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TEILDOKUMENT:


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Gerhard Paul
"Volk in der Krise".
Rechtsextreme Ideologiemuster und ihre Resonanz in der bundesdeutschen Öffentlichkeit


1. Universalismus und Naturalismus und das Streben nach Abgrenzung und Homogenität

Wiederholt ist darauf hingewiesen worden, daß rechtsextreme Bewegungen über keine diskursive, prinzipiengeleitete politische Theorie verfügten, die von ihrer Struktur her etwa dem Marxismus, dem Liberalismus oder dem Neokonservatismus vergleichbar wäre, sondern höchstens auf einem Bündel von zusammenhängenden, immer wiederkehrenden Merkmalen beruhten. Trotz aller Differenzen in den programmatischen Verlautbarungen rechtsextremer Parteien läßt sich gleichwohl eine Art einheitlicher Ideologie ausmachen, die sich um Begriffe wie "Volk", "Nation" und "Staat" zentriert und diametral dem demokratischen Verfassungsverständnis entgegensteht. Rechtsextremes Denken kreist beständig um die Vorstellung von einem letztlich naturhaft-blutbedingten menschlichen Kollektiv, demgegenüber andere Kollektive oder auch der einzelne Mensch, das Individuum, als potentielle Bedrohung der jeweiligen Ordnung empfunden werden.

Schon 1934 hat der Sozialphilosoph Herbert Marcuse "Universalismus" und "Naturalismus" als zentrale Grundzüge rechtsextremer Einstellungen hervorgehoben. Daran hat sich bis heute nur wenig geändert. Natur – so Marcuse – werde in der heroisch-völkischen Weltanschauung nicht als Produktionsbedingung, nicht als der Selbst geschichtliche Boden der Menschheitsgeschichte betrachtet, sondern erscheine als mythisch-vorgeschichtliche Natur als das Ursprüngliche, Echte, Gesunde, Wertvolle, Heilige. Sie sei das schon durch ihr Dasein Gerechtfertigte, das schlechthin Anzuerkennende und Unzerstörbare. Ihr habe sich daher alle Vernunft und menschlich-gesellschaftliche Praxis unterzuordnen. Den komplizierten gesellschaftlichen Regelmechanismen setzte dieses Denken die Prinzipien der Natur entgegen. Natur werde

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dabei zum großen Gegenspieler der Geschichte. Gefordert werde die Anpassung der gesellschaftlichen an die natürliche Ordnung sowie die Naturalisierung der Wirtschaft. In immer neuen Redewendungen betone der heroisch-völkische Realismus die natürlichen Eigenschaften der durch das Volk repräsentierten Ganzheit. Das Volk sei immer "blutbedingt"; es schöpfe aus dem "Boden", der Heimat seine unverwüstliche Kraft und Dauer; Charaktere der "Rasse" einigten es; deren Reinerhaltung sei daher zentrale Bedingung seiner "Gesundheit". Summa summarum: die Natur sei in diesem Denkmodell die erste der Bedingungen, denen sich der Mensch unterzuordnen habe.

Als weiteren Grundzug rechtsextremer Einstellungen ortet Marcuse die programmatische Mystifizierung gesellschaftstheoretischer Ganzheitsvorstellungen, d.h. einen Universalismus, in dem das Ganze als eigenständige und primäre Wirklichkeit immer schon Vorrang vor den Individuen besitze. Die Forderung nach Verwirklichung einer solchen ursprünglichen Ganzheit stehe in allen programmatischen Verlautbarungen an oberster Stelle. Die Glieder dienten dem Ganzen, das ihnen als Gesetz übergeordnet ist. Als die reale Repräsentanz solcher Ganzheit fungiere in der rechts-totalitären Ideologie das Volk, und zwar als eine wesentlich naturhaft-organische Einheit und Ganzheit, die vor aller Differenzierung der Gesellschaft in Klassen und Interessengruppen liegt. Der einzelne Mensch werde im rechtsextremen Denken daher abhängig von der vor ihm existierenden "organischen Gemeinschaft" in Gestalt des Volkes oder der Nation betrachtet. Als überindividuelle Lebenseinheit verkörperten sie im Unterschied zur künstlich konstituierten und lediglich auf Nützlichkeitserwägungen bzw. Interessen beruhenden Gesellschaft immer schon das Höhere und Positive. Wie schon in der rechtskonservativen Soziologie eines Ferdinand Tönnies konstruiert das rechtsextreme Denken somit einen Gegensatz zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft. Während die durch Klassenkonflikte gespaltene Gesellschaft als das Grundübel der Zeit und damit als das zu Überwindende angesehen wird, erscheint die Gemeinschaft – ob als Volksgemeinschaft, als Nation oder als Staat – als die übergeordnete, natürliche Wesensheit, der das Individuum eine besondere Gehorsamsverpflichtung bis hin zur Selbstaufgabe im Tod schulde. Die besonderen Schicksale der Menschen, ihre Interessen und Bedürfnisse, ihre Not und ihr Glück – all das sei nichtig, vergänglich. Das Volk allein sei bleibend.

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Es sei die ewige Substanz im ständigen Wechsel der ökonomischen und sozialen Verhältnisse oder wie es in einem zeitgenössischen Slogan hieß: "Du bist nichts, dein Volk ist alles!"

Aus diesen geschichtsphilosophischen Grundüberzeugungen des Naturalismus und Universalismus resultiert realpolitisch ein massives Abgrenzungs- und Homogenitätsstreben, das gewalttätige Züge annehmen kann. Die idealtypische rechtsextreme Vorstellung ist etwa diese: Die Bedrohung des Volkes oder der Nation als den Verkörperungen der naturhaften Ganzheit durch "artfremde Einflüsse" in Gestalt fremder Mächte im Inneren wie im Äußeren kann nur abgewandt werden, wenn das Kollektiv effizient zu handeln imstande ist. Hierzu zählt zunächst die Fähigkeit des völkischen Kollektivs sich nach außen durch eine klar konturierte nationale Identität und durch militärische Kampfbereitschaft abzugrenzen und abzusichern. Nach innen muß das Kollektiv bestrebt sein, möglichst homogen zu handeln, da Konflikte, die sich aus unterschiedlichen Interessen, Wertorientierungen, politischen und/ oder religiösen Zielvorstellungen resultieren, die Effizienz des Kollektivs nur schwächen. Da die völkische Substanz beständig gegen Fremde verteidigt werden muß, werden Kampf um dessen Erhaltung, Ausgrenzung von Minderheiten, Krieg und Soldatentum verherrlicht. Feindseligkeit und demonstrative Wehrfähigkeit nach außen sowie das Modell einer formierten Gesellschaft im Inneren sind daher nur zwei Seiten ein- und derselben Medaille.

Wohl am prononciertesten hat sich der Staatsrechtler Carl Schmitt, der bis heute zu den bedeutendsten Autoritäten der Neuen Rechten zählt, mit der Homogenitätsfrage auseinandergesetzt, mithin mit der Frage, wie in einem Kollektiv ein einheitlicher Wille gebildet werden kann. Für Schmitt stand außer Frage, daß dieser zur Erhaltung des Volkes notwendige "öffentliche einheitliche Wille" im Gegensatz steht zur Sphäre des Privaten, zu der wir das Recht auf persönliche Freiheit und andere Grundrechte bis hin zum Privateigentum zählen. Dadurch, daß der bürgerlich-liberale Rechtsstaat aber diese Grundsätze aus der Sphäre des Privaten zu Grundsätzen des öffentlichen, politischen Lebens erhebe, unterminiere er die Möglichkeit, einen einheitlichen öffentlichen Willen zu formen. Aus diesen Vorstellungen resultiert letztlich ein totalitäres Staatsverständnis. Dem Staat als Wahrer des Ganzen, ist absoluter

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Gehorsam entgegenzubringen. Er hat innen- und außenpolitisch die völkische Einheit und Reinheit zu wahren. Folgerichtig wird er im rechtsextremen Denken als nationaler Machtstaat konzipiert, dem die Bürger- und Individualrechte untergeordnet sind. Recht ist immer nur das, was dem Volk nützt. Das Funktionieren des Staates hat oberste Priorität. Vielfalt und Konflikt, Pluralismus und Konsens erscheinen aus der Perspektive dieses Denkens daher als Gefahren, die die Lebensfähigkeit des völkischen Kollektivs bedrohen. Bereits hier wird deutlich, daß Individual- und Gruppenrechte in dieser Gesellschafts- und Geschichtsauffassung höchstens einen untergeordneten Rang einnehmen, da die sich nicht aus dem Prinzip der völkischen Ganzheit, sondern aus Interessengegensätzen und Klassenantagonismen ableiten. Dort, wo Kampf und Unterordnung unter einen einheitlichen Willen zum Überlebensprinzip erhoben werden und im Mittelpunkt des Denkens die Errichtung einer nationalen Volksgemeinschaft steht, haben die zentralen Tugenden demokratischer Verfassungen keinen Platz. Abgrenzungs- und Homogenitätsbestreben vertragen sich eben nicht mit den zentralen Wertentscheidungen des Grundgesetzes, das eben nicht auf die Effizienz eines menschlichen Kollektivs in Gestalt von Volk, Nation oder Staat zielt, sondern wie schon die Verfassung von Weimar Menschenwürde und individuelle Freiheit zu obersten Verfassungsprinzipien erklärt, die zu achten und zu schützen Verpflichtung aller staatlichen Gewalt ist oder wie es noch klarer im Verfassungsentwurf vom Herrenchiemsee hieß: "Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen."

Rechtsextremismus können wir daher zunächst als ein Bündel antidemokratischer Einstellungen und Verhaltensweisen definieren, die sich allesamt aus universalistischen und naturalistischen Grundüberzeugungen ableiten. Politisch zielt der Rechtsextremismus auf ein Rückgängigmachen eines erreichten Entwicklungsstandes der politischen und sozialen Demokratisierung und damit auf die Restaurierung vor-demokratischer Verhaltensweisen und politischer Systeme.

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2. Lebensrecht des Volkes statt individueller Menschenwürde

Sehen wir uns in einem zweiten Zugang die programmatische und propagandistische Ausgestaltung der rechtsextremen Ideologiemuster bei den derzeit wichtigsten Rechtsaußenparteien an, so fällt schnell auf, daß "Lebensfragen" bzw. "Lebensrechte des deutschen Volkes" – wie es fast gleichlautend in den Parteiprogrammen von NPD und DVU-Liste D heißt – nach wie vor im Zentrum des rechtsextremen Interesses stehen. Und so beschwören diese Parteien das Gespenst einer multikulturellen Gesellschaft und einer nur mehr verfassungspatriotischen nationalen Identität. "Wird Deutschland türkisch?" fragte so etwa ein Faltblatt der DVU zur Europawahl 1989. "Wenn das so weitergeht, kommen noch Millionen Türken und die Deutschen werden Fremde im eigenen Land!" "Bald Chicago in Deutschland?" lautete auch eine Überschrift im "Deutschen Anzeiger" vom 2. Juni 1989. Die Gefahr aus dem Osten in Gestalt des Sowjetkommunismus gehe zurück. "Doch die Gefahr aus der anderen Richtung, nämlich die völlige Überfremdung Deutschlands hin zu Harlem- und Chicago-Zuständen, wächst!" Hunderttausende Deutsche würden jährlich Opfer ausländischer Krimineller klagte auch die "Deutsche National-Zeitung" (1.11.1991) des DVU-Vorsitzenden Gerhard Frey. Nach Meinung der NPD wiederum wird "durch das ungehinderte Einströmen von Millionen von Schwindelasylanten und Wirtschaftsflüchtlingen ... das deutsche Volk systematisch überfremdet". "Jedes Bemühen, die deutsche Volkssubstanz zu erhalten", werde mit dem "Schlagwort 'Rassismus' totgedroschen". "Die neueste Ausrottungsmasche" sei die "Propagierung der multikulturellen und multiethnischen Gesellschaft." (Deutsche Zukunfts-Landesspiegel NRW, 7/1990). Daher werde die "Erhaltung der biologischen Kraft unseres Volkes ... eine immer größer werdende Aufgabe." (Niedersachsen-Spiegel, 4/5 1990). Ganz ähnlich beklagten auch die "Republikaner" in ihrem Berliner "Wahlprogramm 1989" die "Vernachlässigung der Rechte der deutschen Nation", "die uneingeschränkte Zuwanderung von zahllosen Scheinasylanten" sowie die "allmähliche Überfremdung unserer Heimatstadt".

Dieses propagandistisch gezeichnete Überfremdungsszenario bildet vielfach die Folie, den "Altparteien" vorzuwerfen, gegen die "Landes-

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Interessen des deutschen Volkes" zu handeln, um sich dann jeweils selbst als Retter aus dem drohenden nationalen Untergang zu profilieren.

Leitthema des 1987 verabschiedeten Parteiprogramms der DVU-Liste D ist daher die nationale und ideologische Homogenität Deutschlands sowie dessen Stellung in Europa. Nicht das Wohlergehen der Menschen und der Schutz bzw. die Achtung der Menschenwürde ist Primärziel der Partei, sondern das Überleben des vermeintlich gefährdeten Kollektivs. Alle anderen Programmpunkte werden diesem Hauptziel untergeordnet. Propagandistisch einprägsam reduziert wird die Forderung nach nationaler Homogenität in Slogans wie "Deutschland soll deutsch bleiben" oder auch "Deutschland den Deutschen!" Gleichsam in einer Doppelstrategie schlägt die DVU vor, die Rechte der in Deutschland lebenden Ausländer zu beschneiden und zugleich die Rechte der Deutschen und deren Volkskraft zu stärken. Konkret fordert die Partei daher einerseits die Ausländerbegrenzung nach rechtsstaatlichen Grundsätzen, die Ausweisung von kriminellen Ausländern und sogenannten Scheinasylanten, den Stopp eines weiteren Massenzuzuges von Ausländern sowie die Beibehaltung unserer Grundgesetzvorschrift, daß nur Deutsche in Deutschland wählen dürfen. Analog zum Parteiprogramm der NSDAP werden Ausländer dabei auf den Status von Gästen reduziert, die nicht dem Schutz der Grundrechte, sondern einer eigenen "Fremdengesetzgebung" unterliegen. Andererseits sollen Deutsche bei der Vergabe von Arbeitsplätzen und Sozialleistungen vorrangig bedacht werden. Um schließlich den "Erhalt unseres Volkes" langfristig zu sichern, soll gesundheitspolitisch der Mißbrauch des Abtreibungsrechtes verhindert und sollen familienpolitisch Familien und Mütter steuerlich begünstigt und staatlich unterstützt werden. Um die Effizienz des Kollektivs zu sichern, ist nach dem Programm der DVU darüber hinaus ideologische Homogenität und historisches Selbstbewußtsein der Bürger nötig. Also wendet man sich gegen eine "höchst einseitige Vergangenheitsbewältigung allein zu Lasten der Besiegten des Zweiten Weltkriegs" und die damit verbundene "Sündenbock"-Rolle Deutschlands. Im Verhältnis gegenüber den anderen Nationen huldigt die Partei mit ihrer Parole "Deutschland zuerst" einem traditionellen nationalen Egozentrismus. Niemals dürfe sich die Bundesrepublik in einem EG-Staat auflösen, da dies die Zerstörung der nationalen Identität bedeute. EG-Anordnungen, die gegen deutsche Interessen gerichtet seien, müßten abgelehnt werden.

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Besonderen Schutz vor der erdrückenden Konkurrenz internationaler Konzerne sowie vor der Entrechtung durch die EG-Bürokratie sollten die deutsche Industrie und der Mittelstand und hier vor allem die deutschen Bauern erhalten.

Auch im NPD-Programm von 1987 geht es vorrangig um "Lebensfragen des deutschen Volkes". Im Unterschied zum älteren Nationalismus propagieren die politisch allerdings kaum noch erfolgreichen Nationaldemokraten die modernisierte Variante eines Ethnopluralismus. Danach hat jeder Mensch ein "Lebensrecht", aber ausschließlich "in seiner Heimat". Ausländerintegration ist nach diesem Denkmodell immer ausländerfeindlich, weil sie letztlich die nationale Identität sowohl von Ausländern wie von Deutschen gefährde. Nationenübergreifende imperialistische Projekte, internationale Konzerne und Staatengemeinschaften wie die EG bedrohten die "Verschiedenheit der Nationen und ihrer Kulturen" und seien von daher abzulehnen. Identifikationsobjekt eines jeden Individuums ist auch hier ausschließlich die Nation, nicht jedoch die demokratische Verfaßtheit einer Gesellschaft. Und auch bei der NPD wird der Staat einmal mehr als "Wahrer des Ganzen" beschworen.

Die modernste und moderateste Variante rechtsextremen Denkens repräsentieren derzeit die "Republikaner". Auch bei ihnen steht das um Volk und Nation begrifflich zugespitzte Bekenntnis zu einer überzeitlich gültigen Weltanschauung im Mittelpunkt ihres Denkens. Und auch für sie ist daher die "Erhaltung und Förderung des Bestandes des deutschen Volkes eine gemeinsame und über allen Interessen stehende Aufgabe". Alles, was der Einheit und dem Interesse des Volkes zuwiderläuft, wird als Ausdruck von Chaos und Tod attackiert; alles, was das als Nationalstaat verfaßte Volk stabilisieren kann, gilt demgegenüber als positiv. Individuelle Bürger- und Freiheitsrechte ordnen auch die "Republikaner" dem übergeordneten, höheren nationalstaatlichen Zweck unter; Innen- und Außenpolitik werden von hier aus beurteilt; die Forderung nach einem hierarchisch gegliederten, starken und entscheidungsfähigen Staat sowie die Ablehnung innenpolitisch konkurrierender Machtzentren und supranationaler Institutionen erhalten von hier ihren Sinn.

Das Stichwort "nationale Identität", seit der Bonner Wende von 1982/83 wieder verstärkt in der öffentlichen Diskussion, rangiert in den ver-

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schiedenen Programmen und Manifesten der neuen Rechtsaußenpartei jeweils an oberster Stelle. "Nationale Identität" aus der Perspektive der "Republikaner" meint dabei dreierlei: die Forderung nach "nationaler Selbstbestimmung" und nach Wiederherstellung des "Deutschen Reiches in allen seinen Teilen", die Ablehnung einer multikulturellen Gesellschaft in dem Postulat "Deutschland darf kein Einwanderungsland werden" sowie schließlich die "Entsorgung" der Geschichte.

Wie NPD und DVU skizzieren auch die "Republikaner" das Bild einer umfassenden ideologischen, sittlichen und nationalen Zersetzung des deutschen Volkes, aus dem sie die Forderung nach radikalen Erneuerung ableiten. "Wir leiden unter den Auswirkungen einer umfassenden Sinnkrise", heißt es etwa im Programm von 1990. "Der Zerfall der ethischen Grundlagen unseres Volkes zeigt sich im naiven Materialismus, in der Zerrüttung der Familien, am Beispiel zunehmender Kinderfeindlichkeit, im mangelnden Respekt vor dem ungeborenen Leben..., in der Diffamierung der Frau in ihrer Rolle als mütterlicher Mittelpunkt der intakten Familie..." usf. Die Fixierung des öffentlichen Interesses auf die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft habe die Deutschen von den positiven Traditionen und Werten ihrer Geschichte – wie etwa der Ehre des deutschen Soldaten – entfremdet. Vor allem aber bedrohten die "Überbevölkerung unseres Lebensraumes" und die "rassische Durchmischung des deutschen Volkes durch Ausländer und Asylanten" die "nationale Identität". Der größte Schaden, der gegenwärtig dem deutschen Volke drohe, sei die Entstehung einer Fremdbevölkerung in Deutschland. Nach Schönhuber führe insbesondere die EG zu einer "immer stärker werdenden Überfremdung". Während die Zahl der Ausländer beständig steige, nehme die Zahl der Deutschen rapide ab, sinke die Verteidigungsfähigkeit, sterbe das Bauerntum und fielen immer mehr deutsche Familien auseinander. Das in Jahrtausenden gemeinsamer Geschichte gewachsene, auf geistigen und blutsmäßigen Bindungen beruhende Gemeinschaftsbewußtsein unseres Volkes werde brüchig; das Gefühl innerer Verbundenheit, das dem deutschen Volke auch in schweren Zeiten Halt und Kraft verlieh, gehe verloren, lamentierte Erik Zimmer 1988 in einem "Volk in der Krise" betitelten Aufsatz in der Zeitschrift "Der Republikaner".

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Aus diesem vor allem in Wahlkampfveranstaltungen und Fernsehspots bunt ausgemalten Krisen- und Bedrohungsszenarium leiten die "Republikaner" ihr politisches Programm ab. Primär geht es ihnen wie allen anderen rechtsextremen Parteien in Vergangenheit und Gegenwart darum, die moralischen und ideologischen Grundlagen des völkischen Kollektivs zu stärken und "artfremde" äußere Einflüsse abzuwehren. Notwendig sei "eine bejahende Einstellung zu Volk, Staat, Nation, Heimat und Vaterland". Damit die Deutschen wieder stolz auf ihre Geschichte sein könnten, fordern die "Republikaner" die "Entkriminalisierung deutscher Kultur, Geschichte und ihrer Menschen". Die Deutschen sollten endlich selbstbewußt aus dem Schatten der Vergangenheit heraustreten und nicht länger im Büßerhemd herumlaufen. Die Zeit der "Umerziehungsdiktatur" sei vorbei. Wichtigstes Ziel der Innenpolitik – so das Programm von 1987 – sei die "Erhaltung des Bestandes des deutschen Volkes, seiner Gesundheit und seines ökologischen Lebensraumes". Umwelt- und Bildungspolitik, Familien- und Gesundheitspolitik werden diesem Ziel untergeordnet. Um den Schutz der deutschen Interessen zu garantieren und äußere Gefahren abzuwehren, wird das Modell eines autoritären Staates propagiert, dem die bürgerlichen Individual- und Freiheitsrechte untergeordnet werden. Staatliche Entscheidungseffizienz besitzt im Parteiprogramm der "Republikaner" Vorrang vor Individual- und Gruppenrechten, wenn es etwa heißt, "daß Staatsräson und Gemeinwohl Vorrang vor Parteiräson und Gruppeninteressen haben". Der einzelne habe sich der "Lebens-, Leistungs- und Wertegemeinschaft aller" unterzuordnen. Individuelle Rechte müßten endlich wieder mit "gemeinschaftsbezogenen Pflichten" in Einklang gebracht werden. Die Verpflichtung von Einzel- und Gruppeninteressen auf Staats- bzw. Gemeinwohl bedeutet letztlich, die demokratische Willensbildung auf Loyalität gegenüber dem Staat zu verpflichten. Das geben die "Republikaner" in ihrem Programm von 1987 unumwunden zu, wenn es dort etwa heißt, "daß der Staat ... allen loyalen Bürgern die Grundlagen für persönliche Freiheit ... schafft und bewahrt". Freiheit, Sicherheit und Wohlstand wollen die "Republikaner" nur mehr "loyalen Bürgern" gewähren. Die in solchen Aussagen zum Ausdruck kommende Pluralismus- und Demokratiefeindschaft stellt damit fundamentale Grundrechte wie das der Meinungs- und Pressefreiheit zur Disposition. So plädiert das Parteiprogramm offen dafür, das Grundrecht der Meinungsfreiheit

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durch das Prinzip der "Würde des Volkes" einzuschränken. Hinter all dem steht die Vorstellung, daß nur ein starker, nicht durch Individual- und Gruppenrechte in seiner Handlungsfähigkeit eingeschränkter Staat die drohende Apokalypse des "Volkstodes" werde verhindern können.

Zentral geht es den "Republikanern" wie den anderen Rechtsaußenparteien jedoch um die Lösung der "Ausländerfrage", d.h. um die Abwendung der aus der ungebremsten Einwanderung resultierenden Gefahren für den Bestand des deutschen Volkes. Um das vermeintlich wichtigste Problem der Nation, die Gefahr der "Überfremdung", zu lösen, wird einer Entrechtung der in der Bundesrepublik lebenden Ausländer das Wort geredet. Ganz in der Tradition der anderen rechtsextremistischen Parteien wollen auch die "Republikaner" Ausländer auf den Status von Gästen reduziert wissen, denen nur ein eingeschränkter Grundrechtsschutz gewährt wird. Die Verweigerung von Menschen- und Bürgerrechten für Ausländer, die Eingrenzung der im Grundgesetz verankerten Menschenrechte ausschließlich auf Deutsche und die vehemente Ablehnung eines Ausländerwahlrechts erweisen sich als taktische Voraussetzung einer flexiblen, durch keine rechtlichen Bindungen eingeschränkten Handhabung des Ausländerproblems. Anders als ihre rechtsextremen Konkurrenten fordern Schönhubers "Republikaner" nicht einfach "Deutschland den Deutschen – Ausländer raus!", sondern sprechen davon, daß Deutschland kein "Einwanderungsland", kein "Gastarbeiterland", nicht das "Sozialamt des Mittelmeerraumes" werden dürfe. Realistischer als andere erkennen sie die ökonomische Notwendigkeit der Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern in der Bundesrepublik an und favorisieren daher eine Strategie der Entrechtung, nach der Ausländer jederzeit ein weiterer Aufenthalt verweigert werden kann, wenn dies ökonomisch oder politisch wünschenswert erscheint. Arbeitsverträge mit Ausländern sollten – so Schönhuber – daher auf höchstens drei Jahre befristet werden. Für Asylbewerber und andere "ungebetene Gäste" sollten an den Grenzen Schnellgerichte errichtet werden, die die sofortige Abschiebung veranlassen könnten. Insbesondere jedoch soll das grundrechtlich verankerte Asylrecht als Einfallstor der "Fremden" nach Deutschland gestrichen werden.

Im Unterschied zum Nationalsozialismus und zum älteren Rechtsextremismus jedoch argumentieren die Rechtsextremisten der Gegenwart

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weniger rassistisch. Sie betonen weniger die erbbiologische Überlegenheit der einen über die andere Rasse, sondern stattdessen stärker die Probleme und Folgewirkungen der kulturellen Integration von Ausländern. Die Forderungen nach ethnisch-kultureller Hegemonie und die Ablehnung multikultureller Verhältnisse werden verstärkt "wissenschaftlich" begründet. So entstand in den letzten Jahrzehnten ein gänzlich neuer Sozio-Biologismus, der sich auf die moderne Tier- und Verhaltensforschung bezieht und die Autoren wie Konrad Lorenz und Eibl-Eibesfeldt zitiert. Dem Verhalten des Menschen – so wird jetzt behauptet – seien biologische Grenzen gesetzt. Aus dem Tierreich habe er erbbiologisch bestimmte Verhaltensweisen übernommen, die nur modifiziert, nicht aber aufgehoben werden könnten. Eine der wichtigsten dieser Verhaltensweisen sei der "Territorialtrieb", worunter das Bedürfnis einer Gruppe von Tieren bzw. einer ethnischen Einheit verstanden wird, ein eigenes, deutlich abgegrenztes Territorium zu besitzen, innerhalb dessen sich die Art frei entfalten kann. Eng hiermit verbunden ist das u.a. von Henning Eichberg vertretene Konzept des "Ethnopluralismus", das jedem ethnischen Kollektiv sein Lebensrecht und die Entfaltung seiner spezifischen Fähigkeiten und Eigenheiten zubilligt, sich aber zugleich gegen eine Vermischung ethnokultureller Bedingtheiten ausspricht. Eine andere neu-rechte Argumentationsrichtung kommt aus der Bevölkerungslehre und wird insbesondere von dem Osnabrücker Soziologen Robert Hepp vertreten, der mit bevölkerungspolitischen Daten und Argumenten – z.B. der zurückgehenden Geburtenzahl der deutschen Bevölkerung – den "Volkstod" der Deutschen prophezeit und damit Überfremdungsängste anheizt. So heißt es etwa bei ihm: "Letzten Endes kann ein über Jahrzehnte andauernder Bevölkerungsrückgang, der laufend durch Einwanderer kompensiert werden muß, zu gar keinem anderen Ergebnis führen als zum biologischen und kulturellen Untergang des Volkes." Der "Volkstod" in der Form "wachsender Überfremdung" sei die notwendige Folge des "selbstmörderischen Geburtenrückgangs der Deutschen".

Wie unterschiedlich die Begründungen der Forderung nach ethnischkultureller Hegemonie und der Ablehnung einer multikulturellen Gesellschaft auch daher kommen, nach wie vor rangiert auch in der modernsten Variante des Rechtsextremismus das Lebensrecht des vermeintlich bedrohten Volkes vor den individuellen Freiheits- und Men-

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schenrechten unserer Verfassung, deren Geltungsbereich zudem nur auf loyale und deutsche Staatsbürger eingegrenzt wird. Wo es um Überlebensfragen des Volkes, gar um die Verhinderung des apokalyptischen "Volkstodes", geht, haben universelle Menschenrechte keinen Platz. Ganz in der Tradition des Rechtsextremismus präferiert daher auch die neu-rechte Ideologie eindeutig das Kollektiv – ob als Staat, Nation oder "ethnokulturelle Einheit" – gegenüber dem Individuum. Und ganz in der Tradition des klassischen Rechtsextremismus werden einmal mehr Fremde für die großen Gegenwartsprobleme verantwortlich gemacht, womit zugleich suggeriert wird, daß mit der "Lösung der Ausländerfrage" diese Probleme zu beheben seien. Vor dem Hintergrund dieses Bedrohungsszenariums müssen Gewaltmaßnahmen bis hin zum Abbrennen von Asylbewerberunterkünften und zum Mord an Ausländern als legitime Notwehrmaßnahmen erscheinen. Der Rechtsextremismus der Gegenwart plädiert also nicht öffentlich die Gewalt – dies kann er sich angesichts des Damoklesschwertes des Parteienverbotes und des Zwanges zur Verfassungskonformität auch gar nicht leisten –, in den Köpfen seiner Anhänger indes aber muß Gewalt als notwendiges Handlungsmuster erscheinen, um den drohenden "Volkstod" abzuwenden. Angesichts des skizzierten Bedrohungsszenariums und der Geringschätzung von Menschenrechten liegt die Gewaltperspektive somit immer schon strukturell in der Ideologie auch des modernen Rechtsextremismus angelegt. Autoren wie Schönhuber und Frey müssen daher letztlich als geistige Brandstifter für die Ausschreitungen von Rostock und die Morde in Mölln verantwortlich gemacht werden.

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3. Brückenschläge zum Konservatismus und öffentliche Resonanz

Mit den Themen Ausländer/Asylanten und "nationale Identität" ist es dem organisierten Rechtsextremismus seit Beginn der 1980er Jahre gelungen, seine traditionelle Isolierung zu überwinden und Brücken ins konservative Lager und darüber hinaus zu schlagen. Die Ausländerfrage wurde gleichsam zum ideologischen Sprungbrett ins etablierte Parteienlager bis hin zur Wählerschaft der Sozialdemokratie. Teils aus Gründen inhaltlicher Übereinstimmung, teils aber auch aus wahlkampftaktischen

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Überlegungen haben sich besonders die Unionsparteien in der Zwischenzeit der von den Rechtsaußenparteien ins Spiel gebrachten Themen angenommen und sie damit zugleich gesellschaftlich normalisiert. Spätestens seit dem Bundestagswahlkampf von 1987 ist das Problem der Ausländerintegration ein hoch emotionalisierter Dauerbrenner im konservativen Lager. Militante Rechtsextremisten wiederum sähen sich durch Bonner Unionspolitiker ermuntert, warnte der damalige Hamburger Verfassungsschutzchef Lochte, die ihnen mit asylkritischen Themen "Motivation und Legitimation" lieferten. Im Unionslager saß man der gefährlichen Illusion auf, man könne der rechtsextremen Konkurrenz den Wind aus den Segeln nehmen, wenn man seine Themen aufgreife. Mochte dieses Politikmuster noch Ende der 60er Jahre funktionieren, angesichts von Parteienverdrossenheit und insgesamt nachlassenden Parteienbindungen in den 90er Jahren jedoch geht die Rechnung nicht mehr auf, nach rechts abgewanderte Wähler durch rechtsextreme Themen zu reintegrieren. Im Gegenteil: eine solche Politik macht nur rechtsextreme Einstellungsmuster hoffähig und beschleunigt Erosionsprozesse nach Rechtsaußen.

Schauen wir uns die ideologischen Brücken zwischen Rechtsextremismus und Konservatismus einmal näher an.

Zunächst steht auch bei Unionspolitikern das Streben nach Homogenität und nationaler Identität hoch im Kurs. So philosophierte etwa der Rechtsausleger der Berliner CDU, der ehemalige Innensenator Heinrich Lummer, zum Thema Ausländer- und Asylpolitik: "Die bekannten multikulturellen oder multinationalen Gesellschaften sind in der Regel Konfliktgesellschaften. Wenn man es vereinfacht sagt, läßt sich eine homogene Staatsbevölkerung leichter regieren. Richtiger muß es heißen, daß eine homogene Staatsbevölkerung eine größere Gewähr für die Bewahrung des inneren Friedens bietet." Sowohl der gegenwärtige Asylkompromiß als auch die seit der Wende von 1982/83 verstärkte Politik nationaler Symbolik – forciert durch die deutsche Einigung – sind Ausdruck des rechtskonservativen Strebens nach nationaler und kultureller Homogenität. Fragen der nationalen Identität stehen in den konservativen Zeitschriften daher hoch im Kurs. Ganz ähnlich wie Rechtsextremisten beklagte so etwa der Zeithistoriker, Kanzler-Berater und Adenauer-Biograph Hans-Peter Schwarz in der CDU-Monatsschrift "Die politi-

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sche Meinung" die Schwächung des natürlichen Selbstbehauptungswillens der Deutschen, die Degeneration des Nationalgefühls durch einen anti-patriotischen Defätismus und forderte die Regeneration eines deutschen Patriotismus. Darunter versteht Schwarz die "Selbsttranszendierung der individuellen Existenz in selbstloser Arbeit, im Opfer, notfalls im Heldentod für das Allgemeine". Bezugspunkte des Patriotismus müßten wieder Volk und Vaterland sein. Da haben wir ihn wieder, den geschichtsphilosophischen Universalismus. Schwarz bewundert jene Welt, "in der ein Bürger noch weiß, daß das Vaterland mehr ist als eine Versicherungsgesellschaft zur Erhaltung von Sozialkomfort und daß es von seinen Bürgern auch mehr fordern darf – auch eine Welt, in der man noch weiß, daß es Feinde gibt und wer die Feinde sind".

Zur Bildung der nationalen Identität, eines "selbstverständlichen Nationalbewußtseins" wie es heißt, gehört neben der Bereitschaft, sich gegebenenfalls für das Allgemeine zu opfern, ein ungetrübtes nationales Selbstbewußtsein, das nicht durch die Schatten der (braunen) Vergangenheit getrübt ist. Rechtsextreme Denker – wie der erste Adenauer-Preisträger Armin Mohler – forderten daher schon in den 60er Jahren, den "Schlußstrich unter die Vergangenheitsbewältigung" zu ziehen, um die Deutschen wieder zu einer "normalen Nation" werden zu lassen, "die nicht nur physisch lebensfähig, sondern auch innerlich einigermaßen ausgeglichen ist". Fast wörtlich fanden sich solche Formulierungen nach der Bonner Wende bei Alfred Dregger, Franz Josef Strauß und Helmut Kohl wieder.

Innenpolitisch hat die angestrebte nationale Identität, wie sie Rechtsextremisten und Konservativen gleichermaßen vorschwebt, die Ablehnung multikultureller Verhältnisse zur Folge. Günter Zehm, stellvertretender Chefredakteur der "Welt", wandte sich in echt biologistischer Manier so im Dezember 1988 in der als Theorieorgan der "Neuen Rechten" fungierenden Zeitschrift "Mut" gegen Heiner Geißlers Vorstellung einer multikulturellen Gesellschaft. Diese sei im besten Falle nichts als "utopisches Gerede, das aller konkreten Erfahrung zuwiderläuft. Sie widerspricht der menschlichen Natur, wenn nicht der Natur überhaupt". Schon wegen der Wiedergewinnung der nationalen Einheit dürfe die Bundesrepublik nicht zur "Spiel- und Konfrontationswiese für multikulturelle Teilgesellschaften" werden. Längst beklagen in der

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Zwischenzeit auch führende Unionspolitiker die ethnische "Durchrassung" der deutschen Gesellschaft und huldigen damit dem klassischen rechtsextremen Denkmodell eines ethnisch reinen Volkskörpers.

Die Homogenität des Politischen und staatliche Handlungseffizienz wird auch von Unionspolitikern als zentrale Voraussetzung nationaler und ethnischer Homogenität betrachtet. Rechtsextreme wie Konservative betonen daher unisono den Vorrang des Staates und seiner Institutionen vor den Individuen und gesellschaftlichen Gruppen. Konflikte gelten diesem Denken als dysfunktional und sind zu eliminieren. Absolute Priorität demgegenüber hat das reibungslose Funktionieren des Staates und der Wirtschaft. Aktuellstes Beispiel einer hierauf begründeten Politik ist der Einigungsvertrag von 1990. Die Konstitution zur Staatsbürgernation wird hier nicht als demokratischer Prozeß der Selbstbestimmung der Bürger, d.h. als Demokratiegründung, begriffen, sondern als technischer Prozeß eines politisch gespaltenen Volkes, in dem die einzelnen nur mehr statistische Größen sind.

Mit dem Aufgreifen und der Popularisierung vereinzelter rechtsextremer Denkmuster haben die Unionsparteien klassisches rechtsextremes Gedankengut in der Öffentlichkeit salonfähig gemacht und damit Barrieren niedergerissen, wie die Wahlerfolge rechtsextremer Parteien seit Ende der 80er Jahre anschaulich belegen. Nach einer 1988 vom Tübinger Wickert-Institut durchgeführten Repräsentativumfrage forderten so etwa 83% der Befragten den "Zusammenschluß aller Deutschen aufgrund des Selbstbestimmungsrechts der Völker". 38% hatten den Eindruck, daß die Deutschen zu wenig Lebensraum besitzen, und 41% bewerteten die deutsche Kultur höher als die von Türken, Tamilen und Jugoslawen. 53% der 50- bis 70jährigen und immerhin noch 14% der 18- bis 30jährigen befürworteten Forderungen nach "Reinheit des Blutes" und stimmten dem NSDAP-Programm von 1920 zu, wonach deutscher Staatsbürger nur sein kann, wer deutschen Blutes ist. Als besonders ausgeprägt erwiesen sich fremdenfeindliche Einstellungsmuster. Die Hälfte der Befragten hatte nichts gegen die Forderung des NSDAP-Programmes einzuwenden, daß Ausländer aus Deutschland auszuweisen seien, wenn die Beschäftigung der deutschen Bevölkerung nicht gesichert ist. 12% bzw. 20% lehnten es ab, mit einer jüdischen bzw. einer türkischen Familie unter einem Dach zu leben. 33% hielten Terroristen,

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Aids-Kranke und Asoziale für "Volksschädlinge". Und 15% der 18- bis 30jährigen gar waren der militanten Auffassung, daß "Volksschädlinge" "ausgemerzt" werden sollten, da sie nicht resozialisierungsfähig seien. Diese Beispiele mögen genügen, um zu illustrieren, wie tief das "Wörterbuch des Unmenschen" noch immer oder schon wieder im Bewußtsein der Deutschen verankert ist.

Man könnte in einer pluralistisch-liberalen Demokratie mit solchen Einstellungen durchaus leben, wenn sich diese nicht – wie in den letzten fünf Jahren geschehen – zunehmend in militant-terroristische Handlungsmuster bis hin zum Ausländerpogrom von Rostock und in offizielle Regierungspolitik umsetzten. Mit der Abkehr von einer großzügigen, liberalen Ausländer- und Asylpolitik und der vorrangigen Vergabe von Arbeitsplätzen an Deutsche sind erst in den letzten Monaten wieder zentrale Forderungen rechtsextremer Parteien erfüllt worden. Und es ist zu befürchten, daß dies erst ein Anfang ist.


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