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TITEL/INHALT

Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999

Stichtag:
Ende 1890

Nach Angaben der Polizei gibt es 59 Gewerkschaften mit 3.226 Zweigvereinen und rund 240.000 Mitgliedern. Die Gewerkschaften geben 45 Zeitungen mit einer Auflage von rund 150.000 Exemplaren heraus.

Der größte Teil der Mitglieder der deutschen Gewerkschaften ist vor allem in den größeren Städten konzentriert. So entfällt fast die Hälfte aller organisierten Metallarbeiter auf die Orte Berlin, Hamburg-Altona, Remscheid, Hannover, Nürnberg und Stettin.
Ähnlich liegen auch die Verhältnisse in der Maurerbewegung. Nach einer im "Grundstein" veröffentlichten Statistik bestehen 294 örtliche Fachvereine der Maurer mit 33.377 Mitgliedern. Allein in Hamburg-Altona, Berlin, Frankfurt a. Main und Halle sind rund 10.000 Maurer organisiert.
1896 haben 27 von 41 Zentralverbänden mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder in Großstädten mit über 100.000 Einwohnern.
Die kleineren Orte mit weniger als 5.000 Einwohnern, in denen fast die Hälfte aller Arbeiter in der Industrie und im Handel beschäftigt sind, stellen nur einen geringen Anteil der Gewerkschaftsmitglieder. 1896 sind es 6,9 Prozent.
Die deutschen Gewerkschaften haben, wie die sozialdemokratische Partei, gegen Ende des Sozialistengesetzes ihre Hauptbasen in Hamburg mit Ausstrahlung nach Kiel bis Rostock, in Berlin, im Rheingebiet um Köln und Düsseldorf und dem bergischen Land südlich der Ruhr; in dem Gebiet zwischen Hannover und Braunschweig bis Magdeburg; in Sachsen und Thüringen, dem Harzgebiet sowie dem Maingebiet und in Mannheim, in Stuttgart, München und Nürnberg mit Umgebung und schließlich gleichsam als Vorposten in Stettin und Königsberg.
Die meisten der führenden Gewerkschaftsfunktionäre sind noch sehr jung. So sind beispielsweise von neun Vorstandsmitgliedern des Deutschen Metallarbeiterverbandes drei unter 30 Jahre, drei unter 40 Jahre (darunter der Vorsitzende) und drei bis zu 50 Jahren. Das älteste der fünf Vorstandsmitglieder des Unterstützungsverbandes Deutscher Buchbinder zählt 37 Jahre, drei sind jünger als 30 Jahre. Das Durchschnittsalter der sechs Vorstandsmitglieder des Unterstützungsverbandes für Mechaniker, Optiker usw. liegt unter 26 Jahre. Das Durchschnittsalter der auf dem Halberstädter Kongreß gewählten Mitglieder der Generalkommission ist zur Zeit der Wahl 32,6 Jahre.
Auffällig ist ferner die Tatsache, daß die führenden Funktionäre meist nicht aus dem Ort stammen, an dem sie gewerkschaftlich wirken; sehr oft kommen sie aus weit entfernten Gebieten.
Die Gewerkschaften stehen in den kommenden Jahren vor dem schwierigen Problem, ihre Organisationen der Erfahrungswelt der rasch wachsenden Zahl der Fabrikarbeiter anzupassen, da die Arbeitssituation der Fabrikarbeiter sich weitgehend von der des Handwerkers unterscheidet. Die Mechanisierung der Produktion degradiert den Industriearbeiter zum "Diener der Maschine", die ihm keine Möglichkeit der individuellen Gestaltung gibt. Hinzu kommt auch sehr häufig eine starke Isolierung am Arbeitsplatz, den er nur in Ausnahmefällen verlassen kann.

In Berlin wird eine "Arbeiterinnen-Agitation-Kommission" als Zentrale für die Arbeiterinnenbewegung eingerichtet, der u.a. auch Emma Ihrer angehört.

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