Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den
Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger
Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der
Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999
Der SPD-Parteitag in Nürnberg beschäftigt sich mit der Maifeier; der Parteivorstand wird beauftragt, über die Unterstützungsfrage noch einmal mit der Generalkommission zu verhandeln. Die Angestellten der Partei und die Parteimitglieder, die am 1. Mai feiern und keinen Lohnausfall erleiden, wären verpflichtet, einen Tagesverdienst in die Aussperrungskasse zu zahlen.
Stichtag:
13./19. September 1908
Über die Budgetbewilligung wird lebhaft diskutiert. Mit 258 gegen 119 Stimmen werden die Resolutionen von Lübeck und Dresden bestätigt. 66 Delegierte erklären, daß für spezielle Landesfragen die Landesorganisationen zuständig sind.
Der Parteitag erklärt, daß jede Mitarbeit von Parteimitgliedern in dem mit der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften verbundenen Verein mit den Grundsätzen und Interessen der Sozialdemokratie unvereinbar ist.
Der Parteitag verlangt zur Sozialpolitik die baldige Verwirklichung der in München aufgestellten Forderungen zur Arbeiterversicherung, die Schaffung eines einheitlichen Arbeiterrechts und gesetzliche Vorschriften für Wohlfahrtseinrichtungen, sowie die Sicherung des geistigen Eigentums an Erfindungen und Entdeckungen. Er wendet sich entschieden gegen die vorgesehene Reichsfinanzreform, die nur wieder die Erhöhung und Einführung neuer indirekter Steuern vorsehe. Der Parteitag fordert erneut die Abschaffung aller indirekten Steuern, die Einführung einer stufenweise steigenden Reichs-Einkommens- und -Vermögenssteuer und die Reform der Erbschaftssteuer.
Die Ausnahmegesetze gegen die Polen, besonders das Verbot der Muttersprache in öffentlichen Versammlungen, werden abgelehnt. Dem Proletariat Deutschlands wird es zur besonderen Pflicht gemacht, mit allen in Betracht kommenden Mitteln für die Überwindung des chauvinistischen Geistes und die Sicherung des Friedens einzutreten.
Der Parteitag spricht sich - wie die Gewerkschaften - für die Bildung von Kommissionen aus. Die Kommissionen werden aus Vertretern der örtlichen SPD und der Gewerkschaftskartelle unter Hinzuziehung von Vertrauenspersonen der jugendlichen Arbeiter und Arbeiterinnen zusammengesetzt - ihnen soll mindestens ein weibliches Parteimitglied angehören.
Die Kommissionen sollen dahin wirken, daß die Gewerkschaftskartelle für den Lehrlingsschutz eintreten. Die wirtschaftliche Interessenvertretung und die Entscheidung über politische Parteifragen bleiben Aufgabe der gewerkschaftlichen und der politischen Organisation.