Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den
Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger
Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der
Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999
In Berlin gelingt es dem "Allgemeinen Brauerverband", das "Kost- und Logiswesen" - das Wohnen im Betrieb - zu durchbrechen. In diesem Jahr bestehen folgende Holzarbeiterorganisationen: Bis zu diesem Jahr werden außerhalb des Buchdruckergewerbes in 17 Branchen verschiedener Wirtschaftszweige 64 Tarifverträge bekannt, von denen 51 über 1890 in Kraft bleiben. Der "Verband deutscher Kürschner, Zurichter, Mützenmacher und verwandter Berufsgenossen" wird gegründet. A. Bebel veröffentlicht eine Broschüre über die miserablen Arbeitsbedingungen in den Bäckereien: "Zur Lage der Arbeiter in den Bäckereien". Nachdem bereits auf der zweiten Generalversammlung der geistlichen Präsides der katholischen Arbeitervereine 1889 die Meinung vertreten wurde, man solle den Arbeitern bei gerechten und erfolgversprechenden Lohnbewegungen mit Rat und Tat zur Seite stehen, "damit uns die Arbeiter nicht abspenstig gemacht werden und damit die Bewegung im rechten Gleise bleibt", hofft man auf der 3. Generalversammlung, daß es später gelingen möge, neben den Arbeitervereinen "Berufsvereinigungen" zu bilden: "Die Sammlung der christlich gesinnten Arbeiter in Gewerkvereinen zur Vertretung der fachlichen Interessen und der Zusammenschluß aller Gutgesinnten zu allgemeinen Arbeitervereinen, in denen das gesellige, geistige und religiöse Leben gefördert wird, ist anzustreben." Das Oberbergamt Bonn ordnet für die staatlichen Zechen im Saargebiet die Bildung von Vertrauensmännerausschüssen an. Seit 1871 steigt die Zahl der Großstädte von 8 auf 25, die Zahl deren Einwohner von 2 auf 6 Millionen, d.h von 4,8 auf 12,1 Prozent der Gesamtbevölkerung.
Stichtag:
1890
In den folgenden Jahren gelingt das auch in den anderen größeren Städten. Auf dem Lande ist es dagegen nur schwer abzuschaffen.
Diese Übersicht zeigt am Beispiel der Holzarbeiter die noch vorherrschende Zersplitterung der Berufsorganisationen. Die Existenz dieser zahlreichen Verbände engt ihre Wirksamkeit und Schlagkraft ein. Sie erschwert auch die Verständigung untereinander.
48 Verträge waren zwischen 1884 und 1890 zustande gekommen. Die Tarifverträge verteilen sich auf 38 vor allem größere Orte.
61 Verträge in Nord- und Mitteldeutschland stehen nur 3 Abschlüsse in Süddeutschland gegenüber. Völlig unbekannt sind Tarifverträge noch in der Großindustrie.
In einigen Verträgen sind Schlichtungs- und Überwachungsinstitutionen, in nur 5 genaue Arbeitszeitregelungen vereinbart.
Die meisten Tarifverträge enthalten neben einer Festsetzung der 10stündigen Arbeitszeit differenzierte Normen für Akkordleistungen. In einigen Verträgen sind auch Abmachungen über Einigungsämter und Schlichtungsausschüsse enthalten. Die Anerkennung der Tarifnormen durch die Vertragspartner ist weitgehend von einem bestehenden Machtgleichgewicht und damit auch von konjunkturellen Schwankungen abhängig.
In der Einleitung weist A. Bebel auf die Mängel der deutschen Sozialstatistik hin. Hauptzweck seiner Arbeit sei, ein getreues Bild der Zustände in den Bäckereien der einzelnen Orte zu geben. Die katastrophalen Verhältnisse in der Arbeitszeit, Entlohnung, Unterbringung, Verpflegung und im gesundheitlichen Zustand - hier besonders das häufige Vorkommen der Tuberkulose - der Bäckereiarbeiter werden anhand einer Fragebogenaktion, an der sich insgesamt 663 Bäckereien in 89 Orten beteiligen, aufgedeckt. Bebels Untersuchung ruft großes Aufsehen hervor. Eine daraufhin erfolgte amtliche Enquete ergibt, daß die Verhältnisse noch schlimmer sind, als A. Bebel sie schildert. Die Wirkung von A. Bebels Schrift ist an der Novelle der Gewerbeordnung von 1891 und der Bäckereiverordnung von 1896 abzulesen.