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[AUSSENPOLITIKFORSCHUNG]
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Deutsche Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik

Sicherheitspolitik auch im engeren, hier verwendeten Sinne kann sich nicht nur auf die Einsatzaufgaben von Streitkräften sowie den dafür erforderlichen Streitkräftestrukturen und militärischen Bündnispolitiken beschränken, sie umfaßt darüber hinaus auch das Element der Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik. Aus deutscher Perspektive spielten Abrüstung und Rüstungskontrolle nach dem Zweiten Weltkrieg immer eine herausgehobene Rolle, schon um die Gefahren der Ost-West-Konfrontation abzumildern. Auf dem Gebiet der beiden deutschen Staaten befand sich die größte Konzentration sowohl an konventionellen als auch nuklearen Waffen in der Welt, und wären sie jemals zum Einsatz gekommen, so wäre von Deutschland wohl nicht allzu viel übrig geblieben.

Was die Kernwaffen anbelangt, so blieb der deutsche Einfluß relativ gering, da weder die Bundesrepublik noch die DDR über diese Waffen verfügten. Während der leidvollen Geschichte des NATO-Doppelbeschlusses von 1979 und der 1983 begonnenen Stationierung amerikanischer nuklearer Mittelstreckenwaffen in Westeuropa gelang es zwar besonders dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt ab und an, ein gehöriges Wort bei der Formulierung westlicher Rüstungskontrollstrategien mitzureden, aber an entscheidenden Punkten wie etwa der Frage der sogenannten „Waldspaziergangsformel" 1982 zeigte sich, daß Washington sich letztlich das nationale Entscheidungsrecht vorbehielt. [ Vgl. Thomas Risse-Kappen, Null-Lösung. Entscheidungsprozesse zu den Mittel streckenwaffen, Frankfurt a.M./New York 1988.] Noch geringer war naturgemäß der deutsche Einfluß auf die bilateralen amerikanisch-sowjetischen Gespräche zur Begrenzung strategischer Kernwaffen (SALT I; SALT II; START I; START II).

Größer war dagegen der deutsche Einfluß auf die 1973 begonnenen MBFR-Verhandlungen über Truppenreduzierungen in Mitteleuropa, an denen beide deutsche Staaten mit eigenen Delegationen teilnahmen. Diese Verhandlungen wurden jedoch 1989 ohne greifbares Ergebnis eingestellt. [ Vgl. Reinhard Mutz (Hrsg.), Die Wiener Verhandlungen über Truppenreduzie rungen in Mitteleuropa (MBFR), Chronik, Glossar, Dokumentation, Bibliographie 1973-1982, Baden-Baden 1983.] Erfolgreicher verliefen dagegen die im KSZE-Rahmen durchgeführten Verhandlungen über Vertrauensbildende Maßnahmen. Auch hier zeigten sich beide deutsche Staaten besonders am Erfolg interessiert, und tatsächlich konnte 1986 in Stockholm ein erstes entsprechendes Abkommen unterzeichnet werden. [ Vgl. Ingo Peters, Transatlantischer Konsens und Vertrauensbildung in Europa, Baden-Baden 1987.] Es wurde durch weitere Vereinbarungen 1990 und 1992 ergänzt. Der entspannungsfördernde Charakter der Vertrauensbildenden Maßnahmen - zum Beispiel Manöverbeobachtungen - kann gerade für die beiden deutschen Staaten nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Die Abrüstung konventioneller Streitkräfte gelang jedoch erst in den 1989 aufgenommenen und 1990 bereits abgeschlossenen KSE-Verhandlungen. Dabei ging es um die Reduzierung bei fünf Hauptwaffenkategorien (Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, Artillerie, Kampfflugzeuge, Kampfhubschrauber) vom Atlantik bis zum Ural. Für die Bundesrepublik bedeutete dies eine entscheidende Minderung der militärischen Bedrohung durch die Streitkräfte des Warschauer Paktes. Sie hat sich daher nicht nur während der eigentlichen Verhandlungen stark engagiert, sondern sich auch im NATO-Kooperationsrat dafür eingesetzt, daß dieser Vertrag auch nach der Auflösung der Sowjetunion ratifiziert wurde. Seit Herbst 1992 ist mit der Implementierung begonnen wurden. [ Vgl. Nikolaus Meyer-Landrut, Die Entstehung des Vertrages über konventionelle Streitkräfte in Europa und die Herstellung der deutschen Einheit, Bonn (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik) 1992.] Flankiert wurde der KSE-Vertrag durch das allerdings nur politisch, nicht jedoch völkerrechtlich bindende Dokument KSE Ia über die Personalstärken der konventionellen Streitkräfte in Europa, das im Juli 1992 unterzeichnet wurde. Ziel der Bundesregierung war es dabei, die aufgrund des „2+4"-Vertrages eingegangene Beschränkung deutscher Streitkräfte auf 370.000 Mann bis Ende 1994 in ein internationales Abkommen zur Personalstärke-Begrenzung einzubetten, um eine Singularisierung Deutschlands zu vermeiden. [ Vgl. Unterrichtung durch die Bundesregierung, Bericht zur zur Abrüstung und Rüstungskontrolle 1992, Deutscher Bundestag Drucksache 12/4846, S. 10f. ] In den kommenden Jahren kommt es aus deutscher Sicht vor allem darauf an, zur Implementierung der beiden genannten Abkommen konstruktiv beizutragen.

Obwohl sie bereits in den fünfziger Jahren auf den Besitz an ABC-Waffen verzichtet hat, engagierte sich die Bundesrepublik bei den internationalen Bemühungen um Abrüstung und Rüstungkontrolle bei diesen Massenvernichtungswaffen. Dies geschah vorwiegend bei den Verhandlungen der Genfer Abrüstungskonferenz, in der beide deutsche Staaten mit eigenen Delegationen vertreten waren und wo es nach der deutschen Vereinigung natürlich nur noch eine deutsche Delegation gibt. Motiv für das deutsche Engagement war einerseits, ein eigenständiges rüstungskontrollpolitisches Profil herauszubilden, andererseits einen konstruktiven Beitrag zur Verhinderung der Weiterverbreitung dieser Waffen zu leisten, dadurch eine unmittelbare Bedrohung für Deutschland eindämmend. Diese Motivation mögen Deutschland und Japan, das ebenfalls an der Genfer Abrüstungskonferenz teilnimmt, gemein haben. Gerade weil beide Staaten nicht über Massenvernichtungswaffen verfügen fällt es ihnen möglicherweise leichter, über deren Begrenzung zu verhandeln.

Einen großen diplomatischen Erfolg verbuchte Deutschland in der Endphase der Verhandlungen über ein weltweites Verbot chemischer Waffen. Der deutsche Delegationsleiter in Genf von Wagner übernahm in dieser wichtigen Situation den Vorsitz des C-Waffen Ad-hoc-Ausschusses und trug wesentlich dazu bei, daß die C-Waffen-Konvention zum Abschluß gebracht werden konnte. [ Vgl. Joachim Badelt, Die Politik der Bundesrepublik Deutschland für ein um fassendes Verbot chemischer Waffen, Diss. phil. (FU Berlin/1993).] Nunmehr geht es der deutschen Diplomatie, nachdem mehr als 130 Staaten im Januar 1993 in Paris die Konvention gezeichnet haben, darum, für die Unterzeichnung und vor allem Ratifikation des Abkommens durch möglichst viele Staaten zu werben und konstruktiv beim Aufbau der internationalen C-Waffen-Behörde in Den Haag mitzuarbeiten.

Ähnlich engagiert ist Deutschland auch bei der Rüstungskontrolle im Bereich der biologischen Waffen, wo es zwar seit 1972 ein internationales Verbotsabkommen gibt, das jedoch praktisch keine Verifikationsbestimmungen enthält. Bei den Überprüfungskonferenzen zu dieser Konvention - zuletzt 1991 - hat sich die Bundesrepublik für die Einfügung entsprechender Bestimmungen ausgesprochen. [ Vgl. Volker Beck/Herbert Salber, "The third Review Conference to the Biological Weapons Convention: Results and Experience", in: Oliver Thränert (Ed.), The Verification of the Biological Weapons Convention: Problems and Perspectivs, Bonn (Friedrich-Ebert-Stiftung) 1992, S. 19-30.] Gemeinsam mit Japan und weiteren Industriestaaten engagiert sich die Bundesrepublik darüber hinaus in der Australischen Gruppe um Exportkontrollen im Bereich der B- und C-Waffen sowie deren Vorprodukten.

Schließlich ist es das Ziel der Bundesregierung, möglichst bald - bevorzugt in der Genfer Abrüstungskonferenz - zu einem umfassenden nuklearen Teststopp zu kommen. Der Beitrag Deutschlands findet dabei besonders in der Arbeit der wissenschaftlichen Experten in Genf seinen Niederschlag, die sich mit den komplizierten Fragen einer Verifikation eines solches Abkommens befassen. Ein solcher Teststopp soll vor allem zur Verhinderung der Weiterverbreitung von Kernwaffen beitragen, weshalb sich die Bundesrepublik auch auf der Folgekonferenz des nuklearen Nichtweiterverbreitungsvertrages 1995 für eine unbefristete Verlängerung dieses Abkommens aussprechen wird. [ Vgl. Unterrichtung durch die Bundesregierung (Anm. 38), S. 26ff.]


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