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TITEL/INHALT

Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999

Stichtag:
Frühjahr 1865

Es kommt zu zahlreichen Streiks. Besondere Bedeutung erhält der Streik von 500 von 800 Buchdruckern in Leipzig vom 1. April bis 6. Juni um höhere Löhne und kürzere Arbeitszeit: der sog. "Dreigroschenstreik". Die Buchdrucker erreichen kleinere Lohnerhöhungen, nicht aber die angestrebten "Dreigroschen". Die Einführung eines verbesserten Akkordtarifs können sie nicht durchsetzen. Arbeiter auch anderer Berufszweige unterstützen die Streikenden finanziell. Rund 87% der beträchtlichen Streikkosten werden durch Erträge "auswärtiger Sammlungen" bestritten. Nach dem Streik tritt der Buchdruckerverein aus dem Vereinstag der deutschen Arbeitervereine aus.
Eine wichtige Konsequenz aus diesem Streik ist zweifellos das Wiederaufleben des Gedankens einer zentralen Organisation.
In Burg bei Magdeburg streiken Textilarbeiter. Bei der strafrechtlichen Verfolgung der 277 Streikenden taucht zum ersten Male der Name des damals in Burg tätigen Staatsanwaltes Hermann v. Tessendorff auf, der sich wenige Jahre später bei der Unterdrückung der Arbeiterbewegung so hervortat, daß diese Zeit als die "Ära Tessendorff" bekannt wird.
Im Verlauf des Streiks entstehen zahlreiche örtliche gewerkschaftliche Verbindungen, aber häufig nur für kürzere Zeit.
Diese Streiks und Lohnbewegungen führen aber zu überörtlichen Kontakten. Die Streikkomitees sind stets bemüht, den Zuzug von Arbeitskräften - "Streikbrecher" - vom Streikort fernzuhalten. Das gelingt nicht immer.
Für Mitglieder der Streikkomitees, für die Streikposten, aber auch für die Streikenden sind Streiks in dieser Zeit noch gefährlich. Bei bestehendem Koalitionsverbot ist das Risiko, den Arbeitsplatz zu verlieren, sehr groß. Streikunterstützungen können nur in sehr geringem Umfang und oft nur sehr kurz bezahlt werden.

Nach dem Streik der Buchdrucker spricht sich F. W. Fritzsche im "Sozialdemokrat" gegen die zur Epidemie sich gestaltende Streiklust aus, "da hierdurch der Arbeiterstand von seinem eigentlichen Ziele, die Radikalmittel zur Verbesserung seiner Lage (allgemeines, gleiches und direktes Wahlrecht und Produktivassoziation durch Staatsintervention) mit aller ihm zu Gebote stehenden Energie zu erstreben, abgelenkt wird".


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net edition fes-library | 1999