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TEILDOKUMENT:
[Seite der Druckausg.: 55 (Fortsetzung)]
Hermann Rösch
Der politische und gesellschaftliche Rahmen
Ob in aktuellen programmatischen Dokumenten der Bundesregierung, der SPD oder in den zahlreichen Publikationen der Friedrich-Ebert-Stiftung, übereinstimmend ist die Rede davon, dass digitale Revolution und neue Kommunikationstechnologien die gesellschaftliche Entwicklung maßgeblich beeinflussen und zunehmend verändern. Information ist neben Boden, Arbeit und Kapital zum vierten Produktionsfaktor geworden. Der Wandel von der Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft hat soeben begonnen; die Konturen des neuen Gesellschaftstypus, zu dessen Strukturmerkmalen die Beschleunigung von Wandel, die Verkürzung von Innovationszyklen gehört, sind erst in groben Umrissen erkennbar. Die politische Gestaltung der Informationsgesellschaft stellt für alle Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eine gewaltige Herausforderung dar. In noch stärkerem Maße als die meisten übrigen Bereiche sind natürlich diejenigen Segmente beim Übergang zur Informationsgesellschaft rasantem Wandel unterworfen, die sich mit Produktion, Verwaltung und Vermittlung von Informationen befassen: Autoren, Verlage, Bibliotheken, Archive usw. Drohende Veränderung erzeugt Unsicherheit, Ängste und eine Vielzahl von Szenarien. Das papierlose Büro, der Untergang der Gutenberg-Galaxis oder die Mutation bestehender Archive und Bibliotheken zu rein virtuellen Einrichtungen im Netz ohne konkreten Ort und Mitarbeiter gehören zu den je nach Standpunkt positiven oder negativen Utopien, die, wie sich inzwischen deutlich abzeichnet, mit der realen Entwicklung allerdings wenig zu tun haben. Alles spricht hingegen dafür, dass auch in der Informationsgesellschaft das Rieplsche Gesetz bestätigt wird und neue Medien alte nicht völlig verdrängen sondern ergänzen. Für die Bibliotheken bedeutet dies [Seite der Druckausg.: 56] einerseits, dass die gewohnten konventionellen Tätigkeiten zwar an Umfang abnehmen jedoch keineswegs verschwinden werden. Zum anderen aber müssen sich Bibliotheken auf völlig neue Aktivitätsfelder und Aufgabenstellungen einstellen, mit deren Übernahme und Bewältigung sie in der Informationsgesellschaft einen erheblichen Bedeutungszuwachs erfahren und zur unverzichtbaren Infrastruktureinrichtung werden können.
Modernisierung der Bibliothek
Die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung hat sich dem Wandel bereits frühzeitig gestellt. Modernisierung erfolgte dabei auf drei Ebenen. In einem ersten Schritt wurde die Bearbeitung der klassischen gedruckten Bibliotheksmaterialien mittels nunmehr ausgereifter Hard- und Software automatisiert. Bücher und Zeitschriften werden seither online in einer Bibliotheksdatenbank verzeichnet, den Benutzern stehen komfortable Suchinstrumente für hochspezielle Recherchen zur Verfügung. Auf die Katalogdatenbank der Bibliothek kann weltweit über das Internet zugegriffen werden. In einem zweiten Schritt wurden neben Printmedien auch digitale Medien in die Sammeltätigkeit einbezogen und drittens schließlich erfolgte mit der Übernahme völlig neuer Funktionalitäten die Erweiterung zur digitalen und virtuellen Bibliothek. Grundlage der Veränderung bildete die Überzeugung, dass die Printmedien auch weiterhin von zentraler Bedeutung sein, die Rolle der Leitmedien zukünftig jedoch mit den digitalen Medien teilen werden. In bester reformistischer Tradition wurde das Alte nicht durch das Neue ersetzt sondern erweitert.
Die traditionellen Aufgaben der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung
Die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung hatte von Beginn an eine Doppelfunktion. Sie ist sowohl historische und zeitgeschichtliche Spezialbibliothek zu Geschichte und Gegenwart der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung als auch Gebrauchsbibliothek zur Unterstützung aller Arbeitsbereiche der Friedrich-Ebert-Stiftung. So bildeten denn auch die alte Dienstbibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung und die Bibliothek des Parteivorstandes der SPD den Fundus der 1969 neu gegründeten Bibliothek. Die Aufgaben der historischen und zeitgeschichtlichen Spezialbibliothek lassen sich in drei Bereiche untergliedern:
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Als Infrastruktureinrichtung zur Unterstützung der Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung sichert die Bibliothek die Literaturversorgung der FES-Mitarbeiter. Für einzelne Abteilungen, Projekte und Mitarbeiter wird Grundlagenliteratur systematisch beschafft, speziellere Literatur hingegen nach konkretem, individuellem Bedarf. Aufgrund der Arbeitsschwerpunkte der Stiftung haben sich markante Bestandssegmente in den Bereichen Entwicklungspolitik, Außenpolitik, Wirtschaftspolitik, Arbeits- und Sozialforschung, Technik und Gesellschaft, Frauenforschung usw. gebildet. Außerdem übernimmt die Bibliothek die Sammlung, Erschließung und Bereitstellung der im Umfeld der FES-Aktivitäten entstehenden und anfallenden gedruckten Publikationen. Dazu gehören im wesentlichen:
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aussetzung dafür, dass diese Materialien in Katalogen recherchierbar werden, im bundesweiten Verzeichnis lieferbarer Bücher (VLB) nachgewiesen und somit angemessen vertrieben werden können. Bei allen genannten Publikationen handelt es sich vorzugsweise um Graue Literatur, die höchst selten ist und auch im Rahmen der überregionalen Literaturversorgung häufig nachgefragt wird. Mit den im Rahmen der Literaturversorgung für die Friedrich-Ebert-Stiftung sukzessive angewachsenen Bestandssegmenten hat die Bibliothek auch den Charakter einer wissenschaftlichen Spezialbibliothek zu diversen Forschungs- und Politikfeldern, insbesondere der Entwicklungspolitik, gewonnen. Die beiden klassischen Kernfunktionen als historische und zeitgeschichtliche Bibliothek wie auch als Gebrauchsbibliothek zur hauseigenen Literatur- und Informationsversorgung, haben dazu geführt, dass die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung bereits in der Vergangenheit zur typischen wissenschaftlichen Spezialbibliothek mit starkem dokumentarischen Anteil wurde. Was in Universalbibliotheken lange unmöglich und in den Bereich der Dokumentation verwiesen wurde, war hier von Anfang an selbstverständlich:
Mit diesem stark dokumentarischen Akzent, der den Benutzern einen außergewöhnlich differenzierten Zugriff auf die Materialien erlaubt, folgte die Bibliothek frühzeitig einem Trend, der sich mittlerweile immer deutlicher zeigt: der Konvergenz der verschiedenen [Seite der Druckausg.: 59] Segmente des Informationswesens. Digitale Medien und Telekommunikation führen offenbar dazu, dass Bibliotheken, Dokumentationen und auch Archive ihre je spezifische Art der Informationsaufbereitung zwar nicht verlieren, der Anteil der Gemeinsamkeiten und der gegenseitigen Übernahme von Erschließungs- und Aufbereitungstechniken jedoch stetig zunimmt.
Die Bibliothek als multifunktionales Informationszentrum
Bis in die neunziger Jahre hinein befasste sich die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung beinahe ausschließlich mit analogen Medien, d. h. Materialien in Printform und Mikroformen. Die wachsende Bedeutung digitaler Medien und die beständig zunehmende Leistungsfähigkeit der Informations- und Kommunikationstechniken haben bewirkt, dass die Bibliothek nun auch digitale Publikationen in ihren Bestand integriert. Die neuen Techniken und telekommunikativen Infrastrukturen haben darüber hinaus der Bibliothek zahlreiche neue Betätigungsfelder eröffnet. Es handelt sich dabei um Aufgaben und Funktionen, die entweder mit den neuen IuK-Techniken erforderlich wurden oder zum Teil, im alten medialen Kontext, von anderen erbracht wurden. Auf dem Weg zum multifunktionalen Informationszentrum übernimmt die Bibliothek die Funktionalität der digitalen und Bibliothek sowie weitere Aufgaben, die in der Vergangenheit höchst selten von Bibliotheken erfüllt wurden. Digitale Bibliothek und virtuelle Bibliothek Merkmale der digitalen Bibliothek sind die Integration externer digitaler Metadaten (bibliographischer Daten) in die Erschließungs- und Bereitstellungsinstrumente der Bib-liothek und die Integration digitaler Primärdaten (digitaler Publikationen) in den Bestand.
Die Integration externer digitaler Metadaten erstreckt sich auf die lokale Bereitstellung bibliographischer Datenbanken, die Einbindung kommerziell vertriebener digitaler Zeitschriftenaufsatzdaten und den Zugang zu dem vielfältigen Metadatenangebot des Internet.
[Seite der Druckausg.: 60] Eine weitere Kernfunktion der digitalen Bibliothek besteht gegenwärtig zweifelsohne darin, digitale Primärdaten, also digitale Bücher und Zeitschriften entweder in den eigenen Bestand zu integrieren oder den Zugriff auf digitale Publikationen, die extern vorgehalten werden, zu ermöglichen.
Die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung erhält schon jetzt etwa 200-300 Eigenveröffentlichungen der Stiftung in digitaler Form jährlich. Diese werden auf dem Volltext-Server der FES abgelegt, der von der Bibliothek betreut wird. Der externe Zugriff auf digitale FES-Publikationen aus dem Internet, der in den meisten Fällen ein kostenloses Download zulässt, erfolgt über diesen Server. Mit der Verwaltung und Erschließung des FES-Volltext-Servers übernimmt die Bibliothek distributive Aufgaben, die hinsichtlich der Printäquivalente von anderen Abteilungen wahrgenommen werden. Das Know how der bibliothekarischen Informationsspezialisten ermöglicht es der Bibliothek, hinsichtlich digitaler Publikationen verlegerische Aufgaben subsidiär zu übernehmen. So publiziert die Bibliothek mittlerweile wissenschaftliche Werke, die aus Kostengründen nur in Auszügen gedruckt werden konnten oder die kein anderer Verlag zu drucken oder digital zu publizieren bereit war. Beispiele für Werke, an deren digitaler Publikation kein kommerzielles aber ein immenses wissenschaftliches Interesse besteht, sind die Chronik der deutschen Gewerkschaftsbewegung und das biographische Lexikon der ÖTV. Beide Titel wurden von der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung im Netz publiziert und stehen zur kostenlosen Benutzung im Internet bereit. Die Bibliothek bemüht sich darüber hinaus, solche digitalen Volltexte per Download in den eigenen Bestand zu übernehmen, die in die Kernsammelgebiete fallen. Es handelt sich dabei um Graue Literatur von Parteien und Gewerkschaften und Netz-Publikationen wissenschaftlicher Gesellschaften und sonstiger Institutionen. Dieser Medientypus ist bibliographisch noch schlechter erschlossen und noch flüchtiger als gedruckte Graue Literatur. Die Beschaffung dieser Quellen kann daher nur durch die systematische Beobachtung der relevanten Informationsserver im Internet erfolgen. Der meist kostenlose Download verfolgt einen doppelten Zweck: die Literaturversorgung und die Langzeitsicherung. Da für Netzpublikationen (noch) keine Pflichtexemplarregelung existiert, die herausgebenden Institutionen ihre Informationsangebote regelmäßig aktualisieren und veraltete Daten entfernen, jedoch in den seltensten Fällen längerfristig aufbewahren, ist der Aspekt der Langzeitsicherung bei diesen Aktivitäten der Bibliothek von höchster Bedeutung. Bei einigen Organisationen wird die Bibliothek dazu übergehen, deren gesamten Informationsserver in regelmäßigen Abständen zu spiegeln, um so die Überlieferung möglichst lückenlos zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob nicht der Informationsserver als neue mediale Einheit zur Beschreibung der Fundstellen von Informationen mittels Metadaten herangezogen werden kann. Bislang jedenfalls gibt es noch keine zufriedenstellende Technik, die es erlaubt, Netzpublikationen nicht nur zu lokalisieren, sondern auch hinsichtlich ihres dynamischen (periodischen) Aspekts zuverlässig bibliographisch zu beschreiben. [Seite der Druckausg.: 61] Die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung realisiert mit der Langzeitsicherung digitaler Publikationen exakt den Vorschlag, den Siegmar Mosdorf, der Vorsitzende der Enquête-Kommission des Bundestags "Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft", artikuliert hat. Der von Mosdorf geleitete Beirat der Friedrich-Ebert-Stiftung zu dieser Enquête-Kommission hat in seinem Abschlussgutachten zur Sicherung des kulturellen Gedächtnisses in der Informations- und Wissensgesellschaft festgestellt: "Bibliotheken sind hier (...) beim Aufbau digitaler Archive gefordert. Ebenso wie es bei Büchern, Zeitschriften und Aufsätzen Belegexemplare in den Bibliotheken gibt, sollten digitale Belegexemplare erstellt und für die Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. So könnte die Deutsche Bibliothek in Frankfurt mit den Bibliotheken in den Bundesländern wichtige und bewahrenswerte deutschsprachige Informationsangebote katalogisieren, aktualisieren und archivieren." [ Siegmar Mosdorf: Bausteine für einen Masterplan für Deutschlands Weg in die Informationsgesell schaft. Beratungsergebnisse des Beirats der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Enquête-Kommission des Deut schen Bundestages "Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft – Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft". Gutachten. Bonn: Friedrich-Ebert-Stiftung 1998, S. 43.] Digitale Zeitschriften: Eine Sonderform der digitalen Volltexte stellen periodische Publikationen dar. Die Friedrich-Ebert-Stiftung gibt nicht nur Monographien, sondern auch Periodika als Hybridpublikationen heraus, d. h. sowohl in Print- als auch in digitaler Form. Denkbar ist natürlich, dass manche Titel künftig ausschließlich in digitaler Form erscheinen. Die digitale Variante der Zeitschrift "Internationale Politik und Wirtschaft" etwa wird von der Bibliothek zur Nutzung über das Internet aufbereitet und erschlossen. Die von der Bibliothek periodisch publizierten Zugangslisten und Bibliographien werden ebenfalls in digitaler Form angeboten; damit wird die Verzeichnung und Erschließung der mit DFG-Mitteln erworbenen Materialien erheblich optimiert.
Zur Präsenz im Internet gehört neben der Homepage mit ausführlicher Selbstdarstellung der Bibliothek, ihrer Bestände und Dienstleistungen auch die Bereitstellung der eigenen Katalogdatenbank (OPAC) im World Wide Web. Die Veröffentlichung eigener Katalogdaten konnte früher nur durch aufwendige gedruckte Bibliothekskataloge erfolgen, die zudem allenfalls wiederum von Bibliotheken erworben wurden. Jetzt stehen die bibliothekarischen Metadaten in digitaler Form jedem individuellen Interessenten zur [Seite der Druckausg.: 62] Verfügung. Nicht unerheblich ist dabei der Aspekt, dass die zahlreichen Auslandsmitarbeiter der FES damit jederzeit auf den Katalog der Bibliothek, in dem ja z. B. sämtliche Veröffentlichungen der Friedrich-Ebert-Stiftung verzeichnet sind, zugreifen können.
Neue ergänzende Funktionalitäten der Bibliothek
Zu den wesentlichen neuen Aufgaben gehört neben dem deutlichen Ausbau der dokumentarischen Tätigkeiten und der Integration multimedialer Informationen in den Bestand sowie in die Erschließungsinstrumente die Übernahme verlegerischer Aufgaben. Die Bibliothek als Verlag: Schon in der Vergangenheit hat die Bibliothek die gedruckte Jahresbibliographie der FES-Publikationen erstellt. Damit sowie mit Aufbau und Betreuung einer Datenbank der FES-Veröffentlichungen, aus der im Internet online Bestellungen der lieferbaren Printpublikationen angestoßen werden können, hatte die Bibliothek bereits in der Vergangenheit zur Distribution der FES-Publikationen beigetragen. Grundlage dafür ist die Pflichtablieferung aller Veröffentlichungen, die im In- und Ausland von der Stiftung herausgegeben werden, an die Bibliothek, die für die inländischen Titel als ISBN-Agentur fungiert. Neue distributive Aufgaben sind im Zusammenhang mit den digitalen Medien entstanden. Die Bibliothek betreut Erschließung und Bereitstellung der digitalen Volltexte; sie übernimmt die Rolle eines digitalen Reprintverlages, indem sie vergriffene Printpublikationen der Friedrich-Ebert-Stiftung auf Nachfrage digitalisiert und über den Volltext-Server bereitstellt. In gleicher Weise verfährt sie mit sonstigen Printpublikationen aus dem Bestand der Bibliothek, die ohne Urheberrechtsverletzung digitalisiert und publiziert werden können. In Vorbereitung ist die Digitalisierung der wichtigsten SPD-Pressedienste seit 1945. Diese bislang von der Forschung völlig unterschätzten und kaum beachteten Quellen werden damit in vielfacher Weise genutzt werden können. Die Rolle der Bibliothek als Subsidiar-Verlag für digitale wissenschaftliche Publikationen wurde bereits beleuchtet. Als Kooperationsprojekt auf EU-Ebene betreibt die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Zeit zwei weitere interessante Projekte: die digitale Edition der Parteiprogramme der Mitgliedsparteien der Sozialistischen Internationale und die digitale Edition der Programme des Europäischen Gewerkschaftsbundes und seiner Mitgliedsorganisationen. Hinzu treten noch die ebenfalls bereits erwähnten digitalen Varianten der von der Bibliothek selbst herausgegebenen periodisch erscheinenden Bibliographien. Alle diese Materialien sind über den Volltext-Server der Bibliothek im Internet zugänglich [Seite der Druckausg.: 63] oder werden es nach Abschluß der Bearbeitungsphase sein. Die Bibliothek hat damit die Funktion eines Verlages im Hinblick auf digitale Medien übernommen. Die Bibliothek als Dokumentationszentrum: Die bereits in der Vergangenheit ungewöhnlich stark vorhandenen dokumentarischen Tätigkeiten erleben mit dem Einsatz von EDV und Telekommunikation eine erhebliche Steigerung. Zusätzlich zu den schon früher regelmäßig manuell erzeugten Aufsatzdaten für ausgewählte Titel werden im Bibliothekskatalog jetzt kommerziell vertriebene digitale Aufsatzdaten in großem Umfang integriert. Der Bibliothekskatalog beschränkt sich nicht mehr auf Datensätze mit rein bibliographischer Beschreibung sondern weist jetzt auch Normdatensätze mit dokumentarisch angereicherten Inhalten auf. Personennormsätze enthalten Kurzbiographien und Körperschaftsnormdatensätze verfügen über Kurzporträts mit Angaben zu Vorläufern, Nachfolgern oder Dachorganisationen, die wiederum über Links ansteuerbar sind. Die Katalogdatenbank weist damit auch den Charakter einer Personen- und Körperschaftsdokumentation auf. Die zuvor erwähnte Konvergenzthese findet in diesen Entwicklungen eindeutig eine Bestätigung. Die Bibliothek als Multimediazentrum: Neue Aufgaben erwachsen der Bibliothek auch durch die Integration multimedialer Quellen in den Bestand und in die Erschließungsinstrumente. Mit der Einbeziehung von Multimedia-CD-ROMs in den Bestandsaufbau hielten neben Texten auch Filme und Töne Einzug in die Bibliothek. In welche Richtung die Entwicklung geht, mag an der jüngsten Erklärung des Verlags der Encyclopedia Britannica deutlich werden, demzufolge die renommierteste Encyclopädie der Welt zukünftig nur noch digital, d. h. multimedial erscheinen wird. Erschließung und Benutzung auch von Fotos, Filmen, Tönen in Kombination mit Texten wird also in Bibliotheken selbstverständlich sein und ist es in der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung bereits.
[Seite der Druckausg.: 64] datensatzes "Willy Brandt" kann man per Hyperlink etwa den Normdatensatz anderer genannter Personen (z. B. "Egon Bahr"), Körperschaften ("Sozialistische Internationale") oder Sachverhalte ("Ostpolitik") anzeigen lassen. Von größter Bedeutung ist die Ergänzung der bibliographischen Beschreibung um weitere Elemente. Im Katalog der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung werden in Kürze zusätzlich Inhaltsverzeichnisse, Klappentexte und Abstracts zu relevanten Titeln abrufbar sein. Diese Zusatzinformationen werden nicht nur als digitale Faksimiles benutzbar sein, sondern verstichwortet auch im Retrieval weitere Zugriffsmöglichkeiten bieten.
Workshop der Bibliothek zur Katalogkonversion, Juni 1995, Podium v. r.: Rüdiger Zimmermann, Hermann Rösch, Annette Euskirchen, Anneliese Bärhausen
Ausblick
Mit ihren Dienstleistungen und prototypischen Entwicklungen hat die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung bereits hohe Anerkennung im deutschen Bibliothekswesen erhalten. So hebt der Gemeinsame Bibliotheksverbund (GBV), der als Infrastruktureinrichtung der Bibliotheken aus sieben Bundesländern fungiert, in allen seinen Publikationen hervor, dass die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung mit dem Dokumentlieferdienst des GBV kooperiert und auch darüber ihre digitalen Volltexte anbietet. Beteiligt ist die Bibliothek ferner an den Dokumentlieferdiensten des DBI und natürlich am konventionellen Leihverkehr. Wegweisende Projekte wie WEBIS und Virtuelle Fachbibliothek werden ebenfalls von der Bibliothek unterstützt. [Seite der Druckausg.: 65] Die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung bleibt also klassische Bibliothek mit der Betreuung von Printmedien, der Erstellung einer Katalogdatenbank usw. Ergänzend hinzugetreten ist hingegen die Funktion der digitalen und der virtuellen Bibliothek sowie die Übernahme weiterer neuer Funktionalitäten: der Anteil dokumentarischer Tätigkeiten ist deutlich gestiegen und wird weiter zunehmen, multimediale Informationen werden beim Bestandsaufbau sowie beim Design der Erschließungsinstrumente integriert, und schließlich hat die Bibliothek im Hinblick auf digitale Publikationen die Aufgaben eines Verlages übernommen. Die Bibliothek hat sich damit zu einem multifunktionalen Informationszentrum entwickelt, dessen Spektrum sich erheblich erweitert hat. Diese Entwicklung ist keineswegs abgeschlossen, signalisiert jedoch bereits den Bedeutungszuwachs, den die Infrastruktureinrichtung Bibliothek in der Informationsgesellschaft zu gewinnen im Stande ist. Die neuen Tätigkeitsfelder ermöglichen es der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, Dienstleistungen zu erbringen, die mit den digitalen Medien dringend notwendig wurden und die von keiner anderen Abteilung des Hauses professionell angeboten werden können. Die Bibliothek erlangt damit für den Unterhaltsträger einen erheblich höheren Stellenwert als zuvor, weil ihr Beitrag zur Informationsdistribution, die für die Friedrich-Ebert-Stiftung auch Öffentlichkeitsarbeit ist, enorm gestiegen ist.
© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Dezember 1999 |