsam erlebten und gemeinsam zu verantwortenden Geschichte, der keiner entfliehen kann, die Bande der Familie, der Sprache, der Kultur und all jener Unwägbarkeiten, die uns Zusammengehörigkeit fühlen lassen, sind eine Realität. Eine Politik, die versuchen würde, dieses Fundament nationaler Existenz zu leugnen oder zu mißachten, wäre zum Scheitern verurteilt. Es sei unbestreitbar, daß es zwischen den Bewohnern beider deutscher Staaten Beziehungen besonderer Art gebe, wie sie zwischen den Bewohnern sonstiger, auch miteinander befreundeter oder verbündeter Staaten nicht bestünden.
W. Brandt betont außerdem, daß für die Verhandlungen zwischen beiden Regierungen die Grundsätze gelten sollten, die er am 22. Januar 1970 W. Stoph mitgeteilt habe. Dies waren: Für beide Staaten gilt die Verpflichtung zur Wahrung der Einheit der deutschen Nation. Sie sind für einander nicht Ausland. Beide Seiten bekennen sich zu den allgemein anerkannten Prinzipien des zwischenstaatlichen Rechts, insbesondere der Respektierung der territorialen Integrität, der Verpflichtung zur friedlichen Lösung aller Streitfragen und zur Respektierung der beiderseitigen Grenzen. Die Bemühungen der Vier Mächte, Vereinbarungen über eine Verbesserung der Lage in und um Berlin zu treffen, sind zu unterstützen.
W. Stoph nimmt eine Einladung zu einem weiteren Gespräch in Kassel an.



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net edition fes-library | Juni 2001