Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den
Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger
Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der
Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999
In Deutschland beginnt eine Wirtschaftskrise, die bis 1893 dauert. Die Arbeitslosigkeit steigt schätzungsweise auf 6%. Bei der Neukonstituierung des Allgemeinen Brauerverbandes wird für reisende Mitglieder eine Unterstützung in Form von Kilometergeld gewährt. Die Zeitschrift "Arbeiterfreund" veröffentlicht den "Entwurf zu einem Statut für katholische Fachvereine". Obwohl auf die Verfolgung materieller Interessen abgestellt, sollen die geplanten Fachvereine die geistige Ausbildung der Arbeiter, die Anbahnung eines christlichen Verhältnisses zum Arbeitgeber, die genossenschaftliche Gestaltung des Gewerbes, die Unterstützung hilfsbedürftiger Mitglieder und Beratung in beruflichen Rechtsstreitfragen als Aufgaben übernehmen. Die Mitgliedschaft ist auf Katholiken beschränkt. Eine einflußreiche Rolle spielt bei der Diskussion um soziale Reformen und soziale Politik die seit 1891 erscheinende "Soziale Praxis", die sowohl von Regierungsstellen, in städtischen und staatlichen Verwaltungsbüros, in bürgerlichen und sozialdemokratischen Redaktionsstuben wie in Gewerkschaftszentralen gelesen und ausgewertet wird. Sie schlägt "selbst in Zeiten der Stagnation der sozialen Gesetzgebung eine stetige Brücke zur sozialdemokratischen Arbeiterschaft". Auf dem ersten Verbandstag der Sattler wird Johann Sassenbach zum Vorsitzenden gewählt. Die Generalversammlung der Handschuhmacher nimmt ein "Reglement für die Redaktion" der Verbandszeitung an. Die ersten beiden Forderungen lauten: "1. Der 'Handschuhmacher' soll die Tendenz eines reinen Gewerkschaftsorgans behalten, dabei dennoch der modernen Arbeiterbewegung in jeder Hinsicht Rechnung tragen. 2. Da unsere Kollegen vielfach die Arbeiterbewegung, die Natur und das Wesen des Kapitals noch nicht richtig erfaßt haben, hat die Redaktion für Aufklärung hauptsächlich nach dieser Seite zu sorgen." Der "Zentralverein der deutschen Former sowie aller in Eisen- und Metallgießereien beschäftigten Arbeiter" wird gegründet. Er nennt sich seit 1897 "Zentralverband der Former und Berufsgenossen". In Berlin wird die halbstaatliche "Zentralstelle für Wohlfahrts-Einrichtungen" gegründet, deren Schwerpunkt das Arbeiterwohnungswesen, vor allem der Ausbau der Spar- und Bauvereine ist. Der "Verband aller in der Textilindustrie beschäftigen Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands" wird als Nachfolgeorganisation der 1887 aufgelösten "Gewerkschaft der Manufakturarbeiter" gegründet.
Stichtag:
1891
Dadurch stagniert die weitere organisatorische Entwicklung der Gewerkschaften oder ist z.T. sogar rückläufig in dieser Zeit.
1896 wird eine Erwerbslosenunterstützung eingeführt. Ob jemand am Ort arbeitslos wird, sich auf die Reise begibt oder durch Krankheit erwerbslos wird - für alle diese Fälle gelten die gleichen Leistungen.
1898 wird eine Umzugsunterstützung im Statut verankert. Sie gilt zunächst für Streikende und Gemaßregelte.
1892 wird zum ersten Mal eine Frau Mitglied des Verbandes.
Seit 1900 gilt ein Interesse "der Jugendpflege, später auch dem Lehrlingswesen und der Berufserziehung des gewerblichen Nachwuchses".
Dieser Industrieverband kann trotz konjunktureller Schwankungen bis zur Jahrhundertwende seinen Mitgliederbestand ständig erhöhen. Der Organisationsgrad bleibt jedoch außerhalb der Färbereien, besonders in der Baumwoll- und Leinenindustrie, sehr gering. Die Frauen- und die Heimarbeit sowie der landwirtschaftliche Nebenerwerb vieler Arbeiter und die Verlagerung der Fortbildungsstätten in Kleinstädte und Dörfer zur Streckung der Lohnkosten sind organisationserschwerend.