TITLE/CONTENTS

Teildokument:
Franz Osterroth / Dieter Schuster
Chronik der deutschen Sozialdemokratie - Band 1

Zeitraum:1908 -1913

hier finden Sie Einträge zu folgenden Daten:

1908
9., 10. und 12. Januar 1908
10. Jan. 1908
22. Jan. 1908
18. Febr. 1908
18. März 1908
8. April 1908
10. April 1908
18. April 1908
3. Mai 1908
3. und 16. Juni 1908
22./27. Juni 1908
30. Juni 1908
15. Juli 1908
20. Juli 1908
12./13. Aug. 1908
11./12. Sept. 1908
13./19. Sept. 1908
20. Okt. 1908
29. Okt. 1908
1. Nov. 1908
2. Dez.1908
Dez. 1908
1909
22. Jan. 1909
24. Jan. 1909
30. Januar 1909
10. Febr. 1909
Frühjahr 1909
5. Mai 1909
12.Juni 1909
30.Juni 1909
10. Juli 1909
14. Juli 1909
12./18. Sept. 1909

Anfang Okt. 1909
4. Okt./13. Nov. 1909
21. Okt. 1909
Ende 1909
1910
3./5. Jan. 1910
16. Jan. 1910
29. Jan. 1910
4. Febr. 1910
6. Febr. 1910
13. Febr. 1910
6. März 1910
10. April 1910
15. April 1910
18./19. April 1910
25./26. April 1910
27. Mai 1910
30. Juni 1910
2. Juli 1910
14. Juli 1910
26./27. Aug. 1910
28. Aug./3. Sept. 1910
4./5. Sept. 1910
18./24. Sept. 1910
19. Sept./8. Okt. 1910
Anf. Dez. 1910
1911
8. Jan. 1911
22. Jan. 1911
31. Jan. 1911
1. Febr. 1911
24. Febr. 1911
19. März 1911
16. April 1911
26. Mai 1911

30. Mai 1911
26. Juni/1. Juli 1911
27. Juni 1911
30. Juni 1911
4. Juli 1911
8. Juli 1911
16. Juli 1911
Juli/August 1911
8. August 1911
8. August/Anf. September 1911
8./9. Sept. 1911
10./16. Sept. 1911
Okt./Nov. 1911
9. Nov. 1911
10. Nov. 1911
Dezember 1911
5. Dez.1911
Anfang 1912
12. Jan. 1912
9. Febr. 1912
14. Febr. 1912
17. Febr. 1912
18. Febr. 1912
25. Febr. 1912
8. März 1912
11. März 1912
9. Mai 1912
22. Mai 1912
28. Mai 1912
16.Juni 1912
27.Juni 1912
30.Juni 1912
Anf. Juli 1912
1. Juli 1912

24. Aug. 1912
5. Sept. 1912
Anf. Sept. 1912
15./21. Sept. 1912
6. Okt. 1912
8. Okt. 1912/30. Mai 1913
20. Okt. 1912
17. Nov. 1912
24./25. Nov. 1912
12. Dez. 1912
17. Dez. 1912
1913
6./8. Jan. 1913
Mitte Jan. 1913
1. März 1913
März 1913
31. März 1913
5. April 1913
17. April 1913
11. Mai 1913
16. Mai 1913
Juni 1913
21. Juni 1913
21. Juni 1913
29. Juni/10. Aug. 1913
14. Juli 1913
Sommer 1913
13. August 1913
24. Aug. 1913
Sept. 1913
14./20. Sept. 1913
8. Okt. 1913
19. Nov./ Mitte Dez. 1913
18. Dez. 1913
27. Dez. 1913



1908 -1913

1908

In Ergänzung zur »Internationalen Bibliothek« gibt der Verlag J.H.W. Dietz die »Kleine Bibliothek« heraus. Erste Veröffentlichungen: A. Braun: Die Tarifverträge und die deutschen Gewerkschaften; K. Kautsky: Die Klassengegensätze in der Französischen Revolution; H. Gorter: Der historische Materialismus; G. Plechanow: Die Grundprobleme des Marxismus.

9., 10. und 12. Januar 1908

In ganz Preußen finden Protestversammlungen gegen das bestehende Wahlrecht statt. In Berlin bilden sich Demonstrationszüge, an denen rund 30000 Personen beteiligt sind. Am 12. Januar kommt es dabei zu Zusammenstößen mit der Polizei, wobei ca. 30 Personen verletzt werden.

10. Jan. 1908

Bei der Beratung eines freisinnigen Antrages, das Reichstagswahlrecht auch auf Preußen zu übertragen, erklärt Reichskanzler B. v. Bülow im preußischen Landtag, daß diese Übertragung »dem Staatswohl nicht entsprechen würde.«

22. Jan. 1908

Im Reichstag wird auf Grund einer sozialdemokratischen Interpellation das preußische Dreiklassenwahlrecht behandelt.

18. Febr. 1908

Sozialdemokratische Demonstrationsversammlungen in Berlin beschließen, daß der dem Reichstag vorgelegte Gesetzentwurf eines Vereins- und Versammlungsrechts als reaktionär zu verwerfen sei.

18. März 1908

Die Beteiligung an der traditionellen Ehrung der März-Gefallenen von 1848 ist besonders stark. Erneut kommt es in Berlin zu Zusammenstößen mit der Polizei.

8. April 1908

Der Reichstag nimmt den Gesetzentwurf über das Vereins- und Versammlungsrecht mit 195 gegen 168 Stimmen der SPD u. a. an. Das Gesetz tritt am 15. Mai in Kraft. Personen unter 18 Jahren bleiben von der Mitgliedschaft an politischen Vereinen und der Teilnahme an politischen Versammlungen ausgeschlossen. Den Frauen wird gestattet, sich in politischen Vereinen zu organisieren. In öffentlichen Veranstaltungen ist nur die deutsche Sprache zugelassen. Dadurch werden die nationalen Minderheiten in ihrem Wirken eingeengt. Das neue Gesetz bringt vor allem für die süddeutschen Länder Verschlechterungen gegenüber den bisherigen Landesgesetzen.

10. April 1908

Im Wahlaufruf der SPD zu den preußischen Landtagswahlen wird die Partei aufgefordert, durch möglichst starke Wahlbeteiligung Protest zu erheben gegen ein Wahlsystem, »das eine Schande für einen Staat sei, der ein Kulturstaat sein will«.

18. April 1908

Wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt werden 15 Personen, die sich an den Straßendemonstrationen am 12. Januar beteiligt hatten, mit Gefängnis bestraft.

3. Mai 1908

Auf einer Generalversammlung in Darmstadt löst sich auf Grund des neuen Vereinsgesetzes der »Verband der jungen Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands« auf. Die Versammlung beschließt aber, durch die über 18 Jahre alten Parteigenossen die Agitationsarbeit weiterzuführen. Bei der Auflösung hat der Verband 4500 Mitglieder in 85 Ortsgruppen. Die »Junge Garde« zählt 11 000 Abonnenten.

3. und 16. Juni 1908

Für die Sozialdemokraten werden bei den preußischen Landtagswahlen über 598 000 Stimmen, das sind 23,87 %, abgegeben. Die SPD zieht zum ersten Mal in das preußische Abgeordnetenhaus ein. Ihre Vertreter sind: H. Borgmann, H. Heimann, P. Hirsch, A. Hoffmann, R. Leinert, K. Liebknecht und H. Ströbel.

Zweitstärkste Partei wird das Zentrum mit 19,91 %, drittstärkste Partei die Konservativen mit 14,15 %. Das Zentrum zieht mit 104, die Konservativen sogar mit 152 Mandaten in den neuen Landtag.

Die Wahlbeteiligung beträgt 32,84 % gegen 23,62 % 1903.

22./27. Juni 1908

6. deutscher Gewerkschaftskongreß in Hamburg. 324 Delegierte vertreten 1 888 670 organisierte Arbeiter. Tagesordnung: Die Entwicklung der sozialen Gesetzgebung in Deutschland (H. Molkenbuhr); die staatliche Unterstützung der Privatversicherung (P. Lange); die gewerbsmäßige Stellenvermittlung (H. Poetzsch); der Boykott als gewerkschaftliches Kampfmittel (0. Allmann); die Organisation zur Erziehung der Jugend (K. Schmidt). Zum ersten Mal wird die soziale Gesetzgebung in einem besonderen Referat behandelt, ein einheitliches Arbeitsrecht gefordert und ein 15 Punkte umfassendes sozialpolitisches Programm aufgestellt, darunter Arbeiterkammern, volle Koalitionsfreiheit, gesetzliche Grundlage für kollektive Arbeitsverträge, achtstündiger Arbeitstag, eine ununterbrochene Ruhepause von mindestens 36 Stunden in der Woche, durchgreifende gewerbliche Hygiene, Unfallverhütung sowie Vereinheitlichung und Ausdehnung der Arbeiterversicherung unter der Selbstverwaltung der Versicherten.

Der von der Regierung vorgelegte Entwurf von Arbeitskammern wird abgelehnt.

Der Boykott wird vom Kongreß als gewerkschaftliches Hilfsmittel bezeichnet, das die Arbeiterschaft als Konsument zur Unterstützung von Arbeitskämpfen benutzen solle.

Der Kongreß hält die Förderung der Bildungsbestrebungen der jugendlichen Arbeiter und Arbeiterinnen, insbesondere die Einführung in die politische und gewerkschaftliche Tätigkeit, für eine wichtige Aufgabe im Emanzipationskampf der Arbeiterklasse. Diese Aufgabe werde erreicht durch Veranstaltungen, die von einer Kommission aus dem Gewerkschaftskartell, der Parteiorganisation und einigen Vertretern der jugendlichen Arbeiter und Arbeiterinnen organisiert werden. Parteivorstand und Generalkommission hatten sich nach Inkrafttreten des Vereinsgesetzes auf diese Form geeinigt.

Der Kongreß stimmt dem Übereinkommen zwischen Generalkommission und Parteivorstand über den 1. Mai zu, wonach beide Organisationen gemeinsam für eine würdige Feier sorgen sollen unter Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen und beruflichen Verhältnisse. Die Unterstützungsfrage bei Aussperrungen soll indessen noch einmal überprüft werden.

Die Mitglieder der Generalkommission werden bestätigt, G. Bauer und C. Hübsch als neue Mitglieder gewählt.

30. Juni 1908

Die SPD hat 587 336 - darunter 29 458 weibliche - Mitglieder. In 53 parteieigenen Druckereien erscheinen 71 sozialdemokratische Tageszeitungen. »Die Gleichheit« hat 84 000 Abonnenten.

15. Juli 1908

Das sozialdemokratische Pressebüro nimmt seine Tätigkeit auf. Es soll der Parteipresse wichtige Nachrichten übermitteln und die »Sozialdemokratische Partei-Correspondenz« herausgeben.

20. Juli 1908

F. J. Ehrhart, geboren 6. Februar 1853 in Eschbach bei Landau, Tischler, Führer der rheinpfälzischen Sozialdemokraten (der »rote Pfalzgraf«), ab 1893 Mitglied des bayerischen Landtages, ab 1898 MdR, in Ludwigshafen gestorben.

12./13. Aug. 1908

Die bayerischen und badischen Landtagsfraktionen stimmen den Budgets zu.

11./12. Sept. 1908

5. sozialdemokratische Frauenkonferenz in Nürnberg, 74 Delegierte. Ein Organisationsstatut wird angenommen und später auch vom Parteitag gutgeheißen. Danach ist jede Parteigenossin verpflichtet, der sozialdemokratischen Parteiorganisation ihres Ortes beizutreten. Politische Sonderorganisationen der Frauen sind nicht gestattet. Die weiblichen Mitglieder sollen im Verhältnis zu ihrer Zahl im Vorstand vertreten sein, doch muß diesem mindestens eine Genossin angehören. Das Zentralbüro bleibt bestehen, dessen Vertreterin gehört dem Parteivorstand an.

Käte Duncker spricht über die »Sozialistische Erziehung im Haus«, Clara Zetkin über »Die Jugendorganisation« und unterbreitet der Konferenz Leitsätze dazu, in denen besondere Jugendorganisationen gefordert werden.

13./19. Sept. 1908

Parteitag in Nürnberg, 312 Delegierte. Tagesordnung: Maifeier (R. Fischer); Sozialpolitik und der neue Kurs (H. Molkenbuhr); die Reichsfinanzreform (F. Geyer); Budgetbewilligung (A. Bebel). Der Parteitag beschäftigt sich mit der Maifeier; der Parteivorstand wird beauftragt, über die Unterstützungsfrage noch einmal mit der Generalkommission zu verhandeln. Die Angestellten der Partei und die Parteimitglieder, die am 1. Mai feiern und keinen Lohnausfall erleiden, seien verpflichtet, einen Tagesverdienst in die Aussperrungskasse zu zahlen.

Über die Budgetbewilligung wird lebhaft diskutiert. Mit 258 gegen 119 Stimmen werden die Resolutionen von Lübeck und Dresden bestätigt: Jeder gegnerischen Regierung ist das Staatsbudget bei der Gesamtabstimmung zu verweigern, es sei denn, daß die Ablehnung die Annahme eines für die Arbeiterklasse ungünstigeren Budgets zur Folge haben würde. Zu dieser Abstimmung geben 66 süddeutsche Delegierte eine Erklärung ab, in der sie dem Parteitag die oberste Entscheidung in allen prinzipiellen und in den taktischen Angelegenheiten, die das ganze Reich berühren, zuerkennen. In allen speziellen Landesangelegenheiten sei die Landesorganisation die geeignete und zuständige Instanz, den Gang der Landespolitik selbständig zu bestimmen. Die jeweilige Entscheidung über die Budgetabstimmung müsse dem pflichtgemäßen Ermessen der ihrer Landesorganisation verantwortlichen Landtagsfraktion vorbehalten bleiben.

Der Parteitag verlangt zur Sozialpolitik die baldige Verwirklichung der in München aufgestellten Forderungen zur Arbeiterversicherung, die Schaffung eines einheitlichen Arbeiterrechts und gesetzliche Vorschriften für Wohlfahrtseinrichtungen. Er wendet sich entschieden gegen die vorgesehene Reichsfinanzreform, die nur wieder die Erhöhung und Einführung neuer indirekter Steuern vorsehe. Die Einführung einer stufenweise steigenden Reichs-Einkommen- und -Vermögenssteuer und die Reform der Erbschaftssteuer werden gefordert.

Der Parteitag empfiehlt Rekrutenabschiedsfeiern, in denen die zum Militär einberufenen Parteigenossen an ihre innere Zusammengehörigkeit erinnert und über ihre militärischen Rechte und Pflichten aufgeklärt werden sollen.

Die Ausnahmegesetze gegen die Polen, besonders das Verbot der Muttersprache in öffentlichen Versammlungen, werden abgelehnt. Dem Proletariat Deutschlands wird es zur besonderen Pflicht gemacht, mit allen in Betracht kommenden Mitteln für die Überwindung des chauvinistischen Geistes und die Sicherung des Friedens einzutreten.

Der Parteitag spricht sich - wie die Gewerkschaften - für die Bildung von Jugendausschüssen aus.

Mit den Zielen und Bestrebungen der Parteimitglieder sei es unvereinbar, Mitglied der Deutschen Turnerschaft zu sein. Der Parteitag fordert zum Austritt aus der Deutschen Turnerschaft auf und empfiehlt die Mitgliedschaft im Arbeiter-Turnerbund.

Bei 363 gültigen Stimmen werden gewählt: A. Bebel (359), P. Singer (297), A. Gerisch (357), F. Ebert (331), H. Molkenbuhr (356), H. Müller (357), W. Pfannkuch (294), Luise Zietz (224); als Kontrolleure bei 363 gültigen Stimmen: A. Kaden (275), Clara Zetkin (274), W. Bock (249), H. Koenen (244), 0. Braun (214), A. Geck (241), E. Ernst (240), F. Brühne (240), J. Timm (169).

Beisitzer bleiben W. Eberhardt und R. Wengels.

20. Okt. 1908

In der Thronrede zur Eröffnung des Preußischen Landtages wird eine organische Fortentwicklung des Wahlrechts, welche der wirtschaftlichen Entwicklung, der Ausbreitung der Bildung und des politischen Verständnisses sowie der Erstarkung staatlichen Verantwortungsgefühls entspricht, angekündigt. Wilhelm II. sieht darin »eine der wichtigsten Aufgaben der Gegenwart«.

29. Okt. 1908

Ein Interview Wilhelm II. mit dem »Daily Telegraph« wird veröffentlicht. Es löst eine heftige Staatskrise aus. Selbst von konservativer Seite wird Kritik am »persönlichen Regiment« des deutschen Kaisers geübt.

1. Nov. 1908

Die Sozialdemokratie veranstaltet in Dresden und Leipzig große Massendemonstrationen für die Übertragung des Reichstagswahlrechts auf die Landtagswahlen in Sachsen.

2. Dez.1908

Der Reichstag behandelt den von der sozialdemokratischen Fraktion eingebrachten Antrag auf Erlaß eines Ministerverantwortlichkeitsgesetzes und vom Zentrum und den Freisinnigen gestellte Anträge auf Änderung der Verfassung und der Geschäftsordnung des Reichstages. Die Beratungen verlaufen ergebnislos.

Dez. 1908

In Berlin konstituiert sich die »Zentralstelle für die arbeitende Jugend Deutschlands« unter dem Vorsitz von F. Ebert. Der Zentralstelle gehören als Vertreter der Partei, der Gewerkschaften und Jugendlichen an: H. Müller, H. Schulz, Luise Zietz, C. Legien - an seine Stelle tritt bald G. Bauer-, R. Schmidt, J. Sassenbach, Emma Ihrer, M. Peters, F. Maschke, K. Lüpnitz und Clara Roede.

1909

In den ersten Monaten des Jahres setzt eine Erholung des Wirtschaftslebens ein.

Den Konsumvereinen gehören ca. 1 450 000 Mitglieder an.

22. Jan. 1909

Die Zweite sächsische Kammer stimmt mit großer Mehrheit einem Pluralwahlrecht zu. Manche Wahlberechtigte dürfen bis zu vier Stimmen bei den Wahlen abgeben, unter anderem die mit Einkommen von mehr als 2800,- Mark Monatseinkommen.

24. Jan. 1909

In Berlin, Halle und Magdeburg wird in zahlreichen Versammlungen und mit Demonstrationszügen gegen das Dreiklassenwahlrecht protestiert. In Berlin sperrt die Polizei die Umgebung des Schlosses und die Straße »Unter den Linden« ab. Diese Demonstrationen finden am Vorabend einer zweitägigen Wahlrechtsdebatte statt, ausgelöst durch einen Antrag der Freisinnigen Partei, das Reichstagswahlrecht in Preußen einzuführen.

30. Januar 1909

Die erste Nummer von »Arbeiter-Jugend«, Organ der Zentralstelle für die arbeitende Jugend Deutschlands, unter der Redaktion von K. Korn erscheint.

10. Febr. 1909

Der »Reichsanzeiger« veröffentlicht die Ergebnisse der Berufszählung vom 12. Juni 1907. Danach entfallen 32,96 % der Erwerbstätigen auf die Landwirtschaft, 37,23 % auf die Industrie, einschließlich Bergbau und Baugewerbe, und 11,51 % auf Handel und Verkehr einschließlich Gast- und Schankwirtschaft. Bei der Zählung von 1895 lauteten die Zahlen noch 36,19 %; 36,14 %; 10,21 %; -1882 43,38 %; 33,69 % und 8,27 %. Die weiblichen Erwerbstätigen nahmen von 19,97 % auf 26,37 % zu.

Frühjahr 1909

K. Kautskys »Der Weg zur Macht« erscheint: Nächste Aufgaben des Proletariats sind die Erringung der Demokratie und der Kampf gegen Militarismus und Imperialismus. Der Parteivorstand hatte an einigen »revolutionären Formulierungen« K. Kautskys Anstoß genommen und ihn gebeten, sie abzuändern, was dieser tut.

5. Mai 1909

Pauline Staegemann, geboren 1838 im Oderbruch, Dienstmädchen, die 1873 die erste sozialdemokratische Frauenorganisation gründete, gestorben.

12.Juni 1909

In Berlin wird der Verein »Hansabund für Gewerbe, Handel und Industrie« gegründet. Sein Zweck ist es, im gemeinsamen Interesse dieser Stände alle gegen dieselben gerichteten Angriffe und Schädigungen abzuwehren, ferner positive zum Schutz dieser Stände dienende Vorschläge zu machen und auf Ausgleichung von Gegensätzen in den eigenen Reihen hinzuwirken.

30.Juni 1909

Die Zahl der Parteimitglieder beträgt 633 309, darunter 62259 weibliche.

Bis zu diesem Datum wurden nach einer Aufstellung des SPD-Vorstandes seit 1891 von deutschen Gerichten in politischen Prozessen gegen Sozialdemokraten 111 Jahre und 2 Monate Zuchthaus, 1126 Jahre, 10 Monate und 14 Tage Gefängnis, Festungshaft und einfache Strafhaft und Geldstrafen in Höhe von 482 902,- Mark verhängt.

10. Juli 1909

Der Reichstag nimmt gegen die Stimmen der Sozialdemokraten die Finanzreform an, die eine Erhöhung zahlreicher indirekter Steuern vorsieht. Die Einführung einer von den Sozialdemokraten geforderten Reichserbschaftssteuer wird abgelehnt.

14. Juli 1909

Th. v. Bethmann Hollweg wird Reichskanzler, C. v. Delbrück Staatssekretär des Innern. Bei der Beratung der Finanzreform war es zum Bruch der Liberalen mit den Konservativen gekommen. Die Konservativen verbünden sich mit dem Zentrum.

12./18. Sept. 1909

Parteitag in Leipzig, 295 Delegierte. Tagesordnung: Bericht der Kommission wegen Änderung des Organisationsstatus (F. Ebert); die Maifeier (R. Fischer); die Reichsversicherungsordnung - Allgemeines und Krankenversicherung (G. Bauer); Unfallversicherung (R. Schmidt); Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung (Luise Zietz). Die Delegierten diskutieren ausführlich die Haltung der Fraktion bei den Beratungen der Finanzreform, vor allem über die Erbschaftsteuer.

Zur Unterstützung der wegen des 1. Mai Ausgesperrten sollen Bezirksfonds aus freiwilligen Sonderbeiträgen gebildet werden. Der Parteitag beschließt ein neues Organisationsstatut. Nur noch der sozialdemokratische Verein des Reichstagswahlkreises bildet die Grundlage der Organisation. Organisationen, denen Frauen angehören, müssen diesen eine Vertretung im Vorstand gewähren. Einheitliche Mitgliederbeiträge werden noch nicht festgesetzt, doch soll der monatliche Mitgliedsbeitrag für männliche Mitglieder 30 Pfennig, für weibliche Mitglieder 15 Pfennig betragen. Die Mitgliederzahl der Vereine ist bestimmend für die Zahl der Parteitagsdelegierten. Sie schwankt zwischen einem Delegierten bei einer Mitgliederzahl bis zu 1500 Mitgliedern und sechs Delegierten, wenn die Mitgliederzahl des Vereins mehr als 18 000 beträgt. Die Zahl der Beisitzer im Vorstand wird um eine Vertreterin der weiblichen Parteimitglieder erweitert. Bei wichtigen, die Gesamtpartei berührenden Fragen hat der Parteivorstand die Vorstände der Bezirks- oder Landesorganisationen gutachtlich zu hören oder eine Konferenz ihrer Vertreter zu veranstalten. Der Ausschluß eines Parteimitgliedes darf nur von einer Orts- oder Wahlkreisorganisation und mit Zustimmung des Beschuldigten auch vom Vorstand der Parteiorganisation beantragt werden. Der Instanzenweg wird festgelegt. Außer auf dauernden Ausschluß aus der Partei kann jetzt auch auf zeitweise Ausschließung von Vertrauensämtern erkannt und Rügen erteilt werden.

Die Parteimitglieder werden aufgefordert, mit größerer Energie und lebhafterem Eifer als bisher für die Jugendbewegung tätig zu sein, auch mehr Mittel dafür flüssig zu machen.

Ein von W. Dittmann eingebrachter Antrag, der jedes - auch wahltaktische - Zusammengehen mit den Liberalen ausschalten will, wird, nachdem bereits angenommen, in einer zweiten Abstimmung abgelehnt. Der Parteitag erklärt jedoch, daß damit in keiner Weise eine Abschwächung der Resolution des Dresdner Parteitages erfolgt sei.

In sehr ausführlicher Weise beschäftigt sich der Parteitag mit der Reichsversicherungsordnung. Da der vom Reichsamt des Inneren veröffentlichte Entwurf die berechtigten Ansprüche der Arbeiter nicht erfülle, fordert die SPD volles Selbstverwaltungsrecht für die Versicherten, Zentralisation der Krankenversicherung, Ausgestaltung der Fürsorge für die Versicherten und ihre Angehörigen auch in bezug auf die Verhütung von Krankheiten; bei der Unfallversicherung: Ausdehnung der Versicherungspflicht auf alle Arbeiter und Angestellten sowie auf die Selbständigen im Kleingewerbe und in der Hausindustrie; Gleichstellung der landwirtschaftlichen Arbeiter, der Dienstboten, Hausgewerbetreibenden und Wanderarbeiter mit den gewerblichen Arbeitern.

Die Invalidenrente sei zu bewilligen, wenn der Versicherte nicht in der Lage sei, in seinem Beruf die Hälfte des Lohnes eines gleichartigen Vollarbeiters zu erwerben. Die Rente müsse mindestens ein Drittel des versicherten Jahresarbeitsverdienstes betragen. Witwenrente sei allen Witwen der Versicherten zu gewähren in der Höhe von mindestens 20 % des versicherten Jahresarbeitsverdienstes des Verstorbenen. Für jedes unter 16 Jahre alte Kind seien ebenfalls 20 % zu zahlen; uneheliche Kinder seien ehelichen gleichzustellen.

Die Reichstagsfraktion soll Anträge einbringen, in denen eine neue Einteilung der Reichstagswahlkreise, die dreijährige Legislaturperiode und die Erleichterung beim Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit für Ausländer erreicht werden sollen.

Mit Abscheu werden die blutigen Greuel, unter denen die Gegenrevolution in Rußland ihren Schrecken verbreitet, gebrandmarkt.

Mit Empörung wird Kenntnis von den rechtsverletzenden Gewalttaten und Grausamkeiten genommen, die die spanische Regierung den Teilnehmern an der Widerstandsbewegung gegen den Krieg in Afrika wie allen Bekämpfern der kapitalistischen Gewaltherrschaft gegenüber zur Anwendung bringt.

Der Parteitag richtet an alle Parteimitglieder die Aufforderung, den Branntweingenuß zu vermeiden, um die erfolgte Erhöhung der Branntweinsteuer wirkungslos zu machen.

A. Bebel (326), P. Singer (317), A. Gerisch (325), H. Molkenbuhr (322), F. Ebert (319), H. Müller (311), W. Pfannkuch (306) werden in den Parteivorstand, als Beisitzer R. Wengels und L. Liepmann, zu Kontrolleuren A. Kaden (297), W. Bock (259), F. Brühne (288), E. Ernst (259), H. Koenen (251), Clara Zetkin (231), A. Geck (225), 0. Braun (226) und /. Timm (224) gewählt.

Anfang Okt. 1909

Der demokratische Abgeordnete K. Haußmann richtet einen offenen Brief an A. Bebel über die Frage des Zusammengehens der Sozialdemokratie mit den entschiedenen Liberalen. A. Bebel antwortet, »daß die Differenzen in der Auffassung von der Natur des Staates und der Gesellschaft unüberbrückbar seien«.

4. Okt./13. Nov. 1909

In Mansfeld beschließen die Bergarbeiter - die zum Teil in »gelben Gewerkschaften« organisiert sind und deren Wahlkreis durch einen Vertreter der Reichspartei im Reichstag vertreten wird - zu streiken, nachdem zahlreiche Arbeiter wegen ihrer Zugehörigkeit zum sozialdemokratischen Bergarbeiterverband fristlos entlassen worden waren. Am 22. Oktober streiken 8000 Arbeiter auf allen Schächten. Militär wird in das Streikgebiet geschickt. Am 11. November 1909 wird beschlossen, den Streik abzubrechen.

21. Okt. 1909

Bei den zum ersten Mal nach dem neuen Pluralwahlrecht durchgeführten Landtagswahlen in Sachsen erringt die SPD 16 Mandate und kommt mit 53 Kandidaten in die Stichwahlen, dabei kann sie weitere neun Mandate gewinnen.

In Baden gewinnen die Sozialdemokraten bei der nach dem Reichstagswahlrecht durchgeführten Wahl insgesamt 20 Mandate gegenüber 12 bei der vorherigen. Die liberalen Parteien und die Sozialdemokraten schließen für die Stichwahlen ein Abkommen und arbeiten auch in den folgenden Jahren eng zusammen (»Großblock«).

Ende 1909

Der »Vorwärts« hat 139 000 Abonnenten, »Die Neue Zeit« 9000, »Die Gleichheit« 82 000 und »Der Wahre Jacob«, das satirische Wochenblatt, 250 000.

1910

Die »Theorien über den Mehrwert«, aus dem nachgelassenen Manuskript »Zur Kritik der politischen Ökonomie« von K. Marx, herausgegeben von K. Kautsky, werden veröffentlicht. R. Hilferdings Buch »Das Finanzkapital« und der erste Band von A. Bebels Erinnerungen »Aus meinem Leben« erscheinen.

3./5. Jan. 1910

Parteitag der preußischen SPD in Berlin. Die Sozialdemokraten Preußens erklären, daß die Schande des Dreiklassenwahlrechts-Systems nicht länger erträglich sei. Sie werden mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln einem wirklichen Wahlrecht die Bahn brechen. Um einen Wahlrechtssturm nicht nur in Preußen, sondern in ganz Deutschland zu entfesseln, beauftragt der Parteitag die preußische Parteileitung, alle Vorkehrungen zu treffen, die geeignet seien, den reaktionären Widerstand zu brechen, wobei man mit der Unterstützung durch andere Parteien nicht rechnen könne.

Der Parteitag nimmt einen Entwurf zu einem Kommunalprogramm an.

16. Jan. 1910

Zahlreiche Massenversammlungen gegen das Dreiklassenwahlrecht. Auch am 23. Januar und 26. Januar wird in vielen Städten demonstriert.

29. Jan. 1910

Der konservative Abgeordnete E. v. Oldenburg-Januschau erklärt im Reichstag: »Der König von Preußen und der Deutsche Kaiser muß jeden Moment imstande sein, zu einem Leutnant zu sagen: Nehmen Sie zehn Mann und schließen Sie den Reichstag.« Die Sozialdemokratie protestiert in vielen Versammlungen gegen diese Äußerung.

4. Febr. 1910

Die Regierungsvorlage über die Änderung des preußischen Wahlgesetzes wird veröffentlicht. Sie läßt trotz mancher Änderungen das Dreiklassenwahlrecht bestehen. An die Stelle der indirekten soll die direkte Wahl treten. Einer Reihe von Wahlberechtigten soll die Wahl in der nächst höheren Klasse ermöglicht werden, vorausgesetzt, daß sie bestimmte Bedingungen erfüllen, zum Beispiel: Mitglieder des Reichstages oder Landtages, die diesen mindestens zehn Jahre angehört haben; Leute, die vor zehn Jahren eine akademische Prüfung bestanden haben; aktive Offiziere usw. Bei der ersten Lesung am 10. Februar erklärte Th. v. Bethmann Hollweg, Preußen lasse sich nicht in das Fahrwasser des Parlamentarismus verschleppen, solange die Macht seines Königtums ungebrochen sei.

6. Febr. 1910

In Halle, Bielefeld und Solingen kommt es zu Straßendemonstrationen. Von diesem Tage an reißen die Kundgebungen und Demonstrationen für die Dauer der Verhandlungen im preußischen Landtag nicht mehr ab.

13. Febr. 1910

In Preußen finden Massenversammlungen statt. In Frankfurt a.M., Halle, Duisburg und Berlin-Rixdorf kommt es zu Zusammenstößen mit der Polizei. Die Ankündigung von 42 Versammlungen in Berlin veranlassen den Polizeipräsidenten T. A. v. Jagow zu der Bekanntmachung: »Es wird das Recht auf die Straße verkündet. Die Straße dient lediglich dem Verkehr. Bei Widerstand gegen die Staatsgewalt erfolgt Waffengebrauch. Ich warne Neugierige.«

6. März 1910

Die Berliner Parteiführung hatte zu einer großen Massenversammlung aufgerufen. Diese wird von der Polizei verboten. Darauf lädt die Partei zu einem »Wahlrechtsspaziergang« in den Treptower Park ein. Die Polizei sperrt alle Zufahrtswege zum Park ab. Der Parteileitung gelingt es durch mündliche Übermittlung, die ganze Demonstration in den Tiergarten umzudirigieren. Die Polizeibehörden werden davon völlig überrascht. 150 000 demonstrieren gegen das Wahlunrecht und die Maßnahmen der Polizei.

10. April 1910

Rund 260 000 Menschen nehmen an drei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel in Berlin teil, nachdem für diese Versammlungen die polizeiliche Genehmigung erteilt worden war. Damit erreicht die Wahlrechtsbewegung ihren Höhepunkt, aber auch ihr Ende, da die Partei sich bereits Anfang März mit der Generalkommission verständigt hatte, die Wahlrechtsdemonstrationen nicht durch Demonstrationsstreiks zu verstärken und weiterzuführen. Darauf setzt eine lebhafte Diskussion in den Parteipublikationen ein.

Rosa Luxemburg hält die Lösung der Wahlrechtsfrage nur durch eine spontane Massenaktion für möglich, während F. Mehring diese Taktik für »überflüssig« erklärt, vielmehr gelte es, alle Kräfte für die kommende Reichstagswahl einzuspannen. K. Kautsky stellt Rosa Luxemburgs »Niederwerfungstheorie« die von der Partei angewandte »Ermattungsstrategie« entgegen.

15. April 1910

Die Bauunternehmer sperren rund 160 000 Bauarbeiter aus. Damit beginnt einer der größten Streiks vor dem ersten Weltkrieg. Die Aussperrung dauert in einigen Städten bis Anfang Juli.

18./19. April 1910

Auf der ersten Konferenz der Jugendausschüsse in Berlin vertreten 125 Delegierte 129 Jugendausschüsse. Zur Debatte stehen: Bildungsbestrebungen, Jugendschutz, die bürgerliche Jugendbewegung, Jugendheime, Sport und Spiel.

25./26. April 1910

Außerordentlicher Kongreß der Gewerkschaften in Berlin mit 420 Delegierten für 1 952 582 Gewerkschaftsmitglieder. Einziger Tagesordnungspunkt: Die Reichsversicherungsordnung. Der Kongreß beschließt: Die Zwangsversicherung solle noch über die Vorschläge des Gesetzes hinaus einheitlicher ausgedehnt und den Versicherungen mehr Selbstverwaltung eingeräumt werden. Die Neben- und Sonderkassen sollen zugunsten einheitlicher Ortskrankenkassen wegfallen. Anstelle der vorgesehenen gesonderten Angestelltenversicherung wird deren Einbeziehung in die allgemeine Versicherung gewünscht. Die Gewerkschaften wenden sich gegen die geplante Neuorganisierung der Krankenkassen, nach der Arbeitnehmer und Arbeitgeber nun je die Hälfte der Beiträge zahlen sollen. Damit sei ein Zurückdrängen des Einflusses der Gewerkschaften auf die Selbstverwaltung der Kassen verbunden.

27. Mai 1910

Das preußische Abgeordnetenhaus lehnt vom Herrenhaus beschlossene Änderungen im Wahlgesetzentwurf mit Mehrheit ab. Darauf erklärt Th. v. Bethmann Hollweg, die Regierung lege auf eine Weiterberatung der Gesetzesvorlage keinen Wert mehr. Die Änderung des preußischen Wahlrechts ist gescheitert.

30. Juni 1910

Die Sozialdemokratie hat 720 038 Mitglieder, davon 82 642 weibliche. In 381 Reichstagswahlkreisen bestehen Parteiorganisationen. Fünf Wahlkreise haben mehr als 20000 Mitglieder: Berlin IV, Leipzig-Land, Teltow-Beeskow, Berlin VI und Hamburg. Die Zahl der Jugendausschüsse ist auf 360 gestiegen, es bestehen 187 Bildungsausschüsse.

Der Parteivorstand unterstützt das amerikanische Parteiblatt »The New York Call« mit 10 000 Mark, die spanischen Sozialisten und ihr Wochenblatt mit je 5000 Francs.

2. Juli 1910

Der katholische Bischof F. v. Henle erklärt im Bayerischen Reichsrat zur sozialen Frage unter anderem: »Wer Knecht ist, soll Knecht bleiben, wenn er nicht freiwillig von seinem Herrn der Knechtschaft enthoben wird«. Die Sozialdemokratie sieht darin eine offiziöse Ablehnung der proletarischen Emanzipationsbewegung.

14. Juli 1910

Die badische Landtagsfraktion stimmt erneut für das Landesbudget. Wiederum beginnt eine oft erregte Auseinandersetzung in der Partei über die Budgetbewilligung. In diesen Diskussionen bildet sich aus den Differenzen um praktische politische Fragen das sogenannte »marxistische Zentrum«, das K. Kautsky ideologisch bestimmt: »Zwischen dem Großherzogtum Baden und Luxemburg liegt Trier, die Stadt Karl Marx'. Die Lage auf der Landkarte ist ein Symbol der Lage der deutschen Sozialdemokratie«.

26./27. Aug. 1910

II. Internationale Konferenz sozialistischer Frauen in Kopenhagen mit mehr als 100 Delegierten aus 17 Nationen. Die Konferenz beschließt, jedes Jahr einen Frauentag zu veranstalten, bei dem vor allem für das Frauenwahlrecht demonstriert werden soll.

Clara Zetkin wird als internationale Sekretärin wiedergewählt.

28. Aug./3. Sept. 1910

Internationaler Sozialistenkongreß in Kopenhagen. 896 Delegierte vertreten 23 Nationen. Tagesordnung: Die Beziehungen zwischen Genossenschaften und politischen Parteien (B. Karpeles); Schiedsgerichte und Abrüstung (G. Ledebour); die internationalen Ergebnisse der Arbeiterschutzgesetzgebung (H. Molkenbuhr); Resolutionen über die gewerkschaftliche Einheitlichkeit in Österreich (G. Plechanow, A. Nemec); über die Einigung der sozialistischen Organisationen, die Lage in Argentinien, Finnland, Persien und der Türkei u. a. (W. Ellenbogen). Erneut wird die Kriegsgefahr erörtert, nachdem diese sich wieder verstärkt hat. Die sozialistischen Vertreter in den Parlamenten werden verpflichtet, die Rüstungen mit allen Kräften zu bekämpfen und die Mittel hierzu zu verweigern. Unablässig sollen die Abgeordneten fordern, zwischenstaatliche Streitfälle einem internationalen Schiedsgericht zu unterbreiten. Durch immer erneuerte Anträge soll die allgemeine Abrüstung verlangt werden. Die Resolution bestätigt den Stuttgarter Beschluß über die Aktionen der Arbeiterklasse im Falle kriegerischer Verwicklungen. Dem Internationalen Büro wird die Weisung erteilt, bei drohender Kriegsgefahr sofort die nötigen Schritte einzuleiten, um zwischen den Arbeiterparteien der betroffenen Länder das Einvernehmen über ein einheitliches Vorgehen zur Verhütung des Krieges herbeizuführen.

Ein Antrag englischer und französischer Delegierter, die wieder direkte Aktionen zur Verhinderung eines Krieges als besonders zweckmäßig fordern, wird dem Büro zum Studium überwiesen. Der Kongreß beschäftigt sich auch mit der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitergesetzgebung.

Er erneuert seine Resolution über Partei und Gewerkschaften und verabschiedet eine über die »internationale Solidarität«.

Die Genossenschaftsbewegung könne eine wirksame Waffe im Klassenkampf sein. Alle Parteigenossen und Gewerkschaftsmitglieder werden mit der größten Entschiedenheit aufgefordert, tätige Mitglieder der Konsumvereinsbewegung zu werden und zu bleiben.

Der Kongreß beschließt, einen internationalen Protest gegen die Todesstrafe zu veranstalten.

4./5. Sept. 1910

Im Anschluß an den Kongreß findet die zweite internationale Konferenz der sozialistischen Jugendorganisationen statt. Einem Anschluß der deutschen Jugendbewegung an das internationale Jugendsekretariat stehen die Bestimmungen des Vereinsgesetzes entgegen.

Die Konferenz bekräftigt die Resolutionen von 1907 über die sozialistische Erziehung der Jugend sowie über den Jugendschutz und nimmt die Thesen von K. Liebknecht über Militarismus an.

18./24. Sept. 1910

Parteitag in Magdeburg, 333 Delegierte. Tagesordnung: Die badische Budgetbewilligung (A. Bebel); die Wahlrechtsfrage (H. Borgmann); die Reichsversicherungsordnung (H. Molkenbuhr); die Genossenschaftsfrage (H. Fleißner); die Maifeier (H. Müller).

Der Parteitag steht ganz im Zeichen der Budgetdebatte. Das Vorgehen der badischen Fraktion wird scharf verurteilt, den badischen Landtagsabgeordneten die »allerschärfste Mißbilligung« ausgesprochen, die Teilnahme an höfischen Zeremonien und monarchistischen Loyalitätskundgebungen für unvereinbar mit den sozialdemokratischen Grundsätzen erklärt. Der Parteitag macht es den Parteigenossen zur Pflicht, solchen Kundgebungen fernzubleiben.

Ein Antrag, kommende Verstöße mit dem Parteiausschluß zu ahnden/wird vom Parteitag mit 228 gegen 63 Stimmen angenommen, nachdem die badischen Abgeordneten vor der Abstimmung den Saal verlassen hatten.

Von den Parteigenossen wird erwartet, daß sie den Wahlrechtskampf in Preußen und den anderen Bundesstaaten mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln bis zur Erringung der vollen Gleichberechtigung weiterführen. Rosa Luxemburg reicht daraufhin einen mit 62 Stimmen versehenen Antrag ein, daß der Wahlrechtskampf in Preußen nur durch »eine große, geschlossene Massenaktion des arbeitenden Volkes zum Siege geführt werden kann«. Daher solle die Erörterung und Propagierung des Massenstreiks in die Wege geleitet werden. Die anwesenden 34 Gewerkschaftsmitglieder, an ihrer Spitze C. Severing, sehen darin einen Versuch, die Rechte der Gewerkschaften an der Vorbereitung derartig großer Massenaktionen zu beseitigen. Die Differenz wird beigelegt, als die Antragsteller den Absatz ihres Antrages über den Massenstreik zurückziehen. Der Parteitag nimmt daraufhin die Parteivorstands-Resolution mit dem ersten Absatz des Antrages von Rosa Luxemburg an. Im Anschluß an die Kopenhagener Resolution zur Genossenschaftsfrage präzisiert der Parteitag die Stellung der Partei zu den Konsumgenossenschaften. Die Parteimitglieder werden dringend aufgefordert, die im Geiste der modernen Arbeiterbewegung geleiteten Konsumvereine zu unterstützen.

Der Parteivorstand wird beauftragt, mehr als bisher für die Propagierung der Maifeier zu tun.

Die Reichstagsfraktion wird ersucht, bei der Beratung des Justizetats die Wahlrechtsjustiz und die Streikjustiz einer eingehenden Kritik zu unterziehen.

Der Parteitag fordert die volle Gleichberechtigung Elsaß-Lothringens mit den deutschen Bundesstaaten.

Bei 350 gültigen Stimmen werden A. Bebel (344), P. Singer (342), A. Gerisch (344), H. Molkenbuhr (348), F. Ebert (340), W. Pfannkuch (330), H. Müller (293); als Beisitzerin Luise Zietz (331), als Beisitzer R. Wengels und L. Liepmann, als Kontrolleure bei 352 gültigen Stimmen W. Bock (280), 0. Braun (326), F. Brühne (278), E. Ernst (332), A. Geck (264), A. .Kaden (279), H. Koenen (276) J. Timm (295), Clara Zetkin (265), gewählt.

19. Sept./8. Okt. 1910

Während eines Streiks von Kohlearbeitern und Kutschern kommt es in Berlin-Moabit durch die polizeiliche Unterstützung von Streikbrechern zu Unruhen. Der Ruf nach Ausnahmegesetzen gegen die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften wird wieder erhoben, obwohl weder die Partei noch die Gewerkschaften an den Unruhen beteiligt waren.

Anf. Dez. 1910

Der Reichstag verabschiedet einen Gesetzentwurf über die Errichtung von Arbeitskammern. Da in der Reichstagskommission unter C. Legiens Vorsitz auch der Wählbarkeit von Gewerkschaftsfunktionären zugestimmt worden war, wird der Entwurf von der Regierung »auf Eis« gelegt.

1911

Die »Annalen für soziale Politik und Gesetzgebung«, herausgegeben von H. Braun, erscheinen zum ersten Mal.

8. Jan. 1911

Emma Ihrer, geboren 3. Januar 1857 in Glatz, Gründerin der Zeitschrift »Die Arbeiterin«, 1890-1892 das erste weibliche Mitglied der Generalkommission, in Berlin gestorben.

22. Jan. 1911

In ganz Preußen werden Hunderte von Wahlrechtsversammlungen abgehalten, nachdem bei den Etatberatungen der preußische Innenminister J. v. Dallwitz das Einbringen einer neuen Vorlage zur Zeit für zwecklos erklärt hatte, da die Parteien ihre Haltung nicht geändert hätten.

31. Jan. 1911

P. Singer, geboren 16. Januar 1844 in Berlin, Kaufmann, seit 1886 im Parteivorstand, seit 1890 einer der beiden Parteivorsitzenden, Präsident der meisten SPD-Parteitage, seit 1884 MdR, neben A. Bebel bis zu seinem Tode der bedeutendste Parlamentarier der SPD, in Berlin gestorben.

1. Febr. 1911

In Düsseldorf wird das »Sozialdemokratische Bureau für Rheinland-Westfalen« eröffnet. Es soll die Parteigenossen durch die Herausgabe von Agitationsmaterial und Pressenotizen in ihrem Kampf gegen das Zentrum und die »scharfmacherischen Bestrebungen« der Schwerindustrie unterstützen.

24. Febr. 1911

Bei der zweiten Lesung des Militäretats im Reichstag beklagt G. Noske die Verweigerung der seit Jahren von den Sozialdemokraten geforderten Lohnverbesserungen der Soldaten, die Streichung der Heizer-Zulagen bei der Marine und weist auf die drakonischen Urteile der Militärgerichte hin, nachdem er bei der Beratung des Marineetats bereits die noch häufig vorkommenden Soldatenmißhandlungen scharf verurteilt hatte. Er beendet seine Ausführungen mit den Worten: »Wir entziehen uns dem Vaterlande nicht, wenn wirklich einmal ein auswärtiger Feind drohen sollte, aber dem volksfeindlichen Militarismus gegenüber gibt es für uns nur eine Parole: Krieg bis aufs Messer!«

19. März 1911

An vielen Orten wird der erste sozialdemokratische Frauentag durchgeführt. Er steht im Zeichen der sozialdemokratischen Programmforderung: »Volles Bürgerrecht für die Frau«.

16. April 1911

H. Borgmann, geboren 14. November 1855 in Schkeuditz, Hutmacher, führendes Mitglied der SPD in Berlin, Vorsitzender der preußischen Landtagsfraktion, in Berlin gestorben.

26. Mai 1911

Die Fraktion stimmt im Reichstag der neuen Verfassung von Elsaß-Lothringen zu, nachdem es gelungen ist, anstelle des von der Regierung geforderten Pluralwahlrechts das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht für den elsaß-lothringischen Landtag durchzusetzen.

30. Mai 1911

Der Reichstag nimmt gegen die Stimmen der Sozialdemokratie den Gesetzentwurf über die Reichsversicherungsordnung in dritter Lesung an.

26. Juni/1. Juli 1911

8. Kongreß der freien Gewerkschaften in Dresden. 386 Delegierte vertreten 2 276 395 Gewerkschaftsmitglieder.

Tagesordnung: Das Koalitionsrecht in Deutschland und der Vorentwurf an einem deutschen Strafgesetzbuch (H. Heinemann); Heimarbeiterschutz und Hausarbeitsgesetz (C. Deichmann); Arbeiterschutz und Arbeiterversicherung (R. Schmidt); Arbeitsnachweis und Arbeitslosenunterstützung (P. Umbreit); die Stellung der Privatangestellten im Wirtschaftsleben (P. Lange); Bildungsbestrebungen und Bibliothekswesen in den Gewerkschaften (J. Sassenbach).

Für die Eisenbahner, die Staats- und Gemeindearbeiter, die Landarbeiter, die Seeleute und die Bergarbeiter wird die uneingeschränkte Koalitionsfreiheit gefordert. Die Koalitonsfreiheit sei zwar theoretisch in Deutschland anerkannt, die praktische Ausübung dieses Rechts werde aber durch die Gesetzgebung und die Rechtsauslegung erschwert, oft nahezu unmöglich gemacht.

Der Kongreß beauftragt die Generalkommission, gemeinsam mit dem Zentralverband Deutscher Konsumvereine eine gewerkschaftlich-genossenschaftliche Unterstützungsvereinigung ins Leben zu rufen. Aufgabe dieser Vereinigung soll es sein, den Mitgliedern der Gewerkschaften und Genossenschaften, die freiwillig Beiträge leisten, und deren Familienangehörigen im Falle des Todes, des Alters, der Kinderversorgung usw. Unterstützung zu gewähren.

Der Kongreß ruft die Angestellten auf, sich nicht von dem Anschluß an die Gewerkschaftsbewegung abdrängen zu lassen. Arbeiter und Angestellte gehören in eine gemeinsame Kampfesfront.

Die Arbeitslosenversicherung sei auf der bewährten Grundlage der gewerkschaftlichen Arbeitslosenunterstützung dergestalt zu organisieren, daß das Reich den Gewerkschaften einen Teil der für die Arbeitslosenfürsorge gemachten Aufwendungen zurückvergüte, ohne sie in ihrer freien Selbstverwaltung zu beeinträchtigen. Der Kongreß nimmt Leitsätze zur Verbesserung der gewerkschaftlichen Bildungsbestrebungen und des Bibliothekswesens an.

Bei der Revision des Strafgesetzbuches sollen alle die Ausübung des Koalitionsrechts erschwerenden Vorschriften des geltenden Rechts aus dem Strafgesetzbuch beseitigt werden. Unternehmer, die das Koalitionsrecht der Arbeiter behindern, sollen unter Strafe gestellt werden. Die Mitglieder der Generalkommission werden bestätigt, H. Sachse wird als neues Mitglied gewählt.

27. Juni 1911

Die Mehrheit des preußischen Abgeordnetenhauses lehnt die sozialdemokratische Forderung nach Einführung des Reichstagswahlrechts für den preußischen Landtag ab. Die SPD ruft darauf zu Protestversammlungen auf.

30. Juni 1911

Die Zahl der Parteimitglieder beträgt 836 562, davon 107 693 weibliche. Parteiorganisationen bestehen in 383 Reichstagswahlkreisen. Jugendausschüsse bestehen in 454, Bildungsausschüsse in 410 und Kinderschutzkommissionen in 136 Orten.

Die Abonnenten-Zahl der »Arbeiter-Jugend« beträgt 65 500. Der Parteivorstand überweist der österreichischen Sozialdemokratie als Beihilfe zu den Wahlkosten 30 000 Mark. Unterstützt werden die Parteiorgane der russischen (2000), polnischen (2000) und lettischen Sozialdemokratie (3000 Mark).

4. Juli 1911

Der Parteivorstand ruft zum Protest gegen den Imperialismus, gegen das Treiben der Chauvinisten und zu Friedensdemonstrationen auf, nachdem das deutsche Kriegsschiff »Panther« in Agadir angelegt hatte und dadurch die Kriegsgefahr drohender geworden war.

8. Juli 1911

H. Molkenbuhr spricht sich in einem Brief an das Internationale Sozialistische Büro aus Rücksicht auf die bevorstehenden Reichstagswahlen in Deutschland gegen Massenaktionen des internationalen Proletariats aus.

16. Juli 1911

Internationales Sozialistentreffen in Arbon (Schweiz), an dem 8000 Menschen aus Deutschland, Italien, Österreich und der Schweiz teilnehmen. In einer Resolution werden die Arbeiter aller Länder aufgefordert, in Übereinstimmung mit der Resolution des Internationalen Sozialistenkongresses in Stuttgart mit allen Mitteln gegen einen evtl. ausbrechenden Völkermord vorzugehen.

Juli/August 1911

Rosa Luxemburg kritisiert in mehreren Artikeln die Haltung des Parteivorstandes gegenüber der Marokkokrise.

8. August 1911

Der Parteivorstand ruft auf, »mit allen zu Gebote stehenden Mitteln den Frieden zu sichern.«

8. August/Anf. September 1911

Zahlreiche Massenversammlungen und -kundgebungen in ganz Deutschland gegen die Kriegsgefahr. Am 3. September demonstrieren über 200 000 Personen im Treptower Park in Berlin unter der Losung »Gegen die Kriegshetze! Für den Völkerfrieden!«. Auf 10 Tribünen sprechen 20 Sozialdemokraten.

8./9. Sept. 1911

6. sozialdemokratische Frauenkonferenz in Jena, 75 Delegierte, davon 48 Frauen und 27 Männer. Clara Zetkin spricht über die allgemeine politische und wirtschaftliche Situation.

In Resolutionen nimmt die Konferenz zum Kinderschutz, zur Fortbildungsschule, zur Mutter- und Säuglingspflege, zur Kinderarbeit und zur Gemeindepolitik Stellung. Gegen den Vorentwurf zum Strafgesetzbuch wird wegen einer Fülle von Bestimmungen schärfster Protest erhoben.

Aus Anlaß der sehr hohen Lebensmittelpreise sollen vor Eröffnung des Reichstages öffentliche Protestversammlungen einberufen werden, in denen unter anderem die Aufhebung der Lebensmittelzölle gefordert werden soll.

10./16. Sept. 1911

Parteitag in Jena, 338 Delegierte. Tagesordnung: Die Reichsversicherungsordnung (H. Molkenbuhr); die Reichstagswahlen (A. Bebel); die Maifeier (W. Pfannkuch).

In seiner Eröffnungsrede sagt A. Bebel zur Marokkokrise: »Wir werden einem Zustand entgegengehen, der meiner Überzeugung nach nur noch mit einer großen Katastrophe enden kann und enden muß«.

In der Diskussion über den Marokkokonflikt wird dem Parteivorstand vorgeworfen, er habe es in dieser Situation an Initiative mangeln lassen. Bei der drohenden Kriegsgefahr habe er nicht schnell genug eine Friedensaktion entfaltet, ein Vorwurf, der von den Parteivorstands-Mitgliedern zurückgewiesen wird.

Der Parteitag erhebt nachdrücklichsten Protest gegen jeden Versuch, einen männermordenden Krieg zwischen Kulturvölkern hervorzurufen, der notwendig ein Weltkrieg werden müßte und mit einer allgemeinen Katastrophe enden würde. Der Parteitag erwartet, daß insbesondere die deutsche Arbeiterklasse jedes mögliche Mittel anwendet, um einen Weltkrieg zu verhindern. Er fordert die sofortige Einberufung des Reichstages, damit der Volksvertretung Gelegenheit gegeben werde, ihre Meinung zu äußern und den volksfeindlichen Machinationen entgegenzutreten. Die Fraktion wird darüber hinaus ersucht, einen Antrag einzubringen, wonach die Reichsregierung verpflichtet werden könne, in Fällen internationaler Verwicklungen den Reichstag einzuberufen und die gewählte Volksvertretung über die Verhandlungen mit den auswärtigen Regierungen zu unterrichten. Unter stürmischer Zustimmung des Parteitages erwähnt A. Bebel, daß er schon 1904 gegenüber Reichskanzler B. v. Bülow gesagt habe, wenn ein großer Krieg komme, stehe die Existenz der bürgerlichen Gesellschaft auf dem Spiele, und nicht die Sozialdemokraten seien es, die das herbeigeführt hätten. Der Parteitag beschließt die Richtlinien für das Verhalten bei den Stichwahlen. Gewählt werden dürfen nur die Kandidaten, die sich unter Zeugen oder schriftlich verpflichten, einzutreten für die Aufrechterhaltung des Reichstagswahlrechts, gegen eine Beschränkung des Vereins-, Versammlungs- und Koalitionsrechts, gegen eine Verschärfung der sogenannten politischen Paragraphen des Strafrechts, gegen Ausnahmegesetze, gegen jede Erhöhung oder Neueinführung von Zöllen und indirekten Steuern.

Gegen die Verfolgung der proletarischen Jugendbewegung durch Polizei, Schulaufsichtsbehörde und Justiz wird entschieden protestiert. Alle jugendlichen Arbeiter und Arbeiterinnen werden vor dem Eintritt in bürgerliche Jugendvereine und vor der Teilnahme an bürgerlichen Jugendbestrebungen gewarnt.

Die Reichstagsfraktion soll sofort bei Zusammentritt des Reichstages beim Reichskanzler über die Teuerung interpellieren. Der Parteitag verabschiedet Forderungen, die der Lebensmittelteuerung entgegenwirken sollen.

Der Parteitag beschließt, zwei weitere Parteisekretäre einzustellen und eine Kommission zu wählen, die eine Reorganisation des Parteivorstandes und der Kontrollkommission beraten und darüber dem nächsten Parteitag berichten soll.

Gegen alle Parteimitglieder, die sich weigern, dem Nürnberger Beschluß von 1908 nachzukommen, einen Tagesverdienst am 1. Mai zu zahlen, soll das Ausschlußverfahren eingeleitet werden. Zu Vorsitzenden der Partei werden bei 393 gültigen Stimmen A. Bebel (390) und H. Haase (283) gewählt. F. Ebert wurde vorgeschlagen, verzichtete auf eine Kandidatur, trotzdem werden für ihn 102 Stimmen abgegeben. Zum Kassierer wird A. Gerisch (392), zu Schriftführern (Sekretären) 0. Braun (373), F. Ebert (379), H. Molkenbuhr (389), H. Müller (170), W. Pfannkuch (390) und Ph. Scheidemann (355), als Beisitzerin Luise Zietz (389), ebenso L. Liepman und R. Wengels wiedergewählt. Zu Kontrolleuren werden gewählt: A. Kaden (368), W. Bock (363), E. Ernst (361), F. Brühne (354), J. Timm (298), A. Geck: (274), Clara Zetkin (264), H. Stubbe (261) und C. Hengsbach (247).

Okt./Nov. 1911

Protestversammlungen in Deutschland gegen die zunehmende Lebensmittelverteuerung.

9. Nov. 1911

A. Bebel erklärt im Reichstag zur Marokkokrise: »Es gibt offenbar Kreise, denen eine Ablenkung von den inneren Verhältnissen durch einen Krieg recht willkommen wäre.«

10. Nov. 1911

Der Landtag von Schwarzburg-Rudolstadt erhält eine sozialdemokratische Mehrheit, neun von 17 Sitzen.

Dezember 1911

Der 2. Band von A. Bebels Erinnerungen »Aus meinem Leben« erscheint.

5. Dez.1911

Parteivorstand und Reichstagsfraktion erlassen den Wahlaufruf zu den Reichstagswahlen: »Wähler Deutschlands! Helft den Grund legen zu einer neuen, besseren Gestaltung unseres staatlichen und gesellschaftlichen Baues, der die Devise tragen soll:

Tod der Not und dem Müßiggang!
Arbeit, Brot und Gerechtigkeit für alle!«

Anfang 1912

M. Peters wird zum Sekretär der Zentralstelle für die arbeitende Jugend gewählt.

12. Jan. 1912

Die Reichstagswahlen bringen der SPD einen außergewöhnlichen Erfolg, sie erhält 4 250 329 Stimmen, das sind 34,8 % der abgegebenen. Zweitstärkste Partei bleibt das Zentrum mit 2 035 990 Stimmen, das sind 140000 weniger als 1907. Erfolge erzielt die Fortschrittliche Volkspartei, die gegenüber 1907 rund 320 000 Stimmen gewinnt. Bei den Hauptwahlen erobert die Sozialdemokratie 64 Mandate. In 124 Kreisen steht sie in der Stichwahl. Sie schließt daraufhin ein Abkommen mit der Fortschrittlichen Volkspartei, sich gegenseitig bei den Stichwahlen zu unterstützen. Die Stichwahlparole lautet: »Die politische Situation macht es zur gebieterischen Notwendigkeit, den schwarz-blauen Block zu zertrümmern.« Unter keinen Umständen dürfe eine sozialdemokratische Stimme für die Konservativen, für das Zentrum, für die Reichspartei oder die wirtschaftliche Vereinigung abgegeben werden. Die Fortschrittliche Volkspartei erklärt: »Keine Stimme für das Zentrum oder die Rechtsparteien.« In den Stichwahlen gewinnt die Sozialdemokratie noch 46 Sitze und zieht nun mit 110 Abgeordneten in den neuen Reichstag ein. Nach ihrem Stimmenanteil müßte die Partei 29 Mandate mehr erhalten haben; sie erhält nur 27,7 % der Mandate. Das Zentrum hat 93, die Konservativen haben 43, die Nationalliberalen 45 und die Fortschrittliche Volkspartei 41 Sitze inne.

Die Wahlbeteiligung beträgt 84,5 % gegenüber 84/7 % 1907. Die Sozialdemokratie hatte in allen 397 Wahlkreisen Kandidaten aufgestellt, das Zentrum nur in 206, die Konservativen in 167, die Nationalliberalen in 224 und die Fortschrittler in 217.

Von den 110 Sitzen, die die SPD erhält, entfallen 107 auf die 231 industriell entwickelten Wahlkreise. Es gelingt ihr weder in den 109 landwirtschaftlichen Wahlkreisen, noch in den 23 mit relativer landwirtschaftlicher Mehrheit ein Mandat zu gewinnen.

9. Febr. 1912

A. Bebel unterliegt bei der Wahl des Reichstagspräsidenten im dritten Wahlgang nur knapp P. Spahn (Zentrum). Für A. Bebel werden 175, für P. Spahn 196 Stimmen abgegeben. Bei der Wahl des 1. Vizepräsidenten erhält Ph. Scheidemann 188 gegenüber 174 Stimmen für den Konservativen H. Dietrich. Ph. Scheidemann nimmt das Amt an. Zum 2. Vizepräsidenten wird der nationalliberale Abgeordnete H. Paasche gewählt. Bei der Schriftführerwahl werden mit D. Stücklen und R. Fischer zum ersten Mal Sozialdemokraten für diese Funktion gewählt. Doch schon wenige Tage später legen P. Spahn und H. Paasche ihre Ämter nieder.

14. Febr. 1912

Es kommt zu neuen Wahlen. Zum Präsidenten wird J. Kaempf, zum 2. Vizepräsidenten H. Dove, beide von der Fortschrittlichen Volkspartei, gewählt. Ph. Scheidemann wird bestätigt, er lehnt es aber ab, am Empfang durch Wilhelm II. teilzunehmen.

17. Febr. 1912

Wilhelm II. lehnt auf Vorschlag Th. v. Bethmann Hollwegs den Empfang von J. Kaempf und H. Dove ab, um nicht eine Abweichung von der Regel gutzuheißen, nach der bisher das ganze Präsidium des Reichstages nach seiner Wahl eine Audienz erbeten hatte.

18. Febr. 1912

H. Kühn in Köln geboren.

25. Febr. 1912

Der »Vorwärts« veröffentlicht K. Kautskys Aufsatz: »Der neue Liberalismus und der neue Mittelstand«.

8. März 1912

Es erfolgt die endgültige Wahl des Reichstagspräsidiums. Konservative, Zentrum und Nationalliberale wählen den nationalliberalen Abgeordneten H. Paasche zum 1. Vizepräsidenten, als Präsident wird J. Kaempf, als 2. Vizepräsident A. Dove bestätigt.

11. März 1912

Beginn eines Streiks der Ruhrbergarbeiter um Arbeitszeitverkürzungen und Lohnaufbesserung. Die in den christlichen Gewerkschaften organisierten Arbeiter beteiligen sich nicht. Trotzdem erreicht die Zahl der Streikenden etwa 250 000. Militär wird in das Streikgebiet verlegt. Es kommt zu Zusammenstößen mit den Streikenden. Am 19. März wird der Streik abgebrochen. Zahlreiche Streikende werden zu Gefängnisstrafen verurteilt.

9. Mai 1912

Im preußischen Abgeordnetenhaus widerspricht der sozialdemokratische Abgeordnete J. Borchardt dem Kammerpräsidenten, als dieser ihn auffordert, Zwischenrufe nur von seinem Platz aus zu machen. J. Borchardt wird vom Rest der Sitzung ausgeschlossen, weigert sich aber, den Sitzungssaal zu verlassen. Er wird darauf von Polizisten gewaltsam aus dem Saal gebracht.

22. Mai 1912

Nachdem im preußischen Landtag erneut ohne Erfolg über die Wahlrechtsfrage debattiert worden ist, wird in 22 Protestversammlungen gegen das Dreiklassenwahlrecht in Berlin eine gleichlautende Resolution angenommen, in der es heißt, daß der störrische Widerstand des Junkerparlaments nur die Aufforderung an das entrechtete Volk bedeute, durch Aktionen außerhalb des Parlaments seinen Willen mit allen zum Erfolg führenden Mitteln durchzusetzen.

28. Mai 1912

Beim Schluß der Reichstagssitzung bleibt der SPD-Abgeordnete 0. Landsberg im Saal und hört das Kaiserhoch stehend an. Nach alter Reichstagstradition verläßt die sozialdemokratische Fraktion vor diesem Akt den Sitzungssaal. Das Verhalten von 0. Landsberg wird von der Partei scharf verurteilt.

16.Juni 1912

InEisenach treffen sich auf Anregung von G. Ledebour Mitglieder des linken Flügels der Reichstagsfraktion zu einer »Sonderkonferenz« .

27.Juni 1912

In einer Sitzung der bayerischen Abgeordnetenkammer erklärt der Minister des Innern M. G. Soden, in Zukunft werde nicht mehr wie bisher eine Prüfung von Fall zu Fall eintreten, sondern die Staatsregierung werde grundsätzlich und ausnahmslos jedem zielbewußten Sozialdemokraten die Bestätigung für ein Gemeindeamt versagen.

30.Juni 1912

Die Sozialdemokratie hat 970 112 Mitglieder, darunter 130371 weibliche. In 390 Wahlkreisen bestehen Parteiorganisationen. 49 Bezirks- und Landessekretäre sind angestellt. Bildungsausschüsse bestehen an 575, Jugendausschüsse an 574 und Kinderschutzkommissionen an 125 Orten. Die Jugendausschüsse haben 27 Bezirksleitungen gebildet. Die Zahl der sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten beträgt 224, die der Gemeindevertreter 10 070.

Anf. Juli 1912

Von sozialdemokratischer Seite wird eine Statistik veröffentlicht, nach der 1910 21 % der gesamten Industriearbeiterschaft gewerkschaftlich organisiert sind. Doch gehören von je 100 Arbeitern nur sieben der SPD an. 36 % der Gewerkschaftsmitglieder waren 1910 Mitglieder der Sozialdemokratie.

1. Juli 1912

Der »Vorwärts« hat 165 500, »Die Neue Zeit« 10 300, »Die Gleichheit« 107 000, »Der Wahre Jacob« 380 500 und die »Arbeiter-Jugend« 80 100 Abonnenten. Die »Partei-Correspondenz« erscheint in einer Auflage von 4700 Exemplaren. Es bestehen 89 Parteizeitungen und 59 Parteidruckereien, an 23 von ihnen ist der Parteivorstand finanziell beteiligt. Die Parteipresse hat 1 478 042 Abonnenten.

24. Aug. 1912

G. v. Vollmar erklärt im bayerischen Landtag: »Die Sozialdemokraten setzen alles daran, daß der Friede erhalten bleibt. Sollte es aber nicht gelingen, den Frieden zu erhalten, dann werden wir alles hinter der Not des Vaterlandes zurücktreten lassen. Es ist selbstverständlich, daß die Sozialdemokraten ihrem Vaterlande ihre Dienste erweisen und ich glaube, daß sie nicht die schlechtesten Verteidiger sein werden.« Wegen dieser Äußerung wird G. v. Vollmar von der »Leipziger Volkszeitung« kritisiert.

5. Sept. 1912

Angesichts der herrschenden Fleischteuerung fordert die Reichstagsfraktion vom Reichskanzler die Einberufung des Reichstages, um über Maßregeln zur Milderung der Teuerung Beschlüsse zu fassen. Im September wird in einigen Städten gegen die Teuerung demonstriert. Am 28. September teilt die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« mit, daß die Regierung einige Maßnahmen gegen die herrschende Fleischteuerung eingeleitet habe.

Anf. Sept. 1912

Es erscheint ein Sonderheft der »Sozialistischen Monatshefte« zum Parteitag. Darin wendet sich E. Bernstein gegen den Parteiausschluß G. Hildebrands (er hatte die Notwendigkeit von Kolonien für Deutschland betont und war für Schutzzölle eingetreten). G. Noske wendet sich gegen die Gruppenbildung in der Partei. L. Arons kritisiert den Mangel eines preußischen Landesparteivorstandes und empfiehlt ein Zusammengehen mit den Liberalen bei den kommenden Abgeordnetenwahlen.

W. Kolb verweist auf den geringen politischen Einfluß der Sozialdemokratie wegen deren grundsätzlicher Negierung des heutigen Staates.

W. Heine möchte die »Sonderkonferenzen« auf das nötige Maß beschränkt sehen; er erwähnt, daß in der Reichstagsfraktion oft getrennte Sitzungen abgehalten werden.

15./21. Sept. 1912

Parteitag in Chemnitz, 409 Delegierte. Tagesordnung: Die Lebensmittelteuerung (Ph. Scheidemann); Bericht der Reorganisationskommission (H. Müller); die Reichstagswahlen (Ph. Scheidemann); der Bergarbeiterschutz (0. Hue); der Imperialismus (H. Haase); die Maifeier (W. Pfannkuch). Der Parteitag beschäftigt sich auch mit dem Ausschluß G. Hildebrands. In der Diskussion über die Reichstagswahl kommt es zu Auseinandersetzungen über das Stichwahlabkommen.

Zur Imperialismusfrage erklärt der Parteitag, daß die Sozialdemokratie auf das nachdrücklichste imperialistische und chauvinistische Bestrebungen bekämpfe, wo immer sie sich zeigen mögen. Sie pflege dagegen mit aller Entschiedenheit die internationale Solidarität des Proletariats, das nirgends feindselige Gefühle gegen ein anderes Volk hege. Der Parteitag bekunde den entschlossenen Willen, alles aufzubieten, um eine Verständigung zwischen den Nationen herbeizuführen und den Frieden zu hüten. Der Parteitag verlangt die Beendigung des Wettrüstens und fordert die Beseitigung des Schutzzollsystems.

Gegen die Verfolgungen der proletarischen Jugendbewegung durch die staatlichen Behörden wird Einspruch erhoben, ebenso gegen das »heuchlerische Gebaren« und die »wüsten Methoden der bürgerlichen Jugendpflege«. Der Parteitag empfiehlt den Parteigenossen, junge Arbeiter und Arbeiterinnen im Alter von 18 bis 21 Jahren durch geeignete Maßnahmen für die Arbeiterorganisation zu gewinnen.

Gegen die planmäßige Bewaffnung von Arbeitswilligen bei Streiks und gegen die nachsichtige Haltung der Behörden gegenüber deren Gewalttaten wird schärfstens protestiert.

Die Fraktion wird beauftragt, den Reichstag nachdrücklichst zur Beschlußfassung über eine den modernen Betriebs- und Arbeitsverhältnissen entsprechende reichsgesetzliche Regelung des Bergarbeiterschutzes zu veranlassen. Diese müsse zwingend festlegen: Eine Arbeitszeit von höchstens acht Stunden, Verbot der Untertagearbeit für Arbeiter unter 18 Jahren, Bereithaltung einer genügenden Zahl von Rettungsapparaturen, Einrichtung von entsprechenden Wasch- und Badeanstalten.

Die sofortige Einberufung des Reichstages sei unerläßlich, um durchgreifende Maßnahmen gegen die zunehmende Teuerung, deren Ursache in der herrschenden Schutzzollpolitik Deutschlands liege, zu beschließen.

Der Parteitag spricht den dringenden Wunsch aus, daß Parteimitglieder in Zukunft keine Sonderzusammenkünfte mehr abhalten. Eine populär-wissenschaftliche Broschüre über die moderne Strafrechtstheorie, in der der prinzipielle Kampf der Partei gegen die Todesstrafe zu propagieren sei, soll herausgegeben werden. Beim Schnapsboykott wird eine noch gewissenhaftere Durchführung der Parteitagsbeschlüsse erwartet.

Der Parteitag beschließt ein neues Organisationsstatut. Die wesentliche Neuerung ist die Bildung des Parteiausschusses. Dieser Ausschuß besteht aus je einem Vertreter der Bezirks- und Landesvorstände, der von ihnen aus ihrer Mitte für die Dauer eines Jahres zu wählen ist. Der Ausschuß hat nur beratende Funktion. Seine Aufgabe ist es, gemeinsam mit dem Parteivorstand über wichtige, die Gesamtpartei berührende politische Fragen, über die Einrichtung zentraler Parteiinstitutionen, die die Partei finanziell dauernd erheblich belasten, über die Festsetzung der Tagesordnung des Parteitages sowie über die Bestellung der Referenten zu beraten. Der Parteivorstand muß den Parteiausschuß regelmäßig alle Vierteljahre und im Bedarfsfalle auch häufiger unter Angabe der Tagesordnung zu einer Sitzung berufen. Eine außerordentliche Sitzung muß stattfinden, wenn ein Drittel der Landes- und Bezirksvorstände unter Angabe der Gründe diese beantragt.

Die bisher von der Kontrollkommission gewählten Beisitzer werden nun vom Parteitag gewählt. Das weibliche Vorstandsmitglied gehört künftig zu den Schriftführern.

Als Vorsitzende der Partei werden bei 454 gültigen Stimmen A. Bebel; (452) und H. Haase (438), als Kassierer 0. Braun (447), zu Sekretären W. Pfannkuch (449), H. Molkenbuhr (452), A. Gerisch (450), F. Ebert (423), H. Müller (417), Ph. Scheidemann (442) und Luise Zietz (446), als Beisitzer R. Wengels, P. Brühl und J. Silberschmidt, als Kontrolleure A. Kaden (Vorsitzender, 446), W. Bock (383), C. Hengsbach (343), E. Ernst (432), H. Stubbe (391), F. Brühne (327), J. Timm (376), A. Geck (348), Clara Zetkin (309), P. Löbe (159), A. Brey (128), Helene Grünberg (127) und C. Severing (134) gewählt.

6. Okt. 1912

Der »Vorwärts« veröffentlicht eine Erklärung einiger Sozialdemokraten, die den Ausschluß G. Hildebrands bedauern und fürchten, daß der Parteitagsbeschluß eine Hemmung der wissenschaftlichen Forschung in der Partei zur Folge haben werde. Zu den Unterzeichnern der Erklärung gehören unter anderen L. Arons, E. Auer, E. Bernstein, E. David, Käthe Kollwitz, P. Löbe, M. Schippel, C. Severing, A. Südekum, J. Timm, G. v. Vollmar,

8. Okt. 1912/30. Mai 1913

Erster Balkankrieg.

20. Okt. 1912

Auf einer von der SPD organisierten Massenversammlung in Berlin wird die deutsche Regierung aufgefordert, sich nicht in den Balkankrieg einzumischen und strikte Neutralität zu üben.

17. Nov. 1912

In allen europäischen Hauptstädten finden auf Vorschlag des Internationalen Sozialistischen Büros Protestkundgebungen gegen den Krieg statt.

24./25. Nov. 1912

Der außerordentliche Kongreß der Internationale im Münster von Basel wird zu einer bedeutenden Friedensdemonstration. 550 Delegierte vertreten 23 Nationen. In einem umfangreichen Manifest wird ein Programm einer internationalen sozialistischen Außenpolitik verkündet, den drohenden Krieg zu verhindern. Die Überwindung des Gegensatzes zwischen Deutschland auf der einen und England und Frankreich auf der anderen Seite, würde die größte Gefahr für den Weltfrieden beseitigen, die Machtstellung des Zarismus, der diesen Gegensatz ausbeute, erschüttern, einen Überfall Österreich-Ungarns auf Serbien unmöglich machen und der Welt den Frieden sichern. Auf dieses Ziel vor allem seien daher die Bemühungen der Internationale zu richten. Die Arbeiterklasse aller Länder solle mit allen Kräften die Vernichtung der Blüte aller Völker verhindern und in allen Formen und allen Orten den Friedenswillen des Proletariats demonstrieren.

12. Dez. 1912

Die gewerkschaftlich-genossenschaftliche »Volksfürsorge«-Versicherungsgesellschaft wird gegründet. Bereits am 31. Dezember 1913 hat sie 74 746 Versicherungsanträge mit einer Versicherungssumme von 13,25 Millionen Mark angenommen.

17. Dez. 1912

Th. Bömelburg, geboren 27. September 1862 in Westönnen (Westfalen), Maurer, Vorsitzender der Bauarbeitergewerkschaft, 1903-1907 MdR, in Hamburg gestorben.

1913

Auf einer internationalen Konferenz in Zürich wird der Name »Zentralstelle« in »Internationaler Gewerkschaftsbund« (IGB) geändert. Präsident wird C. Legien. Eine »Internationale Gewerkschaftskorrespondenz« soll herausgegeben werden. Sie muß 1916 ihr Erscheinen einstellen. 1912 waren 19 Landeszentralen mit 7 394 461 Mitgliedern der »Zentralstelle« angeschlossen.

6./8. Jan. 1913

Parteitag der preußischen SPD in Berlin. Er beschäftigt sich mit dem preußischen Wahlrecht und den kommenden Landtagswahlen. Alle Vorschläge und Anträge, eine breite Front aller Feinde des Dreiklassenwahlrechts zu bilden, finden keine Mehrheit. Diese meint, die Gegenleistung für die Hilfe sei zu groß. Die Resolution der Landeskommission wird angenommen. Nach ihr sollen Sozialdemokraten in Bezirken, wo es keine sozialdemokratischen Wahlmänner gibt, nur für jene bürgerlichen Wahlmänner stimmen, deren Kandidaten die schriftliche Erklärung abgeben, in jeder Session für die Einführung des Reichstagswahlrechts zu stimmen. Gibt die Sozialdemokratie in Landtagswahlkreisen mit mehr als einem Abgeordneten bei der Stichwahl den Ausschlag, so habe sie die Abtretung eines Mandats zu fordern. Der Parteitag fordert die Koalitionsfreiheit für die Landarbeiter und deren rechtliche Gleichstellung mit den Industriearbeitern.

Die Untätigkeit der Regierung in der Fleischnotfrage wird kritisiert.

Der Parteitag protestiert gegen die preußische Dänen- und Polenpolitik.

Mitte Jan. 1913

Rosa Luxemburgs Buch »Die Akkumulation des Kapitals«. Ein Beitrag zur ökonomischen Erklärung des Imperialismus, erscheint.

1. März 1913

Ein gemeinsames Manifest der deutschen und französischen Sozialdemokratie gegen die imperialistische Rüstungspolitik wird veröffentlicht.

März 1913

In Berlin tagt zum ersten Mal eine Reichskonferenz der Bezirksbildungsausschüsse, die von 49 Teilnehmern besucht wird. Sie sprechen sich über die Hauptgebiete und die Methoden der Bildungsarbeit aus.

31. März 1913

Die Sozialdemokratie hat 982 850 Mitglieder, darunter 141115 weibliche. Die Zunahme der Mitgliederzahl seit dem 31. Juli beträgt nur 1,3 %, das ist die bisher geringste Zunahme an Parteimitgliedern.

Bildungsausschüsse bestehen in 791, Jugendausschüsse in 655, Jugendheime in 291 und Kinderschutzkommissionen in 200 Orten.

Der »Vorwärts« hat 157 100, »Die Neue Zeit« 10 500, »Der Wahre Jacob« 371 000, »Die Gleichheit« 112 000 und die »Arbeiter-Jugend« 89 409 Abonnenten. 90 Parteizeitungen erscheinen täglich. 267 Redakteure sind bei ihnen fest angestellt. Die Zahl der Abonnenten der Parteipresse beträgt 1 465 212. Es gibt 231 sozialdemokratische Landtagsabgeordnete und 11 681 Gemeindevertreter.

5. April 1913

Die »Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände« wird gegründet, das heißt die »Hauptstelle deutscher Arbeitgeberverbände« und der »Verein Deutscher Arbeitgeberverbände« vereinigen sich. Sie hatten bereits seit längerer Zeit eng zusammengearbeitet.

17. April 1913

Im Reichstag beginnt die erste Lesung der neuen seit 1871 größten Militärvorlage, die für die drei kommenden Jahre beträchtliche Mehrausgaben vorsieht. Zum ersten Male sollen die Ausgaben nicht nur durch eine Erhöhung der indirekten Steuern, sondern durch einen einmaligen außerordentlichen Wehrbeitrag vom Vermögensbesitz über 10 000 Mark und durch eine fortlaufende Vermögenszuwachssteuer aufgebracht werden.

11. Mai 1913

Schweizerische Volksvertreter verschiedener Parteirichtungen haben zu einer »Verständigungskonferenz« Parlamentarier aller Parteien aus Deutschland und Frankreich nach Bern eingeladen. Während aus Frankreich auch 83 Parlamentarier erscheinen, die nichtsozialistischen Parteien angehören, sind aus Deutschland nur sechs gekommen. Die SPD ist durch 24 Abgeordnete vertreten.

Insgesamt nehmen 156 Abgeordnete teil. Die Konferenz soll der Förderung eines freundschaftlichen Verhältnisses zwischen Frankreich und Deutschland dienen. Sie ist überzeugt, daß eine Annäherung zwischen beiden Ländern die Verständigung zwischen den großen Mächtegruppen erleichtern und damit die Grundlage für einen dauerhaften Frieden schaffen werde.

16. Mai 1913

Bei den Urwahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus erzielt die Sozialdemokratie beachtliche Stimmengewinne. Sie gewinnt 180 000 Stimmen gegenüber 1908, ihr Stimmenanteil steigt auf 28,83 %, während die zweitstärkste Partei, das Zentrum, nur auf 16,53 % kommt, dafür aber 103 Abgeordnete erhält, die Deutschkonservativen mit 14,75 % sogar 147.

Die sechs sozialdemokratischen Mandate werden verteidigt, das in einer Nachwahl von 1908 in Berlin verlorengegangene wird zurückerobert. Doch nur durch die Stimmenenthaltung der Fortschrittlichen Volkspartei bei den Hauptwahlen am 3. Juni im Wahlkreis Ober- und Niederbarnim fallen der Sozialdemokratie noch drei weitere Mandate zu.

Die Fortschrittliche Volkspartei wird von den Sozialdemokraten in sieben Wahlkreisen unterstützt, mit dem Erfolg, daß sie vier neue Mandate gewinnt. Von 23 Stichwahlen, an denen die Sozialdemokraten beteiligt sind, müssen sie 16 gegen die Kandidaten der Fortschrittlichen Volkspartei austragen.

Juni 1913

Auf einer Versammlung in Berlin fordert L. Frank den Massenstreik. Wenn alles Bitten um eine Änderung des Wahlrechts umsonst sei, dann sei der Tag des Massenstreiks gekommen. Erneut lebt darauf die Massenstreikdiskussion wieder auf, zumal in Belgien im April ein Massenstreik zur Reform des Wahlrechts durchgeführt worden war.

21. Juni 1913

A. Kaden, geboren 26. September 1850 in Großenhain, Zigarrenfabrikant, Vorsitzender der Kontrollkommission, ab Juni 1898 MdR, gestorben.

21. Juni 1913

In Freiburg i. Br. billigt ein außerordentlicher Parteitag der badischen Sozialdemokraten einstimmig das mit den Nationalliberalen und Fortschrittlern abgeschlossene Landtagswahlabkommen.

29. Juni/10. Aug. 1913

Zweiter Balkankrieg.

14. Juli 1913

F. Erler in Berlin geboren.

Sommer 1913

Beginn einer Wirtschaftskrise, die sich bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges hinzieht.

13. August 1913

A. Bebel, geboren 22. Februar 1840 in Deutz (b. Köln), Drechslermeister, 1861 Mitglied des Gewerblichen Bildungsvereins, 1864 in den Ständigen Ausschuß Deutscher Arbeitervereine gewählt, seit 1865 mit W. Liebknecht befreundet, 1866 Mitglied der Internationalen Arbeiterassoziation, 1867 als erster Arbeitervertreter in den Norddeutschen Reichstag gewählt, 1867 Vorsitzender des Verbandes Deutscher Arbeitervereine; 1869 gründet er gemeinsam mit W. Liebknecht die Sozialdemokratische Arbeiterpartei, 1872 im sog. Hochverratsprozeß zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt; 1875 in Gotha nach Gründung der Sozialistischen Arbeiterpartei wird A. Bebel Vorsitzender der Parteikontrollkommission, 1877 arbeitete er mit F. W. Fritzsche den ersten Arbeiterschutzgesetzentwurf der Sozialdemokratie aus. Nach dem Verbot der Partei 1878 übernahm A. Bebel die Funktion des Parteikassierers, im Dezember 1880 lernte er K. Marx und F. Engels persönlich kennen. 1881 wurde A. Bebel aus Leipzig ausgewiesen, 1886 im Freiberger Geheimbundprozeß zu neun Monaten Gefängnis verurteilt, 1892 zu einem der beiden Parteivorsitzenden, seit 1900 zum Mitglied des Internationalen Sozialistischen Büros gewählt, 1867-1881 und 1883-1913 MdR, in Passugg (Schweiz) gestorben.

Die Sozialdemokratie verliert mit A. Bebel einen ihrer bedeutendsten Führer.

Am 17. August geben ihm rund 50000 Menschen beim Begräbnis in Zürich das letzte Geleit.

24. Aug. 1913

Der »Zentralverband deutscher Industrieller«, der »Reichsdeutsche Mittelstandsverband« und der »Bund der Landwirte« gründen das »Kartell der schaffenden Stände«. Sie fordern die Aufrechterhaltung der Autorität in allen wirtschaftlichen Betrieben, die Bekämpfung der Sozialdemokratie und den Schutz der Arbeitswilligen.

Sept. 1913

In Berlin gibt J. Borchardt »Lichtstrahlen. Monatliches Bildungsorgan für denkende Arbeiter« heraus. Sie erscheinen bis April 1916. Die »Lichtstrahlen« werden ein Sammelpunkt innerparteilicher Oppositioneller.

14./20. Sept. 1913

Parteitag in Jena. 387 Delegierte. Tagesordnung: Arbeitslosenfürsorge (J. Timm); Steuerfrage (E. Wurm, A. Südekum); Maifeier (F. Ebert).

Nach der Diskussion in der Presse erörtert auch der Parteitag noch einmal das Problem des Massenstreiks. Während der Parteivorstand sich gegen die ganze Massenstreikdiskussion ausspricht, vertritt L. Frank die Losung: In Preußen kommt entweder eine Wahlreform oder es kommt ein Massenstreik. Der Parteitag lehnt die von Rosa Luxemburg vorgelegte Resolution mit 333 gegen 142 Stimmen ab, die eine offensive, entschlossene und konsequente Taktik der Partei auf allen Gebieten fordert, da nur eine Taktik, die den Schwerpunkt des Kampfes in die Aktion der Massen verlege und alle Maßregeln ergreife, damit das deutsche Proletariat bei den kommenden Kämpfen für alle Fälle gerüstet dastehe, Erfolg verspreche. Die Resolution des Parteivorstandes bestätigt den Beschluß von Mannheim (1906). Sie fordert die entrechteten Massen auf, im Kampf gegen das Dreiklassenwahlrecht alle Kräfte anzuspannen in dem Bewußtsein, daß dieser Kampf ohne große Opfer nicht siegreich durchgeführt werden könne. Die Parteimitglieder werden deshalb verpflichtet, unermüdlich für den Ausbau der politischen und gewerkschaftlichen Organisationen zu wirken.

Der Parteitag billigt mit 336 gegen 140 Stimmen das Verhalten der Fraktion bei der Abstimmung über die Militärvorlage und vertritt die Auffassung, nach der für die Bewilligung von Steuern nicht allein deren Art, sondern auch ihr Verwendungszweck maßgebend sein soll.

Von den Parteiangestellten wird erwartet, daß sie ihren Tagesverdienst am 1. Mai an den Maifeierfonds abliefern. Die sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten haben während der Tagung des Reichstages vollzählig zur Stelle zu sein, damit nicht bei sehr wichtigen Abstimmungen durch das Fehlen der Abgeordneten die Entscheidung gegen die SPD falle. Zum Studium der Agrarfrage soll eine Kommission eingesetzt werden.

Zur herrschenden Arbeitslosigkeit verlangt der Parteitag rasche Maßnahmen zur Linderung der Not, unter anderem durch eine Erweiterung der Sozialgesetzgebung. Die öffentlich-rechtliche Arbeitslosenversicherung könne vollständig nur durch die Reichsgesetzgebung herbeigeführt werden. Bis zur Verwirklichung sei das System kommunaler Zuschüsse zu den gewerkschaftlichen Arbeitslosenunterstützungen zu fordern. Zu Parteivorsitzenden bei 473 Stimmen werden H. Haase (467) und F. Ebert (433), zum Kassierer 0. Braun (458), zu Sekretären: F. Bartels (269), A. Gerisch (466), H. Molkenbuhr (440), H. Müller (442), W. Pfannkuch (468), Ph. Scheidemann (445) und Luise Zietz (450) und zu Beisitzern 0. Wels und R. Wengels gewählt. Der vorn linken Flügel als Sekretär vorgeschlagene R. Dißmann erhält 211 Stimmen. Zu Kontrolleuren werden W. Bock (Vorsitzender) (373), F. Brühne (436), E. Ernst (427), A. Geck (309), F. Geyer (247), C. Hengsbach (347), H. Stubbe (315), J. Timm (368) und Clara Zetkin (288) gewählt.

8. Okt. 1913

K. Kautsky schreibt an V. Adler: »Es herrscht in der Partei ein allgemeines Unbehagen, ein unsicheres Suchen und Tasten nach neuen Wegen, die Empfindung, es müsse etwas geschehen, ist allgemein.« Die geringen Auswirkungen des Sieges bei den Reichstagswahlen, das Mißverhältnis zwischen erzieltem Stimmenanteil und der Zahl der Mandate bei den preußischen Landtagswahlen hatten in der Partei starke Enttäuschung hervorgerufen.

19. Nov./ Mitte Dez. 1913

Zabern-Affäre. In Zabern/Elsaß kommt es zu Zusammenstößen zwischen Militär- und Zivilbevölkerung.

Die SPD ruft zu Protestversammlungen auf. Der Reichstag spricht mit 293 gegen 54 Stimmen dem Reichskanzler, der das Auftreten des Militärs verteidigt hatte, das Mißtrauen aus.

18. Dez. 1913

W. Brandt in Lübeck geboren.

27. Dez. 1913

Die von Rosa Luxemburg, F. Mehring und J. Marchlewski herausgegebene »Sozialdemokratische Korrespondenz« erscheint zum ersten Mal, hektographiert, dreimal wöchentlich, später nur noch wöchentlich, in 150 Exemplaren in einem Umfang von fünf bis sieben Maschinenseiten. Sie wird an Parteizeitungen und Privatpersonen geschickt. Die letzte »Korrespondenz« (Nr. 144) wird am 13. Mai 1915 unter dem Titel »Wirtschaftliche Rundschau« veröffentlicht.


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