Chronologie der deutschen Gewerkschaftsbewegung von den
Anfängen bis 1918 / Von Dieter Schuster. Mit einem Vorw. von Rüdiger
Zimmermann und Registern von Hubert Woltering. - Bonn : Bibliothek der
Friedrich-Ebert-Stiftung, 1999
44 Buchdruckergesellen und Prinzipale (Druckereibesitzer), die rund 12.000 Drucker und Setzer vertreten, gründen in Mainz den "Nationalen-Buchdrucker-Gehilfen-Verband" um sich, wie es in einer Petition an die Nationalversammlung heißt, gegen das "Herabdrücken zur Fabrikarbeit" zu verteidigen, das sie wegen der Einführung von Dampfmaschine und Schnellpresse in den Druckereien befürchten.
Stichtag:
11./14. Juni 1848
Zweck des Vereins ist "die Hebung und Sicherstellung des materiellen und geistigen Wohls" der Buchdruckereigehilfen Deutschlands.
Ihre Forderungen fassen sie in einem Achtpunkteprogramm zusammen. So u.a. : die Gründung eines Arbeiter-Ministeriums, gewählt durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer; Überwachung des Lehrlingswesens; Regulierung des Maschinenwesens - nur gelernte Buchdrucker dürfen Druckmaschinen bedienen und zwar jeder nur eine; gesetzliche Regelung, daß ein Geschäft nur von denen betrieben wird, die es gelernt haben.
Abschaffung aller rechtlichen Nachteile der Arbeiter, also auch Abschaffung des Koalitions- und damit des Streikverbotes. Die Nationalversammlung wird um die "gesetzliche Genehmigung" der Tarifbestimmung gebeten.
Punkt 6 lautet: "Aufforderung an die verschiedenen geschäftsverwandten Arbeiter Deutschlands zur Vereinigung behufs der Feststellung ihrer Arbeitspreise und zur Gründung von Kranken-, Invaliden-, Sterbe- und Witwenkassen nach Muster der Buchdrucker und Gewährung von Staatsmitteln zur Gründung derselben".
In Punkt 7 fordern die Buchdrucker die Anerkennung der Kompetenz des Arbeiters, seine Verhältnisse selbst zu regulieren.
Die Mainzer Abgeordneten verfassen eine zweite Resolution als >Aufruf an die Herren Buchdruckereibesitzer Deutschlands<. Durch Vereine von Arbeitgebern und Arbeitern sollen die allgemeinen Beschwerden und die Mittel zu deren Beseitigung untersucht, durch Einigung geholfen und das Ergebnis der Reichsversammlung oder den Staatsbehörden mitgeteilt werden, damit diese einen Leitfaden für die Regelung dieser großen Angelegenheit bekommen.
In ihrem Schreiben an die Buchdruckereibesitzer setzen die Gehilfen ihrem gesellschaftlichen Programm ein wichtiges Element hinzu: Den Gewerkschaften der Arbeiter sollen Vereine der Unternehmer gegenübertreten. "Gründen auch Sie einen Nationalverein und veranstalten Sie in Bälde eine Nationalversammlung, worin Sie sich gegenseitig verpflichten, den Bestimmungen der Mainzer Nationalversammlung nachzukommen. Wie wir, die Beförderer der Wissenschaft, unseren Standesgenossen, den Arbeitern, als Vorbild zur friedlichen Lösung der obschwebenden Frage den Weg weisen wollen, so stellen auch Sie sich an die Spitze der Arbeitgeber, und die spätere Nachwelt wird dankbar der glorreichen Pfingsttage des Jahres 1848 gedenken."
Die Buchdruckergehilfen verabschieden einen Entwurf eines nationalen Tarifs, der sich eng an den Heidelberger Entwurf hält. Danach soll die Arbeitszeit auf zehn Stunden begrenzt und regelmäßige Sonntagsarbeit verboten werden. Es soll ein Lohnminimum durchgesetzt, das Lehrlingswesen streng normiert werden.
Die Druckereibesitzer werden aufgefordert, diese Forderungen bis zum 1. August anzunehmen, sonst haben sämtliche Gehilfen am 1. August überall dort ihre Stellung aufzugeben, wo die Prinzipale sich den Mainzer Beschlüssen nicht fügen.
Die Mitglieder des Vereins verpflichten sich, auch Mitglieder einer zu gründenden zentralen Kranken-, Invaliden- und Reiseunterstützungskasse zu werden.
An der Spitze des Verbandes steht das "Zentralkomitee" mit zwei Direktoren. In den größeren Städten sollen "Hauptvereine", in kleineren "Zweigvereine" gebildet werden. Lokale Schiedsgerichte aus vier Gehilfen und drei Prinzipalen sollen Streitigkeiten schlichten. An allen Vereinsorten sollen Unterstützungskassen errichtet werden.
Die Delegierten wählen den "Gutenberg" zunächst für ein Jahr zum gemeinsamen Organ. In kurzer Zeit schließen sich 142 örtliche Verbände dem nationalen Verein an.
Ein unmittelbar im Anschluß an die Mainzer Buchdrucker-Nationalversammlung tagender Schriftgießerkongreß setzt nach dem Vorbild der Buchdrucker einen Tarifentwurf fest, der für einige Zeit in Deutschland und in den Donaumonarchien in Kraft gesetzt werden kann.