DIGITALE BIBLIOTHEK DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG

DEKORATION DIGITALE BIBLIOTHEK DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG DEKORATION


TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
2. Vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 3., unveränd. Aufl. 1980.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
12. Okt. 1923

ADGB, AfA-Bund und ADB stellen in einem Aufruf u. a. fest: »Die Errungenschaften, die sich die Arbeitnehmer bisher erkämpft haben, verdanken sie ihren Organisationen, die diese Rechte den Unternehmern in zähem Ringen Stück für Stück abgetrotzt haben. Bei allen Gesetzen und Verordnungen, die das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer bei der Regelung ihrer Arbeitsbedingungen erweiterten und den Grund zu einer Demokratisierung der Wirtschaft legten, sind die Gewerkschaften und die Arbeiterparteien auf den erbitterten Widerstand der Unternehmer gestoßen.
Jetzt zeigen diese mächtigsten und einflußreichsten Unternehmer durch ihr Auftreten erneut, daß sie den Geist der neuen Zeit nicht erfaßt haben. Sie wollen Herr im Hause sein, wie sie es vor dem Kriege waren. Sie wollen die Wirtschaft ausschließlich nach eigenem Ermessen führen, ohne dem Staat, der Volksgemeinschaft, Rechenschaft schuldig zu sein über ihr Tun und Lassen. Die menschliche Arbeitskraft soll keine andere Geltung haben dürfen wie die anderen Elemente der Produktionskosten.
Die Arbeitskraft ist das einzige Kapital der Arbeitnehmer. Sie müssen deshalb darauf bestehen, durch ihre eigenen Organisationen, durch die Gewerkschaften, mitzubestimmen, für welche Zeit und um welchen Preis sie dieses Kapital in den Dienst der Wirtschaft stellen. Nur dann werden sie es mit ganzem Herzen tun, wenn die Wirtschaft nicht ausschließlich zum Zwecke der Bereicherung und Machterweiterung bevorrechteter Gruppen betrieben wird, sondern zum Nutzen und im Interesse der Volksgemeinschaft.
Der katastrophale Währungsverfall, der nicht zum wenigsten durch die Schuld der führenden Wirtschaftskreise herbeigeführt worden ist, hat auch die Finanzkraft der Gewerkschaften geschwächt. Deshalb glauben diese Unternehmerkreise, daß sie nun mühelos den Widerstand der Gewerkschaften abtun könnten; sie geben sich der Täuschung hin, daß die Kraft des werktätigen Volkes gebrochen und die Stunde gekommen sei, sich über die verbürgten Rechte der Arbeitnehmer hinwegzusetzen.
Aber sie haben die Rechnung ohne die Arbeitnehmerschaft gemacht. So stehen die Dinge in Deutschland nicht, daß eine Handvoll Grubenbarone sich erdreisten dürfte, den Bergarbeitern willkürlich die Bedingungen zu diktieren, unter denen sie arbeiten sollen. Die Bergarbeiter sind gewillt, Überstunden zu leisten, wenn das Lebensinteresse der Nation es erheischt.
In ihrer Verblendung haben die Vorkämpfer der wirtschaftlichen und politischen Reaktion selbst die Parole unter die Massen geworfen, die sie zu einer festeren Einheit zusammenschmieden wird als je zuvor. Um das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer in Staat und Wirtschaft gibt es kein Markten, kein Feilschen. Dieses Grundrecht der Arbeit, diese Anfangserrungenschaften ihrer Freiheit wird sich die Arbeitnehmerschaft nicht entreißen lassen.
Die Gewerkschaften sind bereit zu diesem Kampf. Sie wissen, daß sie die gesamte Arbeitnehmerschaft, ohne Unterschied der Partei, hinter sich haben.
Die Feinde der Arbeiterbewegung seien gewarnt. Die Gewerkschaften werden nicht zögern, die ganze Macht der vereinigten Arbeitnehmerschaft aufzubieten, um jeden Versuch zu vereiteln, auf dem Wege des politischen Umsturzes und der wirtschaftlichen Diktatur die alten Herrenrechte wieder in Kraft zu setzen, die das deutsche Proletariat in unvergeßlichen Kämpfen ein für allemal beseitigt hat.«



Vorhergehender StichtagInhaltsverzeichnisFolgender Stichtag


net edition fes-library | Juni 2001