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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
2. Vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 3., unveränd. Aufl. 1980.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
12. Nov. 1918

Die Volksbeauftragten veröffentlichen folgende Erklärung:
»An das deutsche Volk! Die aus der Revolution hervorgegangene Regierung, deren Leitung rein sozialistisch ist, setzt sich die Aufgabe, das sozialistische Programm zu verwirklichen. Sie verkündet schon jetzt mit Gesetzeskraft:
1. Der Belagerungszustand ist aufgehoben.
2. Das Vereins- und Versammlungsrecht unterliegt keiner Beschränkung, auch nicht für Beamte und Staatsarbeiter.
3. Eine Zensur findet nicht statt. Die Theaterzensur wird aufgehoben.
4. Die Meinungsäußerung in Wort und Schrift ist frei.
5. Die Freiheit der Religion wird gewährleistet. Niemand darf zu einer religiösen Handlung gezwungen werden.
6. Für alle politischen Straftaten wird Amnestie gewährt. Die wegen solcher Straftaten anhängigen Verfahren werden niedergeschlagen.
7. Das Gesetz über den Vaterländischen Hilfsdienst wird aufgehoben, mit Ausnahme der sich auf die Schlichtung von Streitigkeiten beziehenden Bestimmungen.
8. Die Gesindeordnungen werden außer Kraft gesetzt, ebenso die Ausnahmegesetze gegen die Landarbeiter.
9. Die bei Beginn des Krieges aufgehobenen Arbeiterschutzbestimmungen werden hiermit wieder in Kraft gesetzt. Weitere sozialpolitische Verordnungen werden binnen kurzem veröffentlicht werden. Spätestens am 1. Januar 1919 wird der achtstündige Normalarbeitstag in Kraft treten.
Die Regierung wird alles tun, um für ausreichende Arbeitsgelegenheit zu sorgen. Eine Verordnung über die Unterstützung von Erwerbslosen ist fertiggestellt. Sie verteilt die Lasten auf Reich, Staat und Gemeinde. Auf dem Gebiet der Krankenversicherung wird die Versicherungspflicht über die bisherige Grenze von 2500 Mark ausgedehnt werden. Die Wohnungsnot wird durch Bereitstellung von Wohnungen bekämpft werden. Auf die Sicherung einer geregelten Volksernährung wird hingearbeitet werden. Die Regierung wird die geordnete Produktion aufrechterhalten, das Eigentum gegen Eingriffe Privater sowie die Freiheit und Sicherheit der Person schützen.
Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, direkten, allgemeinen Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen. Auch für die konstituierende Versammlung, über die nähere Bestimmungen noch erfolgen werden, gilt dieses Wahlrecht.«
Die Landbevölkerung wird vom Rat der Volksbeauftragten aufgerufen, freiwillige Bauernräte zu bilden, um die Volksernährung, Ruhe und Ordnung sowie die ungehinderte Fortrührung der ländlichen Betriebe zu gewährleisten.
An die Oberste Heeresleitung richtet der Rat der Volksbeauftragten ein Telegramm, in dem unter anderem angeordnet wird, daß die Soldatenräte beratende Stimme zur Aufrechterhaltung des Vertrauens zwischen Offizieren und Mannschaften, in Fragen der Verpflegung, des Urlaubs und der Verhängung von Disziplinarstrafen haben. Ihre oberste Pflicht sei es, auf die Verhinderung von Unruhen und Meuterei hinzuwirken. Für Offiziere, Beamte und Mannschaften wird gleiche Verpflegung verlangt. Das Vorgesetztenverhältnis bleibt bestehen, unbedingter Gehorsam im Dienst sei von entscheidender Bedeutung für das Gelingen der Zurückführung in die deutsche Heimat. Militärische Disziplin und Ordnung im Heere müßten unter allen Umständen aufrechterhalten bleiben. Gegen Angehörige des eigenen Volkes sei nur in der Notwehr oder zur Verhinderung von Plünderungen von der Waffe Gebrauch zu machen.

In einem Aufruf erklärt der Vorstand der USPD, daß an die Stelle der Monarchie die sozialistische Republik getreten, der alte Machtapparat zerschlagen und die Arbeiter- und Soldatenräte Träger der Gewalt seien. Die Gewähr für die Sicherung und den Ausbau der Ergebnisse der Revolution gebe die sozialistische Regierung, in der SPD und USPD zu gleichen Teilen vertreten sind.

Verteilung der Arbeitsgebiete im Rat der Volksbeauftragten: F. Ebert: Inneres und Militär; H. Haase: Äußeres und Kolonien; Ph. Scheidemann: Finanzen; W. Dittmann: Demobilisierung, öffentliche Rechts- und Gesundheitspflege; O. Landsberg: Presse und Nachrichtendienst; E. Barth: Sozialpolitik. Eine Woche später tauschen Ph. Scheidemann und O. Landsberg ihre Zuständigkeiten.

Österreich erklärt sich als Teil der deutschen Republik. Die späteren Friedensverträge untersagen den Anschluß, für den vor allem die österreichische Sozialdemokratie eintritt.


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net edition fes-library | Juni 2001