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TITEL/INHALT

Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999

Stichtag:
1881

In seiner Schrift "Schutz dem Arbeiter" fordert F. Hitze gesetzliche Möglichkeiten, "daß die Arbeiter sich in ruhigen Zeiten organisieren, daß sie den Besten und Tüchtigsten ihres Standes mit ihrem Vertrauen auszeichnen und an die Spitze stellen können; man gebe ihnen die Möglichkeit einer regelmäßigen Verwaltung, Organe, um mit Umsicht und Besonnenheit über die Möglichkeit einer Lohnerhöhung zu beraten, mit dem Arbeitgeber resp. deren Vertretern in Unterhandlung zu treten."

Bei der Weberei Franz Brandts in Mönchen-Gladbach wird nach der 1873 gegründeten Krankenkasse ein "Ältestenkollegium" eingerichtet, in dessen Statut die Beschränkung der Unternehmergewalt und die Übertragung von betrieblichen Befugnissen auf die Betriebsvertretung, die aus vier Vertretern der Firma und acht von der Generalversammlung gewählten Arbeitermitgliedern besteht, festgelegt wird. Das Kollegium besitzt für die 280 vertretenen Arbeitnehmer eine ganze Reihe von verwaltenden, kontrollierenden und vermittelnden Rechten: Die Verwaltung der verschiedenen Unterstützungskassen, das Recht zum Erlaß von Unfallverhütungsvorschriften sowie die Befugnis zur Änderung und Ergänzung der Fabrikordnung, wozu allerdings die Genehmigung von F. Brandts nötig ist. F. Hitze berichtet, daß der Vorstand jahrelang selbständig beraten und beschlossen und der Fabrikinhaber in keinem einzigen Fall einem Beschluß die Ausführung versagt habe. Damit ist auch die Gleichberechtigung der Arbeitervertretung bei der Festsetzung der Arbeitsordnung anerkannt. Auch weibliche Arbeitskräfte sitzen in dem Ältestenkollegium, und zur gutachtlichen Unterstützung dürfen besondere "Vertrauensmänner" aus den einzelnen Betriebsabteilungen zusätzlich gewählt werden. Diese Vertrauensmänner haben zusammen mit dem Ältestenkollegium auf die Einhaltung der fünf Paragraphen umfassenden "sittlichen Bestimmungen" zu achten. Für Trunkenheit, Schlägerei, unsittlichen Lebenswandel inner- und außerhalb des Werkes sind harte Strafen angedroht, die allein der Arbeitervorstand ausführen kann, wenn der Unternehmer sich das nicht selbst vorbehält. Die Lohnfrage soll ein für allemal vom Arbeitsgebiet der Ältestenkollegien ausgeschlossen werden. Die Belegschaft soll - das ist die Auffassung von F. Brandts - durch ideelle und nicht materielle Vorstellung gewonnen werden.
In diesen Jahren werden in zahlreichen Betrieben ähnliche Betriebsvertretungen geschaffen. Sie werden an der Kontrolle über die Fabrikordnungen, an den Verwaltungen der betrieblichen Sozialeinrichtungen beteiligt. Sie haben auch mit über die Sittlichkeit der Arbeiter zu wachen und werden in einigen Fällen in die Beratungen über Löhne und Arbeitszeiten mit einbezogen.
Dabei wird seitens der Unternehmer selbst darauf verwiesen, daß mit Hilfe dieser Institutionen der Sozialdemokratie der Boden für weitere Agitation in den Fabriken entzogen werden soll.



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