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TITEL/INHALT

Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999

Stichtag:
3./9. Juni 1895

Im Mittelpunkt des zwölften Verbandstages der Gewerkvereine in Danzig steht die Frage, was die Gewerkvereine tun können, um die Lohn- und Arbeitsverhältnisse zu verbessern. M. Hirsch selbst spricht zu diesem Thema, denn "immer dränge sich den Gewerkvereinsmitgliedern das Gefühl auf, es müsse nach der Richtung mehr geschehen, dazu komme das fortwährende Drängen der radikalen Organisationen".
Nach langer Diskussion werden folgende von M. Hirsch aufgestellt Leitsätze angenommen:
"I. Gute Löhne und geregelt kurze Arbeitszeiten sind nicht nur für die gesundheitliche, sittliche und geistige Hebung der Arbeiter und ihrer Familien, sondern auch im wahren, dauernden Interesse der Unternehmer, der bürgerlichen Gesellschaft und des Staates, insbesondere zur Verhütung von Geschäftsstockung und Massenarbeitslosigkeit, dringen erforderlich.
II. Durch die ungeheuren technischen Produktions- und Verkehrsfortschritte einerseits, durch den bedeutenden Rückgang des Kapitalzinses und eines Teils der Bodenrente andererseits, ist die wirtschaftliche Möglichkeit der Lohnerhöhung und Arbeitszeitverkürzung ohne Schädigung der anderen Klassen gerade in unserer Zeit und für unser Land gegeben. Die Erfahrung hat überdies unwiderleglich festgestellt, daß bessere Löhne und kürzere Arbeitszeiten die Leistungen der Arbeiter und damit die Betriebsergebnisse erhöhen.
III. Nur die freie Berufsorganisation der Gewerkvereine vermag aber in der Regel durch Zusammenfassung der als Einzelne ohnmächtigen Arbeiter die tatsächliche Verbesserung der Lohn- und Arbeitszeitverhältnisse in ausreichendem Maße zu erwirken und aufrecht zu erhalten. In der hierauf gerichteten planmäßigen Tätigkeit liegt, angesichts der größtenteils unzureichenden Löhne und übermäßigen Arbeitszeit in Deutschland, die wichtigste Aufgabe auch der deutschen Gewerkvereine (Hirsch-Duncker) und ihres Verbandes."
Es werden dann im einzelnen alle Mittel aufgezählt als: Kennenlernen des Arbeitsmarktes - Reise-, Übersiedelungs- und Arbeitslosenunterstützung - Schiedsgerichte und Einigungsämter - Benutzung guter Geschäftskonjunkturen, dann heißt es am Schluß: "Im äußersten Fall, bei Versagen aller friedlichen Mittel und wenn zur Durchsetzung berechtigter Forderungen auch günstige Verhältnisse und genügende Fonds vorhanden sind, Anwendung des gesetzlichen Rechts der Arbeitseinstellung in energischer, aber besonnener Weise und mit dem Ziele möglichst baldigen dauernden Friedens. Daher soweit irgend tunlich, selbständiges Vorgehen unserer Organisation; erforderlichenfalls jedoch in gerechter Sache Zusammenwirken mit anderen heimischen und gesinngungs-verwandten ausländischen Arbeitervereinigungen."
Die Organisationen sollen verstärkt Arbeitnehmer aus neuen Berufen gewinnen.
Doch auch auf diesem Verbandstag hören die internen Diskussionen nicht auf. Die Differenzen mit dem Düsseldorfer Ortsverband verschärfen sich, weil die Zeitung einen Artikel mit Angriffen auf den Verbandstag nicht veröffentlicht hat.



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