Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den
Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger
Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der
Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999
Auf dem Kongreß in Gotha vereinigen sich die beiden sozialdemokratischen Parteien zur "Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands". Der ADAV hat 15.322 Mitglieder, die "Eisenacher" 9.121 Mitglieder.
Stichtag:
22./27. Mai 1875
Das angenommene "Gothaer Programm" ist ein Kompromiß zwischen beiden Parteien: "Die Arbeit ist die Quelle allen Reichtums und aller Kultur ... Die Befreiung der Arbeit erfordert die Verwandlung der Arbeitsmittel in Gemeingut der Gesellschaft ... Die Befreiung der Arbeit muß das Werk der Arbeiterklasse sein, der gegenüber alle anderen Klassen nur eine reaktionäre Masse sind. Die Partei erstrebt mit allen gesetzlichen Mitteln den freien Staat und die sozialistische Gesellschaft, die Zerbrechung des ehernen Lohngesetzes durch Abschaffung des Systems der Lohnarbeit, die Aufhebung der Ausbeutung in jeder Gestalt, die Beseitigung aller sozialen und politischen Ungleichheit... die Errichtung von sozialistischen Produktivgenossenschaften mit Staatshilfe unter demokratischer Kontrolle des arbeitenden Volkes." Die Organisation von Gewerkschaften wird vom Kongreß für notwendig erachtet, da sie die Sache der Arbeiter fördere, soweit es unter den wirtschaftlichen Verhältnissen der heutigen Gesellschaft möglich sei. Konkret wird von der neuen Partei u.a. gefordert: Ein den Gesellschaftsbedürfnissen entsprechender Normalarbeitstag, Verbot der Sonntagsarbeit, Verbot der Kinderarbeit und aller die Gesundheit und Sittlichkeit schädigenden Frauenarbeit, Schutzgesetze für Leben und Gesundheit der Arbeiter, sanitätliche Kontrolle der Arbeiterwohnungen, Überwachung der Bergwerke, der Fabrik-, Werkstatt- und Hausindustrie durch von den Arbeitern gewählte Beamte, ein wirksames Haftpflichtgesetz, volle Selbstverwaltung für alle Arbeiterhilfs- und Unterstützungskassen.
Bischof W. E. v. Ketteler verneint in der Auseinandersetzung mit diesem Gothaer Programm, daß "ein katholischer Arbeiter Mitglied der sozialistischen Arbeiterpartei" sein könne.