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TITEL/INHALT

Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999

Stichtag:
16./17. November 1890

An der im August einberufenen Gewerkschaftskonferenz in Berlin nehmen 74 Delegierte, darunter 9 weibliche, teil.
Die Tagesordnung lautet: 1. Stellungnahme der Gewerkschaften zu den Streiks und die eventuelle gegenseitige Unterstützung derselben; 2. Stellungsnahme der Gewerkschaften zu den Unternehmerkoalitionen und deren Vorgehen gegen die Arbeiterorganisationen; 3. die Organisationsfrage im allgemeinen; 4. Ernennung einer Kommission zur Einberufung eines allgemeinen Gewerkschaftskongresses.
Die nach lebhaften kontroversen Diskussionen angenommene Resolution lautet:
"In Erwägung, daß die lokale Organisation als erste Form derselben den heutigen Produktionsverhältnissen nicht mehr entspricht, die wirtschaftliche Notlage des Arbeiterstandes vielmehr die Zusammenfassung aller Kräfte dringend erheischt, erklärt die Konferenz die zentralistische Organisationsform als die zurzeit allein richtige. Die Konferenz empfiehlt daher allen bestehenden Lokalvereinen, sich der betreffenden Zentralisation anzuschließen."
Es folgt dann die Forderung nach einem "Zusammengehen" der Zentralorganisation "zum Zweck der Verteidigung des Organisationsrechtes der Arbeiter und zur Kräftigung dieser Zentralorganisation", da die Unternehmerorganisationen eine schwere Gefahr für das Bestehen auch dieser zentralistischen Organisationen bieten. Von der sofortigen Einberufung eines "allgemeinen" Gewerkschaftskongresses wird wegen der Vorbereitung einer Gewerbeordnungsnovelle zunächst abgesehen. Ein solcher Kongreß soll jedoch sogleich nach Bekanntwerden des Wortlauts der Gesetzesvorlage stattfinden:
"Die Konferenz wählt aus ihrer Mitte eine Kommission von sieben Mitgliedern, welche unter Berücksichtigung der Gewerbeordnungsnovelle die Vorlage für den Kongreß auszuarbeiten, Zeit und Ort festzustellen und denselben einzuberufen hat.
Die Konferenz empfiehlt dem [geplanten] Kongreß: eine Kommission von 7 bis 9 Personen zu wählen, welche allen Angriffen der Unternehmer auf das Organisationsrecht der Arbeiter, gleichviel welcher Branche, energisch entgegenzutreten, bzw. jeden Widerstand der Einzelorganisationen tatkräftig zu unterstützen hat.
Ferner hat diese Kommission für Organisiserung der wirtschaftlich zu schwach gestellten Arbeiter einzutreten und deren Organisationen tatkräftig zu unterstützen, sowie die Agitation zur Verbreitung der Organisation in den noch unorganisierten Landesteilen zu leiten.
Die für die Tätigkeit der Kommission notwendigen Mittel, insbesondere diejenigen zur Unterstützung der Abwehrstreiks, werden durch Beiträge der Gewerkschaften je nach Maßgabe der Mitgliederzahl aufgebracht. Das Aufbringen dieser Gelder seitens der einzelnen Gewerkschaften bleibt diesen überlassen.
Bis zum Zusammentritt des Kongresses wird die von der Konferenz gewählte Kommission mit der Ausübung der Befugnisse dieser vom Kongreß einzusetzenden Kommission betraut."
In diese Kommission werden folgende Delegierte gewählt:
Adolf Dammann, Hamburg, "Geschäftsleiter" der Maurer;
Adolf von Elm, Hamburg, Vorsitzender der Zentralorganisation der Zigarrensortierer;
Carl Legien, Hamburg, Vorsitzender der Zentralorganisation der Drechsler;
Karl Kloß, Stuttgart, Vorsitzender der Zentralorganisation der Tischler;
Theodor Schwartz, Lübeck, "Vertrauensmann" der Former;
Theodor Glocke, Berlin, Repräsentant der Berliner Gewerkschaftsbewegung;
Emma Ihrer, Velten bei Berlin, Repräsentantin der Arbeiterinnenbewegung.
Von diesen 7 Kommissionsmitgliedern ist T. Glocke zwar Vorsitzender des noch verbandsunabhängigen Tischlervereins, gehört jedoch nicht zu den Repräsentanten "lokalistischer" Gewerkschaften.
Emil Döblin, der Vorsitzende der Buchdrucker, spricht sich gegen die "Zentralkommission" aus.
Die Konferenz fordert alle Gewerkschaften auf, ihre Statuten so abzuändern, daß auch die Arbeiterinnen ihnen beitreten können. Die Delegierten protestieren entschieden gegen die geplanten verschärften Strafbestimmungen in der Gewerbegesetznovelle.



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