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[Seite der Druckausg.: 43 ]


Wolfram L. Boschke
Reformvorstellungen aus der Sicht der Krankenhäuser


Bedauerlicherweise hat die Bundesregierung die Zeit nach dem Inkrafttreten des Gesundheitsstrukturgesetzes nicht genutzt, um sicherzustellen, daß nach Ablauf der Deckelung der Krankenhausausgaben Ende 1995 auf eine Fortführung der Deckelung verzichtet werden kann. Wertvolle Zeit wurde nicht genutzt.

Die zuständigen Fachbeamten des Bonner Gesundheitsministers waren im wesentlichen darauf konzentriert, die Fallpauschalen zu entwickeln, die sich derzeit auf den parlamentarischen Hürden befinden.

Insgesamt kann aus Sicht der Krankenhäuser derzeit von einem geordneten Gesetzgebungsverfahren nicht mehr gesprochen werden. Die eingetretene Gesetzgebungshektik birgt, insbesondere was die Qualität der Gesetzgebung betrifft, eine Reihe von Risiken.

Mit dem jetzt von der Regierungskoalition vorgelegten Gesetzespaket wird die in Lahnstein beschlossene Weiterentwicklung des Krankenhausfinanzierungssystems hin zu mehr leistungsbezogenen Vergütungen, mehr Markt und mehr Wettbewerb praktisch außer Kraft gesetzt. In dem Bemühen, die anstehende Reform - aus welchen Gründen auch immer - in mehrere Pakete zu schnüren, gefährdet die Bonner Regierungskoalition die notwendige Gesamtschau, insbesondere wenn es darum geht, den ambulanten und stationären Bereich enger miteinander zu verzahnen. Wie fragwürdig eine solche Politik ist, wird nicht zuletzt dann deutlich, wenn man sich mit den geplanten Änderungen im Bereich sogenannter Praxiskliniken befaßt, ein Punkt, auf den ich gerne noch zu sprechen komme.

Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Stabilisierung der Krankenhausausgaben 1996 entspricht dem verständlichen Bemühen um eine Ausgabenbegrenzung im Krankenhausbereich, wobei, und dies darf ich noch mal sagen, die Sorgen zum Teil durch eigene Untätigkeit verursacht wurden. Dennoch birgt auch die obligatorische Einführung der mit der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) vorgesehe-

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nen neuen leistungsbezogenen Vergütungsformen gewisse Ausgabenrisiken, so daß aus Sicht der Privatkrankenanstalten einer weiteren, auf ein Jahr befristeten, Begrenzung der Krankenhauskosten zugestimmt werden kann.

Jedoch hätte man sich gewünscht, daß die im Gesetzesentwurf vorgesehene Ausgabendeckelung zumindest unterhalb des Deckels etwas mehr Wettbewerb ermöglicht. Die im Gesetzesentwurf vorgesehene Anbindung an die von den Vertragsparteien vereinbarten Vomhundertsatz der linearen BAT-Erhöhung (Bundes-Angestelltentarifvertrag) ist nicht sachgerecht, da z.B. von den Tarifvertragsparteien vereinbarte strukturelle BAT-Komponenten, ich nenne hier nur tariflich bedingte Höhergruppierungen, Sockelbeträge und Einmalzahlungen, weitestgehend unberücksichtigt bleiben. Insofern ist hier dem Vorschlag der SPD zuzustimmen, die Krankenhausausgaben durch den Zuwachs der beitragspflichtigen Einnahmen der Krankenkassen zu begrenzen.

Die im Gesetzesentwurf vorgesehene vollständige Rückerstattung von Mehrerlösen gegenüber dem vereinbarten Krankenhausbudget ist aus Sicht der Privatkrankenanstalten nicht zu akzeptieren. Abgesehen davon, daß Krankenhäuser nach wie vor nur über höchst unbefriedigende Möglichkeiten der Mengesteuerung verfügen, so wird ihnen ein Teil ihrer Patienten von außen zugewiesen, wird es für die Krankenhäuser schwer sein, exakt sicherzustellen, daß ihre tatsächlichen Erlöse dem festgelegten Budget entsprechen. Nachdem sie für Leistungen, deren Vergütungen das Gesamtbudget überschreiten, zusätzlich keine weiteren Vergütungen erhalten, werden Krankenhäuser sogenannte Punktlandungen anstreben und damit Leistungen vermeiden, die über den Gesamtbetrag des Budgets hinausgehen. Damit stehen im Zweifelsfall ökonomische Überlegungen vor Fragen der Patientenversorgung. Hier wäre es sicherlich nötig, eine Marge vorzusehen, innerhalb derer dann wiederum ein Ausgleich auf Fixkostenbasis stattfinden sollte, analog zu der derzeit geltenden Regelung in § 11 Abs. 8 BPflV. Die im Entwurf vorgesehene Zementierung der Mengenstrukturen für ein weiteres Jahr setzen die angestrebten Steuerungswirkungen leistungsbezogener Vergütungen für ein weiteres Jahr außer Kraft.

Mit dem Gesetz zur Neuordnung der Krankenhausfinanzierung 1997 entfernt sich die Bundesregierung nahezu vollkommen von der bisher

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geforderten Weiterentwicklung des Krankenhausfinanzierungssystems zu mehr Markt und mehr Wettbewerb. Für die Privatkrankenanstalten ist es völlig unverständlich, warum man sich dazu entschlossen hat, die Landeskrankenhausgesellschaften auf Landesebene in die Verpflichtung für Gesamtbudgets zu nehmen. Bei den gegenwärtigen Strukturen und dem Anteil insbesondere öffentlicher, freigemeinnütziger und privater Krankenhäuser sehen wir die Pluralität in diesen Landeskrankenhausgesellschaften nicht als gesichert. Damit stellt sich die Frage, ob diese Institutionen im Hinblick auf die für sie hinzukommende Verantwortung die Interessen der einzelnen Trägergruppen qualifiziert wahrnehmen können. Die weiterhin vorgesehene Anbindung der krankenhaus-individuellen Budgets an extern definierte Wachstumsraten steht auch im Widerspruch zu den bisherigen Aussagen des Bundesgesundheitsministers hinsichtlich seiner Pläne zur Weiterentwicklung der Krankenhausfinanzierung.

Grundsätzlich halten wir diese Entwicklung für verfehlt, wir sind der Auffassung, daß eine Weiterentwicklung des Krankenhausfinanzierungsrechtes im Sinne einer Liberalisierung des Vertragsrechtes erfolgen sollte.

Aus Sicht der Privatkrankenanstalten stellt ein Einkaufsmodell sicher, daß langfristig bedarfsgerechte, wirtschaftliche und leistungsfähige Krankenhäuser auf dem Markt überleben.

Unseres Erachtens sollten die in Lahnstein beschlossenen Instrumente der Bundespflegesatzverordnung die Chance erhalten, ihre Steuerungswirkung zu entfalten. Eine Entwicklung, wie sie jetzt vorgesehen ist, läßt die Frage berechtigt erscheinen, ob das sehr aufwendige Instrument der leistungsbezogenen Vergütung langfristig überhaupt noch eine Chance hat. Wer vor wenigen Tagen erlebt hat, wie schnell sich Minister Seehofer von der von allen geforderten Monistik verabschiedete, muß damit rechnen, daß auch in diesem Punkt das Engagement des CSU-Ministers nachläßt.

Der in dem Gesetzesentwurf vorgesehene Heckenschnitt, insbesondere die prospektive Solidarhaftung aller Krankenhäuser, stellt nicht nur die Qualität der vorher abgeschlossenen Pflegesatzverhandlungen in Frage, sondern führt aufgrund der linearen Kürzung aller vereinbarten Budgets zu einer Mithaftung wirtschaftlicher Krankenhäuser für unwirtschaftliche. Wenn überhaupt sollten entsprechende Kürzungen unter Berück-

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sichtigung der Fallkosten erfolgen, wobei zweckmäßigerweise die Versorgungsstufe zu berücksichtigen wäre.

Das jetzt vorgesehene pauschale Kürzungsverfahren zur Anpassung der Summe der Krankenhausbudgets an ein Gesamtbudget ist abzulehnen, da es Unwirtschaftlichkeit belohnt und Wirtschaftlichkeit im Zweifelsfalle bestraft.

Hinsichtlich der retrospektiven Anpassung der Budgets sind auch hier die gleichen Bedenken vorzutragen, was Punktlandungsbemühungen bundesdeutscher Krankenhäuser in Zukunft betrifft. Auch hier ist die Qualität der Versorgung gegen Ende des Jahres eher fraglich.

Nach wie vor sind die zarten Knospen bestehender monistischer Finanzierungen gefährdet, nachdem die Bundesregierung sich weigert, die Kappungsvorschrift des § 17 Abs. 5 KHG (Krankenhausgesetz) an die geänderte Situation der Fallpauschalen und Sonderentgelte anzupassen.

Zu begrüßen sind die Vorschläge zur Förderung des Belegarztwesens, korrekturbedürftig sind aus unserer Sicht die Vorschläge zur Förderung sogenannter Praxiskliniken. Hier wäre zumindest sicherzustellen, daß bestehende Praxiskliniken in die Definition des Gesetzesentwurfes einbezogen werden. Die im Gesetzesentwurf vorprogrammierte Mengenentwicklung in der stationären Versorgung (zusätzliche Betten in Praxiskliniken) bei gleichzeitig völlig unzureichenden Möglichkeiten der Krankenversicherung, sich von Planbetten im Einzelfall zu trennen, wird die Sinnhaftigkeit des landesweiten Gesamtbudgets in Frage stellen.

Nach Auffassung des Bundesverbandes wäre es sinnvoller, die in Krankenhäusern vorhandenen Geräte und das Personal zu nutzen, d.h. vorhandene freiwerdende Ressourcen niedergelassenen Ärzten zur Nutzung im Krankenhaus anzubieten und damit das Belegarztwesen insgesamt zu stärken.

Mir ist klar, daß wir mit diesem Vorschlag in dieser Runde nicht auf Beifall stoßen, dennoch denken wir, ist eine verstärkte Einbeziehung niedergelassener Ärzte in die Krankenhäuser anzustreben. Diese Form der personellen Verzahnung sollte auf jeden Fall erleichtert werden. Volkswirtschaftlich gesehen sollte alles vermieden werden, was zu problematischen Doppelinvestitionen in neue Operations-Kapazitäten oder neue Betten-Kapazitäten führt.

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Gestatten Sie mir noch einige Anmerkungen zur Weiterentwicklung im Bereich der sogenannten Kuren und der stationären medizinischen Rehabilitation. Es stellt sich in der Tat die Frage, ob alle in diesem Bereich solidarisch finanzierten Leistungen auch zukünftig in der gegenwärtigen Art und Umfang finanziert werden sollen. Meines Erachtens sollte alles, was unter dem Begriff Kur, wohnortfern oder wohnortnah stattfindet, einer kritischen Durchleuchtung unterzogen werden und Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation sollten in der Krankenversicherung zukünftig ausschließlich unter neuzudefinierenden medizinischen Voraussetzungen gewährt werden. Hier sind die Krankenkassen aufgefordert, künftig ihre Verantwortung tatsächlich wahrzunehmen. Wenn Sie in den vergangenen Jahren die Budgetdeckelung in diesem Bereich übersehen haben, ist es spätestens jetzt Zeit, in diesem Bereich urlaubsmäßige Angebote von notwendiger medizinischer Rehabilitation zu trennen. Wir haben hierzu einen entsprechenden Vorschlag gemacht und eine Neudefinition der Verantwortung der Krankenversicherung in diesem Bereich vorgeschlagen.

Insgesamt erscheinen die von der CDU/CSU-FDP-Koalition vorgelegten Vorschläge den Interessen privatwirtschaftlich orientierter stationärer Einrichtungen nicht gerecht zu werden.

[Seite der Druckausg.: 48 = Leerseite ]


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