Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
2. Vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 3., unveränd. Aufl. 1980.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag: 15. April 1932

Die Bundesleitung des Reichsbanners erklärt in einem Rundschreiben an ihre Gauvorstände, daß durch die Auflösung der nationalsozialistischen Parteiarmee die Notwendigkeit fortfalle, weiter in Bereitschaft zu bleiben. Die Bundesleitung ordnet demgemäß an, daß alle außerordentlichen Schutzmaßnahmen aufzuheben sind und die besonderen Funktionen aufhören, die der »Schutzformation« (Schufo) und den Sonderformationen übertragen wurden. Das Auftreten des Reichsbanners müsse wie bisher unmißverständlich zum Ausdruck bringen, daß es sich dem Staatswillen einordne und die Staatsautorität stärke und stütze.

Der neu gewählte Vorsitzende der Vereinigung deutscher Arbeitgeberverbände, C. Köttgen, wendet sich gegen Fehlgriffe in der Sozialpolitik. Von dem heute noch etwa 50 Milliarden betragenden Volkseinkommen beanspruche der Staat mit über 26 Milliarden mehr als die Hälfte; davon seien 81/2 Milliarden - gegen 2 Milliarden im Jahre 1913 - für die soziale Fürsorge notwendig. Die Aufteilung des Restes zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern geschehe durch staatliche Lohnfestsetzung. Für eine ausreichende Kapitalbildung der Wirtschaft bleibe seit 14 Jahren kein Raum. Der Kampf gegen diese Bindungen durch den Staat sei eine der wichtigsten Aufgaben deutscher Sozialpolitik und deutscher Unternehmerorganisationen. Die deutschen Unternehmer seien nicht gegen Tarifverträge und Koalitionsfreiheit. Sie wünschten aber, daß sich der Staat auf vermittelnde Hilfeleistung beschränke. Die Beseitigung der Verbindlichkeitserklärung sei deshalb ein Hauptziel der Vereinigung. Ebenso müßten neue Eingriffe des Staates in die Arbeitszeit abgelehnt werden.