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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
2. Vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 3., unveränd. Aufl. 1980.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
Ende Nov. 1924

ADGB, AfA-Bund und der Gewerkschaftsring deutscher Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenverbände protestieren gegen den Versuch des Reichsverbandes der Deutschen Industrie und der Vereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände, ihre Preis- und Lohnpolitik zu rechtfertigen.
Die Arbeitgeber hatten sich gegen jede internationale Bindung auf dem Gebiet der Arbeitszeit gewandt und durchgreifende Erleichterungen der die Unternehmungen unmittelbar treffenden Steuern und Verkehrstarife, die restlose Wiederherstellung der Vorkriegsarbeitszeit und Verhinderung jeder Lohnsteigerung als Voraussetzungen für ihr Mitwirken am Preisabbau gefordert.
»Die Arbeitgeber haben sich während der Inflation der Steuerleistung entzogen, indem sie die Steuern in völlig entwertetem Gelde zahlten. Den größten Teil der Steuern trugen die Arbeitnehmer mit der Lohnsteuer. Die Arbeitgeber verstanden auch bei der Sanierung der Währung sich frühzeitig schadlos zu halten, indem sie durch hohe Goldpreise den Konsum in ungeheuerlichster Weise belasteten, durch Massenentlassungen die Arbeiter und Angestellten der Arbeitslosigkeit überlieferten, die Arbeitszeit verlängerten und die Löhne herabsetzten, ohne daß dadurch eine Senkung des Preisniveaus eintrat. Die Kaufkraft der Löhne hat sich beständig verringert. Mit Nachdruck wenden sich die Gewerkschaften gegen die Behauptung der Industrie, daß eine Verkürzung der Arbeitszeit und ein Hinauftreiben der Löhne an der Verteuerung der Produktion schuld seien. Das Gegenteil davon ist erwiesen. Die Löhne sind weit unter Friedensstand herabgesetzt, ohne daß eine wirkliche Preissenkung eingetreten wäre.
Die Gewerkschaften verlangen eine Arbeitszeit, die ohne dauernden Nachteil für die Gesundheit geleistet werden kann, einen Lohn, der den deutschen Arbeiter nicht tief unter den Stand aller Produktionsländer herabdrückt, sondern ausreichend ist für die Erneuerung der körperlichen, geistigen und gesellschaftlichen Lebensbedingungen. Insbesondere ist die Aufrechterhaltung der Zwölfstundenschichten in der Schwerindustrie, in denen die Arbeiter unter hohen Temperaturen, Dünsten, Dämpfen oder chemischen Einflüssen leiden, unverträglich mit den Vorbedingungen einer gesunden Wirtschaft, die nicht zuletzt auf einer gesunden und arbeitsfreudigen Arbeiterschaft beruhen. Die sofortige Einführung des Dreischichtenbetriebes in diesen Industrien halten die Gewerkschaften auf das dringendste geboten. Im übrigen haben die deutschen Arbeiter ein gesetzliches Recht auf den Achtstundentag. Auch das Washingtoner Abkommen hat der Arbeiterschaft dieses Recht zuerkannt. Die deutschen Gewerkschaften verlangen daher, daß die Reichsregierung ihre wiederholt angekündigte Absicht, dieses Abkommen zu ratifizieren, ausführt.
Die Gewerkschaften sind sich völlig einig, Deutschland wirtschaftlich stark zu machen und es sobald als möglich von den ihm auferlegten Lasten zu befreien.«



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net edition fes-library | Juni 2001