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TITEL/INHALT

Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. - [Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
2. Vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 3., unveränd. Aufl. 1980.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

Stichtag:
20. März 1920

Die Gewerkschaftsvertreter und die von der Reichsregierung und den Parteien bevollmächtigten Vertreter einigen sich auf folgendes Programm:
»1. Die anwesenden Vertreter der Regierungsparteien werden bei ihren Fraktionen dafür eintreten, daß bei der bevorstehenden Neubildung der Regierungen im Reich und in Preußen die Personenfrage von den Parteien nach Verständigung mit den am Generalstreik beteiligten gewerkschaftlichen Organisationen der Arbeiter, Angestellten und Beamten gelöst und daß diesen Organisationen ein entscheidender Einfluß auf die Neuregelung der wirtschafts- und sozialpolitischen Gesetze eingeräumt wird, unter Wahrung der Rechte der Volksvertretung.
2. Sofortige Entwaffnung und Bestrafung aller am Putsch oder am Sturz der verfassungsmäßigen Regierungen Schuldigen sowie der Beamten, die sich ungesetzlichen Regierungen zur Verfügung gestellt haben.
3. Gründliche Reinigung der gesamten öffentlichen Verwaltungen und Betriebsverwaltungen von gegenrevolutionären Persönlichkeiten, besonders solchen in leitenden Stellen und ihren Ersatz durch zuverlässige Kräfte. Wiedereinstellung aller in öffentlichen Diensten aus politischen und gewerkschaftlichen Gründen gemaßregelten Organisationsvertreter.
4. Schnellste Durchführung der Verwaltungsreform auf demokratischer Grundlage unter Mitbestimmung auch der wirtschaftlichen Organisationen der Arbeiter, Angestellten und Beamten.
5. Sofortiger Ausbau der bestehenden und Schaffung neuer Sozialgesetze, die den Arbeitern, Angestellten und Beamten volle soziale und wirtschaftliche Gleichberechtigung gewährleisten. Schleunige Einführung eines freiheitlichen Beamtenrechts.
6. Sofortige Inangriffnahme der Sozialisierung der dazu reifen Wirtschaftszweige unter Zugrundelegung der Beschlüsse der Sozialisierungskommission, zu der Vertreter der Berufsverbände hinzuzuziehen sind. Die Einberufung der Sozialisierungskommission erfolgt sofort. Übernahme des Kohlen- und des Kalisyndikats durch das Reich.
7. Auflösung aller der Verfassung nicht treugebliebenen, konterrevolutionären militärischen Formationen und ihre Ersetzung durch Formationen aus den Kreisen der zuverlässigen republikanischen Bevölkerung, insbesondere der organisierten Arbeiter, Angestellten und Beamten, ohne Zurücksetzung irgendeines Standes. Bei dieser Reorganisation bleiben erworbene Rechtsansprüche treugebliebener Truppen und Sicherheitswehren unangetastet.
8. Wirksame Erfassung, gegebenenfalls Enteignung, der verfügbaren Lebensmittel und verstärkte Bekämpfung des Wuchers und Schiebertums in Stadt und Land. Sicherung der Erfüllung der Ablieferungsverpflichtung durch Gründung von Lieferungsverbänden und Verhängung fühlbarer Strafen bei böswilliger Verletzung der Verpflichtung.«
Ferner erklärten sich die Vertreter der Regierungsparteien bereit, in ihren Fraktionen auf unverzügliche Freilassung der sich in Schutzhaft befindenden Personen zu dringen.
Während der Verhandlungen über das Programm wird mitgeteilt, daß die Minister G. Noske und W. Heine ihren Rücktritt eingereicht hätten.
Die Vertreterkonferenz der gewerkschaftlichen Organisationen erklärt, daß sie vom Verhandlungsergebnis »zwar nicht restlos befriedigt ist, ihm aber gleichwohl zustimmt und hiermit den Generalstreik mit dem heutigen Tag für beendet erklärt«.
Die Vertreter der USPD erklären sich zur Unterzeichnung der Vereinbarung für noch nicht befugt.



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net edition fes-library | Juni 2001