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TITEL/INHALT

Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999

Stichtag:
1902

Die Wirtschaftskrise dauert an. Nach der Elektrizitäts- und der Holzindustrie sowie dem Baugewerbe ist nun auch der Bergbau und die Maschinenindustrie betroffen. Die Frage einer gesetzlichen Regelung der Arbeitslosenversicherung rückt neben der Zollfrage in den Mittelpunkt der sozialpolitischen Diskussion.

In seinem Buch "Die Arbeiterfrage" stellt Heinrich Herkner fest, daß die Mechanisierung und Technisierung der Produktion den Industriearbeiter degradiere zum "Diener der Maschine", die ihm "jede Möglichkeit individueller Gestaltung" raubt; dem Maschinenarbeiter bleibe oft die Bedeutung seiner Einzelverrichtung im Porduktionsprozeß unbekannt, die ständig monotone Wiederholung ein und desselben Handgriffs stumpft ihn ab, macht ihn "willenlos, gedankenlos, kraftlos".
Andererseits beschleunigen Mechanisierung und arbeitsteilige Spezialisierung den Abbau von Berufsstolz, von Herkunfts- und Standesunterschieden. Der maschinelle Produktionsprozeß erzeugt im einzelnen Arbeiter ein Zusammengehörigkeitsgefühl mit seinem Arbeitskollegen, der den gleichen Zwängen ausgesetzt ist. Der Fabrikbetrieb wird für die Industriearbeiter zu einer "Musterschule der Solidarität".

Die Statistiken der Generalkommission werden durch Vergleiche zwischen gewerkschaftlichen und amtlichen Streikstatistiken ergänzt.

Ein Jahr nach den großen Streikbewegungen im Jahre 1901 verlangen die Berliner Schuhfabrikanten, die gleichzeitig den Arbeitsnachweis in ihren Händen haben, von den Arbeitern eine schriftliche Erklärung, keine Zahlung mehr an ihren gewerkschaftlichen Verband zu leisten. Gegen tausend Betroffene weigern sich, eine derartige Unterschrift zu leisten. Daraufhin sperren die Unternehmer die Arbeiter aus. Nach fünfwöchigem Kampf sehen sich die Fabrikanten genötigt, den Revers zurückzuziehen.

Das Reichstagsgericht erkennt die Aussperrung als Mittel des Arbeitskampfes als rechtmäßig an.

Von 222 befragten Städten in Preußen haben 144 paritätisch besetzte Arbeitsnachweisbüros eingerichtet.
1906 spricht sich der Städtetag in Hannover für die allgemeine Einführung der paritätischen Arbeitsnachweise aus.

Der christliche Gewerkverein der Heimarbeiterinnen beschließt auf seinem ersten Verbandstag folgende Forderungen: Ausdehnung der Invaliden- und Krankenversicherung; Hinterbliebenenversicherung; Einführung von Lohnbüchern, behördliche Listenführung, Wohnungsinspektion, Ausdehnung der Gewerbeinspektion mit weiblicher Aufsicht, Verbot der Mitgabe von Hausarbeit an Werkstattarbeiterinnen und Förderung von Tarifverträgen.

Für die polnischen Bergarbeiter im Ruhrgebiet wird eine "Polnische Berufsvereinigung" gegründet, die katholisch und nationalpolnisch orientiert ist und innerhalb von 10 Jahren 51.000 Mitglieder gewinnt.

Eine Verordnung des Bundesrates löst den Arbeiterschutz in Gast- und Schankwirtschaften nur unzulänglich.

Der Anteil der ungelernten und angelernten (Bohrer, Fräser, Hobler, Stanzer u.a.) Mitglieder an der Gesamtmitgliederzahl im Metallarbeiterverband beträgt 10,9%. Er steigt 1906 auf 16,2% und erreicht 1913 18,6%.


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net edition fes-library | 1999