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TITEL/INHALT

Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999

Stichtag:
27. August 1868

J. B. von Schweitzer und F. W. Fritzsche rufen die "Arbeiter Deutschlands" zu einem Kongreß nach Berlin auf:
"Immer häufiger und immer größer treten die Arbeitseinstellungen auf; sie sind in den Berliner Verhältnissen begründet, sie sind Zeichen einer immer stärker wachsenden Bewegung.
Die Arbeitseinstellungen sind kein Mittel, die Grundlagen der heutigen Produktion zu ändern, und also auch kein Mittel, den Gegensatz zwischen 'Kapital und Arbeit' und die darauf begründeten Klassengegensätze aus der Welt zu schaffen; allein sie sind ein Mittel, das Klassenbewußtsein, das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit der Arbeiter und der Gleichheit ihrer Interessen im Gegensatz zu denen der Besitzenden, in den Arbeitern zu erhöhen; und endlich sind sie ein Mittel, verschiedene soziale Mißstände der furchtbarsten Art, die innerhalb der heutigen Gesellschaft hervortreten, z.B. übermäßig lange Arbeitszeit, Kinderarbeit, regelmäßige Sonntags- und Nachtarbeit u. dergl. allmählich zu beseitigen und dadurch eine weitere Grundlage für das Entfalten und Weiterschreiten der Arbeiterbewegung zu schaffen.
Kein Staat ist befugt, Arbeitseinstellungen zu verbieten, kein Staat hat das Recht, die Koalitionsfreiheit zu verweigern. Die Arbeitskraft ist das einzige Besitztum der großen Masse des Volkes. Nicht länger sind die Arbeiter gesonnen, sich die freie Verfügung über ihr einziges Besitztum verbieten zu lassen; sollte man versuchen, noch länger dieses Verbot aufrechtzuerhalten, so werden sie eine vernehmliche Sprache zu reden und eine unzweideutige Haltung einzunehmen wissen.
Wenn das Koalitionsrecht proklamiert wird, muß die Organisation für Arbeitseinstellungen bereits vorhanden sein. Das jetzige planlose Hervortreten von Streiks kann nicht vorwärts führen; nur eine planmäßige, zusammenhängende Organisation der Streiks durch ganz Deutschland kann dieselben erfolgreich machen. Nur dann, wenn die Gesamtheit der Arbeiter in fester Organisation und unverbrüchlich zusammenhält, kann der Uebermut der Kapitalisten in erträgliche Grenzen zurückgedrängt werden.
Es muß ermöglicht werden, daß bei uns, ebenso wie in England, 50.000 Arbeiter an einem Tage die Arbeit einstellen, ohne um ihren Lebensunterhalt in Sorgen zu sein, da die Unterstützung ihrer Brüder in ganz Deutschland ihnen gewiß ist. Es muß möglich gemacht werden, die Industrie einer ganzen Stadt, einer ganzen Gegend lahmzulegen.
Anderseits muß dafür gesorgt werden, daß die Arbeiter an einem einzelnen Orte keine unerreichbaren Forderungen zu ihrem eigenen Schaden und zum Schaden der mit ihnen verbündeten Gesamtarbeiterschaft stellen.
Die Vorbedingung dafür ist: daß, ähnlich wie in England, die Arbeiter der einzelnen Geschäftszweige sich in allgemeinen Gewerkschaften vereinigen. Schon haben wir einen Allgemeinen deutschen Gewerkverein der Buchdruckergehilfen, der Zigarrenarbeiter, der Schneider, ganz neuestens der Bäcker. Auf diesem Wege muß fortgefahren werden.
Zum Zwecke der Begründung, beziehungsweise Befestigung und gleichartigen Gestaltung solcher Allgemeinen Gewerkschaften in allen Zweigen durch ganz Deutschland berufen wir einen Allgemeinen deutschen Arbeiterkongreß auf Sonntag, den 27. September nach Berlin.
Die bereits bestehenden allgemeinen Gewerkschaften (Allgemeiner deutscher Buchdruckergehilfen-, Zigarrenarbeiter-, Schneider- und Bäckergehilfenverein) werden ersucht, sich in ihrer Gesamtheit vertreten zu lassen. Die anderen Arbeitszweige sollen einen Vertreter entsenden. Wo in einem bestimmten Gewerbszweige die Arbeiter nicht in größerer Menge vorhanden sind, empfiehlt es sich, daß mehrere miteinander verwandte Gewerbszweige sich vereinigen; an kleinen Orten können auch die Arbeiter ohne Unterschied der Gewerbe gemeinsam einen Vertreter entsenden."
Trotz dieses Aufrufs bleibt J. B. v. Schweitzer Gewerkschaften gegenüber weiter skeptisch.



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