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TEILDOKUMENT:
Einwanderungspolitik der USA: Ziele, Erfahrungen und Kritik [Seite der Druckausg.: 89]
1. Vorbemerkungen
Die USA sind zwar ein klassisches Einwanderungsland, das aber mit einer neuen Phase von Erfahrungen mit Einwanderung konfrontiert ist. Erstens kommen mehr Einwanderer als je zuvor - und kein Ende ist absehbar. Zweitens machen die mehrfachen Änderungen der Einwanderergesetze in den USA in den letzten drei Jahrzehnten es zunehmend schwer, den Zustrom zu kontrollieren. Drittens wird die Hoffnung vieler Meinungsführer auf einen zentralen Kompromiß zwischen Anhängern von Einwanderungsbegrenzung (über mehr Einwanderungskontrollen) und Anhängern von Einwanderungserleichterung (und von mehr Integrationsmaßnahmen) schwer zu erreichen sein. Dieser Beitrag stellt die wichtigsten Aspekte der derzeitigen Diskussion in den USA zur Einwanderung dar.[2]
2. Fakten und Meinungen zur Einwanderung
Die USA nimmt zur Zeit mehr Einwanderer als je zuvor auf. In den letzen 10 Jahren (1983-1992) kamen neun Millionen legale Einwanderer, davon ein Drittel aus Mexiko. Ein Drittel dieser Einwanderer (zwei Drittel der Mexikaner) erhielten im Jahr 1987-1988 eine Amnestie. Illegale Einwanderer kommen noch hinzu. Aktuelle Schätzungen sagen, daß zwei bis vier Millionen Illegale in den USA wohnen, und daß ihre [Seite der Druckausg.: 90] Anzahl um 300.000 pro Jahr steigt. Außerdem gibt es zwei bis drei Millionen temporäre Illegale, die jedes Jahr kommen und gehen. Amerikaner wollen weniger Einwanderung. Meinungsumfragen zeigen, daß zwei Drittel aller Amerikaner, und 85% aller Kalifornier, weniger Einwanderung und insbesondere weniger illegale Einwanderer wollen. Aber drei Faktoren machen eine Einwanderungsreform schwer. Erstens: Die Meinungsumfragen werden nicht von allen Politikern ernst genommen. Amerikaner waren und sind immer gegen zusätzliche Einwanderung. Nur einmal in den letzen 50 Jahren, im Jahr 1953, haben mehr als 10 % der Amerikaner bei Meinungsumfragen geäußert, daß sie mehr Einwanderung befürworten. Zweitens: Die USA zelebrieren ihre Einwanderungsgeschichte. Alle Präsidenten betonen immer wieder, daß fast alle Amerikaner Einwanderung erfahren haben. Die USA betonen das Prinzip "e pluribus unum" (aus vielen Nationalitäten entsteht eine einzige), also die Vorstellung, daß die Amerikaner andere Länder verlassen haben und gemeinsam ein neues Land aufbauen. Dies ist ein wichtiger Teil des Mythos und der Identität der Amerikaner. Es ist auch allgemeine Überzeugung, daß Einwanderung den USA wirtschaftliche Vorteile gebracht hat und bringen wird. Drittens: Eine Reform ist schwer, weil die Argumente gegen Einwanderung alt sind, und weil die Erfahrung gemacht wurde, daß die meisten Ängste falsch waren. So hatte etwa Präsident Benjamin Franklin behauptet, die deutschen Einwanderer in Pennsylvania von 1750 würden niemals Englisch lernen, und sie würden sich aus diesem Grund nicht assimilieren. Diese Vorhersage war falsch. 2oo Jahren später wurde ein Nachkomme dieser deutschen Einwanderer, Dwight Eisenhower, Präsident der USA. Die Debatte zur Einwanderungsreform wird heute zwischen zwei Extremen geführt. Einerseits ruft die Federation for American Immigration Reform (FAIR) nach einem Einwanderungsstopp, um die neu Ein- [Seite der Druckausg.: 91] gereisten integrieren zu können. Anderseits fordert das Wall Street Journal eine Ergänzung der Verfassung mit dem Inhalt :"Die USA sollen offene Grenze haben." Vor allem diese Extrempositionen finden in den Medien Aufmerksamkeit. Aus diesem Grund fürchten viele, daß es schwer wird, vernünftige Lösungen der Einwanderungsfragen finden zu können.
3. Kurz- und langfristige Aspekte der aktuellen Einwanderungsdiskussion
Man kann die aktuelle Lage in den USA am besten verstehen, wenn in kurzfristige und langfristige Fragen unterteilt wird. Es gibt vier kurzfristige Aspekte:
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auf die Dauer in der Lage sein wird, mehr Güter und weniger Arbeitskräfte zu exportieren. Aber auf kurze Sicht dürfte es in der NAFTA einen Migrationssprung geben, d.h. die Einwanderung wird anfangs deutlich zunehmen und erst nach 10 bis 15 Jahren zurückgehen ("migration hump"). Somit brauchen die USA aufgrund der NAFTA-Auswirkungen für die nächste Zeit mehr und nicht weniger Maßnahmen gegen Illegale. Auf der anderen Seite sind es die folgenden langfristigen Fragestellungen, die z.T. seit langem in der Diskussion sind:
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4. Erfahrungen seit 1965
Nach 200 Jahren amerikanischer Erfahrung mit Einwanderung muß man feststellen, daß die Voraussagen der US-Regierungen über die Auswirkungen von Einwanderungsgesetzänderungen meistens falsch waren. Aus diesem Grund ist das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Regierung in Sachen Einwanderungsfragen nicht sehr groß. Die USA haben vier umfangreiche Änderungen ihrer Einwanderungspolitik während der letzten drei Jahrzehnte vorgenommen. Bei jeder Änderung waren die unerwarteten tatsächlichen Auswirkungen viel wichtiger als die erwarteten.
Die US-Einwanderungspolitik hatte vor 1965 drei Phasen. Bis 1882 gab es in den USA weder qualitative noch quantitative Restriktionen für Einwanderer. 1882 werden qualitative Beschränkungen eingeführt (z.B. keine Einwanderungserlaubnis mehr für Chinesen). 1921 kommen quantitative Beschränkungen hinzu (Einwanderung von maximal ein Prozent des Bestandes der Nationalitäten, die 1890 in USA lebten). 1965 wurden diese quantitativen Beschränkungen auf eine Quote pro Land geändert. Das System, das 1965 eingeführt wurde, war dreistufig: Einwanderer wurden erstens sechs verschiedenen Prioritäten zugeordnet. Die erste Priorität galt für ausländische Familienangehörige von US-Bürgern, die zweite für Familienangehörige von bereits Eingewanderten, usw. Zweitens wurden sie dann quantitativ einer Quote von maximal 20.000 Einwanderern pro Land zugeordnet. Drittens wurde eine weltweite Quote von 290.000 pro Jahr eingeführt. Zweck dieses neuen Systems war es, die Bevorzugung der Europäer zu beenden. Gleichzeitig wurde erwartet, es werde keine größeren Änderungen der Zusammensetzung der Herkunftsländer geben. Aber tatsächlich änderte sich diese deutlich: In den fünfziger Jahren kamen zwei Drittel aller Einwanderer aus Europa und Kanada, in den Siebzigern noch ein Viertel und in den Achtzigern nur noch ein Achtel. Im Ver- [Seite der Druckausg.: 94] gleich dazu stieg der Anteil von Einwanderern aus Lateinamerika und Asien in den achtziger Jahren auf achtzig Prozent. Diese Änderung in der Zusammensetzung nach Herkunftsländern der Einwanderer erfolgte vor allem deswegen, weil zunächst hochqualifizierte Asiaten kamen, denen später ihre Familienangehörigen in Form von Kettenmigration folgten. Nach 1975 wanderten mehr als eine Millionen Flüchtlinge aus Asien ein, die ebenfalls später nach und nach ihre Familienangehörigen nachholten. Und anstelle von Gastarbeitern aus Mexiko kamen von dort legale und illegale Einwanderer, auch diese schließlich gefolgt von ihren Familien. Das Ergebnis der Entwicklung nach 1965 war, daß sich die Herkunftsländer änderten und daß die Familienzusammenführung zu einem Hauptgrund für die Einwanderung wurde.
Nach den ersten Wellen von Flüchtlingen aus Asien änderten die USA ihre Flüchtlings-Definition. Anstelle von rein politischen Entscheidungen darüber, wer ein Flüchtlinge ist, führten die USA die UN-Definition ein: Flüchtlinge sind solche Personen, die verfolgt sind wegen ihrer Nationalität, ihres Glaubens usw. Die USA führten 1980 ein Unterstützungssystem für Flüchtlinge ein, an dem die Kirchen und Wohlfahrtsverbände beteiligt wurden. Dadurch wurden diese Einrichtungen erstmalig in ihrer Geschichte für einen Teil ihrer Aktivitäten von Geldern aus dem Bundeshaushalt abhängig. Man schätzte, daß die USA pro Jahr etwa 50.000 Flüchtlinge aufnehmen würden. Tatsächlich lagen die Zahlen dann jedoch viel höher, nämlich bei 120.000 bis 130.000 in jedem Jahr. Wer als politischer Flüchtling anerkannt wurde, blieb letztlich doch eine politische Entscheidung. So z.B. wurden fast alle Kubaner als Flüchtlinge akzeptiert, während man die Boat People aus Haiti wieder zurückschickte. Flüchtlinge aus El Salvador erhielten nur einen temporären Status. Flüchtlinge aus der Volksrepublik China konnten anerkannt [Seite der Druckausg.: 95] werden, wenn sie behaupteten, daß sie vor der "Babypolitik" geflohen seien. Statt einer endgültigen Lösung stellte die Flüchtlingsreform von 1980 nur einen ersten Schritt dar. Im Zusammenhang mit der Asylreform ändern die USA das System später wieder.
Der Immigration Reform and Control Act (IRCA) war das Ergebnis eines großen Handels zwischen Politik und Meinungsführern einer Einwanderungspolitik. Die Meinungsführer hatten die Zugänge für Einwanderer als Türen beschrieben: Die Vordertür für legale Einwanderer, die Hintertür für die illegalen. Der Handel bestand darin, daß über restriktive Maßnahmen die Hintertüre geschlossen werden sollte, um die Vordertür offen lassen zu können. Politiker und Akademiker stimmen darin überein, daß Illegale nur deswegen kommen, weil sie Jobs suchen. Die Tür zum amerikanischen Arbeitsmarkt soll über Sanktionen (Geldbußen) verschlossen werden. Arbeitgeber, die Illegale in Kenntnis ihres Status einstellen, müssen bis zu $10.000 pro Arbeitnehmer Geldbuße zahlen. Alle Arbeitgeber haben für jede neu eingestellte Person ein Formular auszufüllen, um dadurch zu beweisen, daß der Arbeiter Dokumente vorgelegt hat, die zeigen, daß er das Recht hat in den USA zu arbeiten. Im Extremfall droht Arbeitgebern Gefängnis, wenn sie illegale Arbeiter beschäftigt haben. Die Sanktionen waren die eine Seite des Handels. Die andere Seite bestand aus einer Amnestie für 2,7 Millionen Illegale, wenn sie in den USA seit dem 1.1.82 gelebt hatten oder wenn sie illegal als Landarbeiter mindestens 90 Tage in den Jahren 1985/86 gearbeitet hatten. Die Amnestie sollte den Tisch sauber machen: Es sollte nicht mehr nötig sein, die Illegalen ausfindig zu machen und zu deportieren; andererseits sollten die Arbeitgeber damit genügend legale Arbeitskräfte zur Verfügung haben. [Seite der Druckausg.: 96] Die Erwartung war, daß die Anzahl der Illegalen sich vermindern würde. Tatsächlich wird diese Zahl heute auf bis zu vier Millionen geschätzt (1980: zwei Millionen). Es wird heute in den USA eine Debatte darüber geführt, wie es zu der großen Spanne zwischen Erwartung und Realität kommen konnte. Auf der einen Seite behaupten Beobachter, die Schuld liege bei den Einwanderungsbehörden, die die Reform nicht durchgesetzt hätten. Auf der anderen Seite wird beklagt, daß das System nicht richtig funktionieren könne, weil die Arbeitgeber bis zu 28 verschiedene Identitätspapiere inspizieren müßten. Gleichzeitig dürften sie diese Papiere nicht zu kritisch nachprüfen, weil sonst die Arbeiter eine Diskriminierungsklage gegen den Arbeitgeber anstrengen könnten. IRCA hat es letztlich den Illegalen einfacher statt schwerer gemacht, Jobs in den USA zu finden. Vor IRCA wurden die Illegalen häufig "nicht-dokumentierte Arbeiter" genannt. Seit IRCA sind gefälschte Identitätspapiere so billig geworden, daß diese Leute jetzt als "dokumentierte Illegale" beschrieben werden.
1990 wurde der Immigration Act (IMMACT) beschlossen. Hintergrund hierfür war, daß in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre auf dem US-Arbeitsmarkt acht Millionen neue Jobs entstanden sind. Es gab Befürchtungen, daß es in den USA eine Arbeitskräfteknappheit geben werde. Bei dieser allgemeinen Diskussion über eine aktuelle und zukünftige Arbeitskräfteknappheit, waren es dann die Universitäten und großen Unternehmen, die klagten, daß ohne eine Immigrationsreform die USA in dem weltweiten Wettbewerb um besonders hochqualifizierte Arbeitskräfte verlieren würden. Auch andere Hinweise wurden so interpretiert, daß mehr Einwanderung sinnvoll werden könne. Wissenschaftler kamen z.B. zu dem Ergebnis, daß Einwanderer innerhalb von 10 bis 20 Jahren mehr verdienen als vergleichbare Amerikaner. Gleichzeitig kamen aber weniger als 20 % der US-"Quoteneinwanderer" über das Kriterium "qualifizierte Ein- [Seite der Druckausg.: 97] wanderer", also als Hochqualifizierte, die die Wirtschaft braucht. Und es gab noch keine völlig offene Tür für Familienangehörige. Im Ergebnis und als Reaktion auf diese Diskussionen bietet der neue Immigration Act allen etwas, wie unter einem Weihnachtsbaum:
In der Bilanz zur Bewertung von IMMACT ist einiges noch nicht klar. So gibt es Probleme mit den wirtschaftsorientierten Kriterien. Es sind bisher nur 100 Investoren gekommen, weil sie als US-Einwanderer Steuern auf ihr weltweites Einkommen zahlen müssen. Oder, was die Gastarbeiterregelungen angeht: Es kommen z.B. Inder und Pakistanis als qualifizierte Computer-Programmierer - 700 im Jahr 1992 -, die bei einem Gehalt von nur $ 24.000 pro Jahr arbeiten, mit dem Effekt, daß bereits US-Programmierer klagen, daß hierdurch die US-Löhne gedrückt würden. Oder eine andere Frage wird derzeit diskutiert: Was ist eine Religion, was ist ein Pfarrer, bzw. welche Religionsgemeinschaften haben das Recht auf den Zugang von ausländischen Funktionsträgern?
Fazit 1:
Die Vergangenheitserfahrung war nicht immer ein guter Lehrer für Änderungen in der Einwanderungspolitik. So haben sich nach 1965 Anzahl [Seite der Druckausg.: 98] und Herkunft der Einwanderer wesentlich geändert. Die großen Abkommen von 1986 und 1990 hatten unerwartete Auswirkungen, die weit bedeutsamer waren als die ursprünglich erwarteten.
5. Die Auswirkungen der heutigen Einwanderung auf Wirtschaft und Gesellschaft
Die USA und die anderen Industrieländer zeigen eine sogenannte Diamanten-Form, was die Struktur der Bevölkerung nach Qualifikation und Einkommen angeht. D.h., der größte Teil befindet sich in der Mitte der Verteilung. So sind 160 Millionen Amerikaner älter als 25 Jahre - 20% haben vier Jahre oder mehr Hochschulausbildung, 60 % haben einen mittleren Schulabschluß oder weniger als vier Jahre Hochschulstudium, und 20 % haben keinen mittleren Schulabschluß. Die Einwanderer dagegen haben eine "Stundenglas-Form". Von 20 Millionen Einwanderern haben 30 % eine Universitätsausbildung, 20% eine mittlere Ausbildung und 50% haben keinen Schulabschluß. Einwanderung bewirkt also, daß es weniger Mittelschicht-Bevölkerung gibt. Das bedeutet, daß zumindest kurzfristig die Einwanderung - in großer Zahl und bei der "Stundenglas-Form" - direkt und indirekt mehr Ungleichheit bewirkt. Mit folgenden Argumenten wird dies begründet:
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Niveaus das Land verlassen, während angelernte und ungelernte Personen zuziehen. Das bedeutet, daß Kalifornien von seiner früheren US-amerikanischen Spitzenposition hinsichtlich des Einkommensniveaus ins Mittelfeld abrutscht. Fazit 2: Einwanderung beschleunigt die Tendenz zur Ungleichheit in der US-Wirtschaft. Die Einwanderung verstärkt auch andere Tendenzen: Zwischen 2000 und 2010 wird es mehr Hispanier als Schwarze geben, und im Jahre 2050 wird einer von neun Amerikanern asiatischer Herkunft sein.
6. Optionen für eine Weiterentwicklung der Einwanderungspolitik
Einwanderer kommen immer wieder in Wellen, d.h. die Einwanderungszahlen schwanken sehr stark. In den USA gab es zwei Einwanderungsspitzen: 1840 bis 1850 und 1900 bis 1914. In beiden Perioden wurde die Einwanderung durch Krieg, Gesetze und Depression gestoppt. [Seite der Druckausg.: 100] Heute ist jedoch kein "natürliches" Abflachen der Einwanderungszahlen in Sicht. So wird wegen der starken Bevölkerungsentwicklung in Mexiko in Verbindung mit NAFTA die mexikanische Auswanderung zuerst deutlich höher werden und erst nach bis zu 156 Jahren wieder zurückgehen. Die Amerikaner sind sich einig, daß die Zahl der Einwanderer reduziert werden sollte. Aber es gibt keinen Konsens, auf Kosten welcher Gruppen diese Verminderung gehen sollte und wie die Verminderung durchgesetzt werden kann. Kurzfristig gibt es folgende Optionen: Erstens: Der Asylmißbrauch wird erschwert. Der Anschlag auf das World Trade Center, der CIA-Anschlag und die chinesischen Illegalen, die Asyl suchen, werden neue Gesetze und Regelungen bringen. Zweitens wird es mehr Grenzkontrollen geben. Die U.S.-amerikanisch-mexikanische Grenzstadt El Paso hat vor kurzem demonstriert, wie mit entsprechendem finanziellem Einsatz eine Grenzblockade in einem Gebiet erreicht werden konnte, über das ein Viertel aller illegalen Einwanderer kommen. Wie weiter oben bereits erwähnt ist die Einführung einer allgemeinen Grenzübertrittsgebühr in der Diskussion, über die eine bessere Ausstattung der Grenzpolizei finanziert werden soll. Drittens wird es in der nächsten Zeit einige gesetzliche Maßnahmen geben, die sich direkt gegen Illegale richten. So liegen bereits in Kalifornien und in Washington D.C. verschiedene spezielle Gesetzentwüfe vor. So wird z.B. neu geregelt, daß man ab 1994 in Kalifornien beweisen muß, daß man sich legal in den USA aufhält, um einen Führerschein bekommen zu können. Andere Vorschläge befassen sich damit, daß schärfere Strafen für Einwanderer eingeführt werden, die gefälschte Ausweise benutzen, um eine Arbeit oder um Sozialhilfe zu bekommen. Welches sind die langfristigen Optionen? Das Einwanderungsland USA wird seine Einwanderungspolitik über [Seite der Druckausg.: 101] denken müssen. Es hat bereits bewiesen, daß es in dieser Hinsicht durchaus auch sehr restriktiv sein kann ("Operation Wetback" 1993 an der mexikanischen Grenze). Die Alternative ist: Entweder die Einwanderungszahlen werden reduziert und gleichzeitig wird mehr für Eingewanderte getan, oder die Zahlen bleiben so hoch wie bisher und die Ungleichheit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern wird die Ungleichheit innerhalb der USA verstärken. In den USA ist die Verstärkung dieser internen Ungleichheit bereits feststellbar. Kurzer Exkurs über das Verhältnis Mexiko - USA: 40 % aller US-Einwanderer kommen aus Mexiko und Lateinamerika, weitere 40% aus Asien. Mexiko hat ca. 90 Millionen Einwohner. Das Durschnittseinkommen pro Kopf liegt bei $2.700, in den USA ist es das achtfache. Einige Migrationsforscher sind der Ansicht, daß die USA zwar auch einige andere Migrationsprobleme haben, das Hauptproblem sei aber die Einwanderung aus Mexiko. Die Entwicklungen der letzten zehn Jahre bestätigen, daß die mexikanischen Einwanderer wesentlich zur starken Zunahme der Einwanderung in die USA beigetragen haben. Welche Lösung ist denkbar? Nur langfristig ist eine Verbesserung der Situation vorstellbar, und zwar über ein starkes wirtschaftliches Wachstum und damit über die Schaffung von ausreichenden Arbeitsplätzen für das zusätzliche Arbeitskräfteangebot aufgrund der Bevölkerungsentwicklung und aufgrund der Entwicklung in der Landwirtschaft. Die meisten mexikanischen Einwanderer kommen aus der Landwirtschaft. Ein Drittel der Mexikaner wohnen und arbeiten auf dem Land. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt dort nur bei $ 900 pro Jahr, in Mexiko-City jedoch bei $ 5.000. Dieser Einkommensunterschied ist der Hauptgrund dafür, daß Mexiko-City über interne Zuwanderungen zur größten Stadt der Welt geworden ist. Die große Hoffnung für die Förderung des Wachstums der Wirtschaft und damit von Arbeitsplätzen ist die inzwischen beschlossene NAFTA-Freihandelszone. Der ursprüngliche Vorschlag für dieses Abkommen kam von Mexiko. Diese neue Freihandelszone ist größer als die Europäische Gemeinschaft. [Seite der Druckausg.: 102] Die Einwanderungsfrage hatte ursprünglich bei den Verhandlungen zu NAFTA keine große Rolle gespielt. Aber Migrationsforscher sagten voraus, daß NAFTA kurz- und mittelfristig zu mehr Einwanderung aus Mexiko führen wird. Welches sind Begründungen hierfür?
Diese Aussagen von wissenschaftlicher Seite hatten zu erheblichen Widerständen gegen den Abschluß des NAFTA-Abkommens geführt, insbesondere von kalifornischer Seite. Kalifornien stellt 11% aller Abgeordneten im US-Repräsentantenhaus. Fast alle waren gegen NAFTA. Sie waren z.T. nur bereit zuzustimmen, wenn einerseits Me- [Seite der Druckausg.: 103] xiko die Auswanderung erschwert, und wenn andererseits die US-Bundesregierung die Kosten der Einwanderung übernimmt. (Es wird geschätzt, daß 10 % des kalifornischen Haushalts für die Einwanderer aufgewendet wird, bzw. 5 % allein für die Illegalen.) Insgesamt konnte die Clinton-Administration nur über erhebliche finanzielle Zugeständnisse die Zustimmung des Kongresses zu NAFTA erreichen. Aus ökonomischen Gründen war es sicher sinnvoll, NAFTA zu beschließen. Aber NAFTA muß heute verstärkt benutzt werden, um in Kooperation mit Mexiko eine bessere Einwanderungskontrolle zu etablieren.
Fazit 3:
Politiker orientieren sich eher an aktuellen Problemen, z.B. an den Asylsuchenden, die über Flughäfen einreisen. Aber das langfristige Problem bleibt die Einwanderung aus Mexiko. Mexiko hat eine Bevölkerung von 90 Millionen, etwa ein Drittel der US-Bevölkerung; das Bruttoinlandsprodukt Mexikos ist jedoch nur ein Zwanzigstel des US-BIP. Aus Mexiko kommen ein Drittel aller Einwanderer, aber zwei Drittel von ihnen kommen als Illegale. Aus diesen Gründen müssen gemeinsam mit Mexiko ökonomische und juristische Maßnahmen gegen eine weitere Einwanderung im bisherigen Umfang eingeführt werden.
7. Die Aussichten für ein neues großen Abkommen zur Einwanderungspolitik in den USA
Einige Meinungsträger im einwanderungspolitischen Bereich schlagen vor, die Einwanderungszahlen deutlich zu verringern und gleichzeitig Integrationsmaßnahmen zu verstärken. Aber die Partner für ein neues großes gesellschaftliches Abkommen haben sehr unterschiedliche Auffassungen zu den zukünftigen Einwanderungen. Umweltgruppen, Gewerkschaften, einige Konservative (die gegen bilinguale Erziehung und gegen das Wahlrecht für Einwanderer sind) und einige Liberale ( wegen der Auswirkungen der Einwanderung auf dem Arbeitsmarkt) wollen weniger Einwanderung. Kirchen, ethnische Gruppen, einige Arbeitgeber, [Seite der Druckausg.: 104] verschiedene Anwälte und die mexikanische Regierung wollen mehr oder zumindest nicht weniger Einwanderung. Diese beiden Seiten werden kaum zu einem Konsens kommen. Aus diesem Grund ist für die meisten der Status quo die zweitbeste Lösung. Dabei hat jede Seite ihre eigenen Hintergedanken: Die sogenannten "restrictionists" denken, daß - je länger die USA bei einwanderungspolitischen Entscheidungen zuwarten - desto strenger werden die Kontrollmaßnahmen sein. Die sogenannten "admissionists" gehen davon aus, daß alle Einwanderer, die schon in den USA sind, hier auch bleiben werden. Beide Seite werden in Bezug auf die Status quo-Effekte zum Teil Recht behalten. Experten erwarten, daß in den USA sowohl mehr Kontrollen eingeführt werden, wie es auch wieder Amnestien geben wird. Aber während auf das neue große gesellschaftliche Abkommen gewartet wird, dürften wohl einige Rechte für Einwanderer verloren gehen. Legale Einwanderer müssen heute schon drei Jahre warten, bevor sie Ansprüche auf Sozialhilfe erwerben. Und vor kurzem hat das amerikanische Parlament diese Wartezeit auf fünf Jahre erhöht, um mehr Spielraum zur Erhöhung von Arbeitslosengeld zu haben. Im Gespräch sind auch andere Maßnahmen:
[Seite der Druckausg.: 105] In den USA muß etwas gegen die umfangreiche Einwanderung getan werden. Wenn sich an der derzeitigen Situation bei der Einwanderung nichts ändert, wird die Ungleichheit zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern eine stärkere Ungleichheit innerhalb der Industrieländer bewirken. [Seite der Druckausg.: 106 = Leerseite
[Fußnotenverweise]
Fn.1: Bearbeitung der deutschen Fassung des Vertrages: Elmar Hönekopp, Nürnberg. Fn.2: Eine ausführliche Broschüre mit Daten und Einzelheiten wird unter dem Titel "Immigration to the United States: Journey to an Uncertain Destination", Population Reference Bureau, Washington 1994, veröffentlicht. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 2003 |