Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den
Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger
Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der
Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999
Ruhrbergarbeiter beginnen einen Streik um die achtstündige Schicht, Beseitigung der Unternehmerarbeitsnachsweise, Einschränkung der Geldstrafen und Lohnaufbesserungen wegen der stark gestiegenen Lebenshaltungskosten. Im Gegensatz zum Gewerkverein der Bergarbeiter und der polnischen Bergarbeitervereinigung lehnt der christliche Verband eine Teilnahme am Streik ab, ohne verhindern zu können, daß sich zahlreiche christliche Bergarbeiter den Streikenden anschließen. Trotzdem erreicht die Zahl der Streikenden etwa 250.000. Militär wird in das Streikgebiet verlegt. Es kommt zu Zusammenstößen mit den Streikenden, bei denen vier Arbeiter getötet und zahlreiche verletzt werden. Am 19. März wird der Streik, wesentlich wegen dieses Vorgehens von Militär und Polizei, erfolglos abgebrochen. Von 577 Delegierten auf der Ruhrrevierkonferenz stimmen zwar noch 347 für die Fortsetzung des Streiks. Die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit ist damit jedoch nicht erreicht. In einem gemeinsamen Aufruf von Generalkommission und SPD-Parteivorstand werden die Bergleute aufgefordert, sich nicht zu unüberlegten Handlungen provozieren zu lassen. "Kommen trotzdem Störungen vor, dann fällt die Verantwortung denen zu, die das Verlangen friedlicher Arbeiter nach Brot beantwortet haben mit dem Rufen nach Säbeln, Flinten und Maschinengewehren." Zahlreiche Streikende werden zu Zuchthaus- bzw. Gefängnisstrafen verurteilt.
Stichtag:
11./19. März 1912
Nach dem Ruhrbergarbeiterstreik wird in mehr als 2.000 Fällen Anklage erhoben. Der Bergarbeiterverband gewährt 1.380 Mitgliedern Rechtsschutz, in 1.206 Fällen wird über den Ausgang der Prozesse informiert. 299 Männer und 84 Frauen erhalten Gefängisstrafen, 247 Männer und 148 Frauen Geldstrafen, 280 Männer und 92 Frauen werden freigesprochen. In 29 Fällen wird das Verfahren eingestellt. Nach der Aufstellung des Bergarbeiterverbandes werden insgesamt 30 Jahre, 11 Monate, 4 Wochen und 4 Tage Gefängnis sowie 16.345 Mark Geldstrafe verhängt. In der überwiegenden Zahl der Fälle lautet die Anklage auf Beleidigung und Drohung.