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TEILDOKUMENT:

Reform der Arbeitsmarktpolitik und Perspektiven für lokales Handeln


[Seite der Druckausg.: 107 ]


Adi Ostertag
Reform der Arbeitsförderung und Perspektiven für lokales Handeln – Statement


1. Beschäftigungspolitische Leitlinien umsetzen

Die beschäftigungspolitischen Leitlinien der EU betreffen in weiten Teilen die Arbeitsmarktpolitik. Sie sind also Richtschnur für die Politik auf Bundesebene, d.h. vor allem für den Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit, Sonderprogramme des Bundes und das Arbeitsförderungsrecht. Mit der Aufstockung der Haushaltsmittel für aktive Arbeitsmarktpolitik um 6 Milliarden DM, dem Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und dem SGB III-Vorschaltgesetz werden die Grundlagen für eine Wende in der Arbeitsmarktpolitik gelegt.

2. Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit bleibt Kristallisationspunkt

Zentraler Bestandteil der arbeitsmarktpolitischen Strategie bleiben die Gespräche zum Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit, die unter anderem bei der Förderung der Berufsausbildung zu einer konkreten Zusage der Wirtschaft geführt haben. Über den demographischen Bedarf hinaus wird die Wirtschaft mindestens 10.000 zusätzliche Ausbildungsplätze bereitstellen. Das Sofortprogramm der Bundesregierung wird den Ausbildungskonsens noch wirksamer unterstützen. Damit entspricht das deutsche Verfahren auch voll der Leitlinie 5 (Förderung eines Partnerschaftskonzepts, Vereinbarung der Sozialpartner über Ausbildung, Berufserfahrung, Praktika etc.).

3. Arbeitsmarktpolitik vor Ort umsetzen

Die Grundlagen sind auf Bundesebene gelegt. Dennoch erfolgt die Umsetzung der Arbeitsmarktpolitik vor allem auf lokaler und regionaler Ebene. Die Bedingungen vor Ort sind verschieden, ein regionalisierter Ansatz kann die Wirksamkeit der Arbeitsmarktpolitik erhöhen. Dies auch in der Praxis sicherzustellen, ist ein wichtiges Ziel der SPD. Sie hat dies bereits 1995 in

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ihrem Gesetzentwurf für ein Arbeits- und Strukturförderungsgesetz verankert. Die alte Regierung hat sich das Prinzip, wenn auch halbherzig, zu eigen gemacht. Mit dem SGB III-Vorschaltgesetz und dem Haushalt 1999 sind wir diesen Weg weitergegangen.

4. Verstetigung und mehr Zielgenauigkeit der Arbeitsmarktpolitik

Die Arbeitsmarktpolitik wird auch im Haushalt 2000 auf hohem Niveau verstetigt. Damit besteht Planungssicherheit für die Arbeitsämter, Kommunen, Sozialpartner und Träger arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen. Sie können frühzeitig vor Ort Kooperationen verabreden oder verlängern. Die Effizienz der Arbeitsmarktpolitik soll sich erhöhen. Diesem Ziel dienen eine Reihe von Änderungen im SGB III. Es ist auch ein Beitrag zur Entbürokratisierung und zur noch größeren Verantwortung sowohl des örtlichen Arbeitsamtes als auch der örtlichen Selbstverwaltung. Die ersten Erfahrungen sind gut.

5. Perspektive bleibt eine umfassende Reform der Arbeitsförderung

Der Koalitionsvertrag setzt eindeutige Prioritäten. Ziel ist es, Arbeitslose so schnell wie möglich wieder in Arbeit zu bringen. Die Bundesregierung wird Mittel, die bisher zur Bezahlung von Arbeitslosigkeit ausgegeben wurden, zur Finanzierung von Qualifizierung und Arbeit einsetzen. Es werden soviel Mittel wie möglich von passiven in aktive Leistungen umgeschichtet. Die Beschäftigung von Frauen hat dabei ein besonderes Gewicht und die aktive Arbeitsmarktpolitik wird stärker mit der Strukturpolitik in den Regionen verzahnt. Die umfassende Reform der Arbeitsförderung soll noch im Laufe dieser Legislaturperiode erfolgen (2. Hälfte 2001). Die Haushaltsverhandlungen haben gezeigt, daß eine solche Perspektive realistisch ist. Trotz des Sparzwangs bleiben die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik und das Sonderprogramm voll erhalten.

6. Häusliche Dienstleistungen – ein Beispiel für neue Beschäftigungsfelder

Nach dem Koalitionsvertrag wollen wir die Voraussetzungen für zusätzliche Beschäftigung im Dienstleistungssektor schaffen. Dazu werden Haushaltsdienstleistungs- und private Dienstleistungsagenturen gefördert. Dieses ist ein Beispiel für die Erschließung neuer Beschäftigungsfelder, die auch über kommunale Beschäftigungspolitik unterstützt werden können. Nur wenige

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private Haushalte können sich eine fest angestellte Haushaltshilfe leisten. Es besteht aber ein großer Bedarf, regelmäßig aber auch kurzfristig einzelne Serviceleistungen in Anspruch zu nehmen. Hier liegt ein großes Potential für zusätzliche Arbeitsplätze, vor allem für Personen ohne branchenbezogene Spezialkenntnisse, die überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Dienstleistungsagenturen können solche Beschäftigung bündeln und als privates oder kommunales Unternehmen, als halböffentliches Unternehmen, z.B. durch Kirchen oder Wohlfahrtsverbände organisiert werden. Die SPD-Bundestagsfraktion hat dazu bereits in der letzten Legislaturperiode ein Konzept erarbeitet, das als Grundlage für die derzeitige, überwiegend interne Diskussion dient.

7. Abbau der Jugend- und der Langzeitarbeitslosigkeit

Bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit sind eindeutige Erfolge zu verzeichnen (466.000 im August 1999, minus 35.000 gegenüber Vorjahr). Über sechs Monate arbeitslos waren nur noch 75.000, das heißt 16 %. Das Ziel der Leitlinie 1 (kein Jugendlicher über sechs Monate arbeitslos) ist in greifbare Nähe gerückt. Zurückgegangen ist auch die Langzeitarbeitslosigkeit (Leitlinie 2), hier müssen die Anstrengungen aber noch verstärkt werden. Der Übergang von passiven zu aktiven Maßnahmen (Leitlinie 3) und die verstärkte Förderung von Frauen (Leitlinie 20) sind ebenfalls in Angriff genommen. Bei vielen Maßnahmen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene ist übrigens der Europäische Sozialfonds beteiligt. Die eindeutige Konzentration der Förderung auf Ostdeutschland und Regionen mit hoher struktureller Arbeitslosigkeit ist sicherlich ein richtiger Ansatz und unterstreicht das Prinzip der Regionalisierung.

Eine aktive Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik liegt auch im Interesse der Kommunen selber. Die gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit betrugen 1997 ca. 166 Milliarden DM, davon entfielen nach Berechnung des IAB knapp 13 Milliarden DM auf die Gemeinden, auf die Sozialhilfe allein 5,2 Milliarden DM.

8. Bündnis für Arbeit in den Regionen

Das Bündnis für Arbeit hat auf Bundesebene zu ersten erfolgversprechenden Vereinbarungen geführt. Die Idee einer gemeinsamen Kraftanstrengung gilt auch für die örtliche Ebene. Bereits heute gibt es in vielen Betrie-

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ben, aber auch auf regionaler und kommunaler Ebene durchaus erfolgreiche Bündnisse zum Erhalt von Arbeitsplätzen, zur Sicherung der Berufsausbildung und zu einem sozialverträglichen Strukturwandel. Diese Bewegung sollte noch verbreitert werden, gerade jetzt, wo auf Bundesebene erste erfolgversprechende Vereinbarungen bestehen. Die arbeitsmarktpolitischen Instrumente können dabei mit eingesetzt werden, die Partner des Bündnisses sitzen vielfach schon in der Selbstverwaltung der Arbeitsämter zusammen. Dieses könnte einen zielgerichteten Konsens beschleunigen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2000

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