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TITEL/INHALT

Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999

Stichtag:
5./7. September 1868

Auf dem 5. Vereinstag der Arbeitervereine in Nürnberg vertreten 115 Delegierte 93 Arbeitervereine mit etwa 13.000 Mitgliedern. Im Mittelpunkt der Beratungen steht die Programmfrage. Die Mehrheit der Delegierten (69 gegen 46 Stimmen) erklärt ihre Übereinstimmung mit dem Programm der Internationalen Arbeiterassoziation:
"1. Die Emanzipation der arbeitenden Klassen muß durch die arbeitenden Klassen selbst erobert werden. Der Kampf für die Emanzipation der arbeitenden Klassen ist nicht ein Kampf für die Klassenprivilegien und Monopole, sondern für gleiche Rechte und gleiche Pflichten und für die Abschaffung aller Klassenherrschaft.
2. Die ökonomische Abhängigkeit des Mannes der Arbeit von dem Monopolisten der Arbeitswerkzeuge bildet die Grundlage der Knechtschaft in jeder Form, des sozialen Elends, der geistigen Herabwürdigung und politischen Abhängigkeit.
3. Die politische Bewegung ist das unentbehrlichste Hilfsmittel zur ökonomischen Befreiung der arbeitenden Klassen. Die soziale Frage ist mithin untrennbar von der politischen, ihre Lösung durch diese bedingt und nur möglich im demokratischen Staat.
Ferner in Erwägung, daß alle auf die ökonomische Befreiung der Arbeiter gerichteten Anstrengungen bisher an dem Mangel der Solidarität zwischen den vielfachen Zweigen der Arbeit jedes Landes und dem Nichtvorhandensein eines brüderlichen Bandes der Einheit zwischen den arbeitenden Klassen der verschiedenen Länder gescheitert sind, daß die Befreiung der Arbeit weder ein lokales noch nationales, sondern ein soziales Problem ist, das alle Länder umfaßt, in denen es moderne Gesellschaften gibt und dessen Lösung von der praktischen und theoretischen Mitwirkung der vorgeschrittensten Länder abhängt, beschließt der fünfte Deutsche Arbeitervereinstag seinen Anschluß an die Bestrebungen der Internationalen Arbeiterassoziation."
Die liberalen Vertreter verlassen daraufhin den Kongreß. Da aufgrund der Vereinsgesetzgebung nur einzelne Mitglieder der IAA werden können, hat der Anschluß an die IAA nur theoretische Bedeutung.
Nachdem bereits vorher über die Bildung von Gewerkschaften innerhalb der Arbeitervereine diskutiert worden war, kommt es nach einem Vortrag des liberalen L. Sonnemann über Altersversorgungskassen zu einer lebhaften Diskussion. J. Vahlteich erklärt, es könne nicht die Aufgabe der Arbeitervereine sein, die vorgeschlagenen Sparkassen unter Staatsaufsicht zu errichten. Damit werde nur weitere Zeit vertrödelt. Jetzt heiße es: Organisation; Machtentfaltung unter dem Banner der Demokratie. Zunächst muß die Aufgabe sein, Gewerkschaften zu gründen, die die von Sonnemann geplanten Kassen ins Leben rufen können. Die Frage der Gewerksgenossenschaften nach englischem Vorbild ist eine Lebensfrage der sozialen Bewegung.
Der Antrag von J. Vahlteich wird angenommen. Er lautet: "In Erwägung, daß das Anheimgeben der Verwaltung einer allgemeinen Altersversorgungskasse für Arbeiter an den bestehenden Staat den Arbeiter unbewußt zu einem konservativen Interesse an den bestehenden Staatsformen, denen er keineswegs Vertrauen schenken kann;
in Erwägung, daß Kranken- und Wanderunterstützungs- sowie Altersversorgungs-Kassen erfahrungsgemäß am besten durch Gewerks-Genossenschaften ins Leben gerufen und erhalten werden können, beschließt der fünfte Vereinstag, den Mitgliedern des Verbandes und speziell dem Vorort aufzugeben, für Vereinigung der Arbeiter in centralisirten Gewerks-Genossenschaften thatkräftig zu wirken."



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