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TEILDOKUMENT:
[Seite der Druckausg.: 1-2 = Titelblatt]
[Seite der Druckausg.: 5]
Die westlichen Industrieländer sehen sich heute einem verstärkten Zuwanderungsdruck ausgesetzt. Politische Destabilisierungen, ökologische Zerstörungen, demographische Entwicklungen und Verelendungsprozesse in zahlreichen Ländern der Dritten Welt und in Osteuropa bewirken, daß Menschen fliehen müssen oder freiwillig auswandern, um in anderen Ländern Schutz zu finden oder ihre Lebensperspektive zu verbessern. Einigkeit besteht sicherlich darin, daß die reichen Industrieländer verstärkt Anstrengungen unternehmen müssen, die Ursachen von Flucht- und Migrationsprozessen zu beseitigen. Angesichts der Vielschichtigkeit der Probleme sind unsere Möglichkeiten der Einflußnahme jedoch begrenzt und, wenn überhaupt, nur langfristige Erfolge absehbar. Die Entwicklungen im ehemaligen Jugoslawien und den Nachfolgestaaten der UdSSR zeigen, wie begrenzt die Möglichkeiten einer Beeinflussung von außen vielfach sind. Die Industrienationen können und dürfen sich deshalb auch in Zukunft nicht gegen weitere Zuwanderungen abschotten. Aber auch eine Politik der "offenen Grenzen" ist nicht praktikabel. Die Alternative ist ein umfassendes Einwanderungskonzept, daß neben der Regelung und Steuerung von Zuwanderungsprozessen auch die soziale, wirtschaftliche und politische Integration der Zugewanderten beinhalten muß. Die Bundesrepublik Deutschland sieht sich heute vor die Aufgabe gestellt, ihre Ausländerpolitik, die weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart eine adäquate Antwort auf die Gestaltung der Zuwanderungsprozesse war, weiterzuentwickeln zu einer Einwanderungspolitik. Über eine derartige neue Einwanderungspolitik ist eine intensive öffentliche Diskussion notwendig, in die auch die Erfahrungen der "klassischen" Einwanderungsländer mit einfließen sollten. Aus diesem Grund hat sich der Gesprächskreis Arbeit und Soziales am 28. September 1993 und am 21. Oktober 1993 mit den Einwanderungspolitiken Kanadas und der USA beschäftigt. Diese beiden Länder werden deshalb [Seite der Druckausg.: 6] mit dem Adjektiv "klassisch" gekennzeichnet, weil sie auf eine lange Geschichte der Einwanderung zurückblicken können, demokratisch legitimierte Einwanderungsverfahren praktizieren und vor allem ein politisches Selbstverständnis als Einwanderergesellschaften entwickelt haben. Das Ziel, aus den Erfahrungen anderer Länder zu lernen, kann sicherlich nicht bedeuten, deren Regelungen bruchlos auf unsere Gesellschaft zu übertragen. Zu unterschiedlich sind die historischen Entwicklungen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Unsere beiden Veranstaltungen sollten jedoch dazu dienen, die öffentliche Diskussion zu einem der für unsere Gesellschaft wichtigsten Aufgabengebiete des nächsten Jahrzehnts zu versachlichen und alternative Lösungsansätze deutlich werden zu lassen. Ich danke der Referentin und den Referenten, daß sie uns ihre Beiträge zum Abdruck zur Verfügung gestellt haben. Mein Dank gilt außerdem Maha Rindermann, die für die Organisation der Tagung zuständig war. An dieser Stelle sei der Franziska und Otto Bennemann-Stiftung gedankt, die durch ihre finanzielle Förderung die Durchführung der beiden Veranstaltungen ermöglicht hat. Bonn, Juli 1994 © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 2003 |