Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den
Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger
Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der
Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999
Auf einen Kongreß in Eisenach beschließen Vertreter der sozialdemokratischen Parteien und der Arbeitervereine die "Sozialdemokratische Arbeiterpartei" zu gründen. In ihrem Programm erklärt sich die Partei ausdrücklich als Zweig der IAA. Der Kampf für die Befreiung der arbeitenden Klassen sei nicht ein Kampf für Klassenprivilegien und Vorrechte, sondern für gleiche Rechte und gleiche Pflichten und für die Abschaffung aller Klassenherrschaft. Die ökonomische Abhängigkeit des Arbeiters von den Kapitalisten bilde die Grundlage der Knechtschaft in jeder Form. Die Sozialdemokratische Partei erstrebe deshalb, unter Abschaffung der jetzigen Produktionsweise, den vollen Arbeitsertrag für jeden Arbeiter und den "Freien Volksstaat". Als nächste Forderungen werden genannt: Erteilung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts an alle Männer vom 20. Lebensjahr für das Parlament und die Landtage der Einzelstaaten; direkte Gesetzgebung durch das Volk; Abschaffung aller indirekten Steuern; Einführung einer progressiven Einkommens- und einer Erbschaftssteuer; Errichtung der Volksheere an Stelle der stehenden Heere; Trennung von Kirche und Staat; Unabhängigkeit der Gerichte; Einführung der Geschworenen- und Fachgewerbegerichte; Koalitions-, Vereins- und Pressefreiheit; der Normalarbeitstag; Einschränkung der Frauen-, Verbot der Kinderarbeit; staatliche Förderung des Genossenschaftswesens und Staatskredite für freie Produktionsgenossenschaften unter demokratischen Garantien.
Stichtag:
7./9. August 1869
In der Diskussion wird zum ersten Mal für Frauen der gleiche Lohn für gleiche Arbeit verlangt.
Unter dem Tagesordnungspunkt 5 wird "Die Vereinigung der Gewerksgenossenschaften" behandelt.
Die Delegierten beschließen: "Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei betrachtet es als eine Pflicht eines jeden Parteigenossen, auf eine Einigung der Gewerkschaften hinzuwirken, hält aber als Bedingung fest, daß die Gewerkschaften sich von dem Arbeiterschaftspräsidium des Hrn. v. Schweitzer lossagen." Der Kongreß empfiehlt den Parteimitgliedern, "soweit sie es vermögen, dahin zu wirken, daß die Gewerkschaften im Wege gegenseitiger Rückversicherungsverträge (Kartelle) sich möglichst ihr Bestehen zu sichern suchen". Damit soll eine Verbindung der Gewerkschaften zu einem Verband angestrebt werden.
Der Schweizer Hermann Greulich schlägt auf dem Kongreß vor, durch Kontakte "zu den Berufsgenossen anderer Länder" hätten "die verschiedenen Gewerkschaften international dastehende Körperschaften zu bilden" und als solche mit dem Londoner Generalrat der IAA als "zentralisierendem Organ in Verbindung" zu treten.
Zum Parteiorgan wird das "Demokratische Wochenblatt" bestimmt, das vom 1. Oktober ab dreimal wöchentlich unter dem Titel "Der Volksstaat" - Organ der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und der internationalen Gewerksgenossenschaften - erscheint.
Einige Delegierte verlangen den Achtstundentag. Th. Yorck hält es für ungünstig, diese Forderung zu stellen, da keine Aussicht auf Verwirklichung besteht.
Während des Kongresses wird unter Führung von Th. Yorck eine neue Holzarbeitergewerkschaft gebildet. Ihre Mitglieder kommen aus dem lassalleanischen Gewerkverein und lokalen Organisationen. Die neue Gewerkschaft nennt sich seit April 1870 "Internationale Gewerkschaft der Holzarbeiter".