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TEILDOKUMENT:


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Rudolf Dreßler
Einführung


Wir treffen uns heute zu einer Veranstaltung, die es den Spitzenvertretern des Gesundheitswesens in Deutschland ermöglicht, sich über die Probleme und Lösungsstrategien im Gesundheitswesen auszutauschen. Ich freue mich, daß der Anstoß dazu von der Friedrich-Ebert-Stiftung kam.

Erhebliche Probleme im Gesundheitswesen - vielleicht ist das eine Charakterisierung der aktuellen Lage, die auf Widerspruch in diesem Raum stößt. Ich zweifle jedoch daran, ob dieser Widerspruch sich ernsthaft wird aufrecht erhalten lassen.

Die Lage ist Ihnen allen bekannt. Ich brauche - so glaube ich - die ungünstige Ausgabenentwicklung der Krankenversicherung im ablaufenden Jahr 1995 nicht näher zu erläutern. Die meisten Fachleute rechnen mit einem Jahresdefizit von 6-8 Mrd. DM, einem Defizit, das die Anfangserfolge des Gesundheitsstrukturgesetzes von 1993 weitgehend wieder aufzehren wird.

Wenn wir heute prüfen, ob und wenn ja, wie wir uns gemeinsam aus dieser mißlichen Lage befreien können, so sollten wir auch dieses Mal darauf verzichten, daß uns die Krankenhäuser erläutern, was bei den Ärzten schief läuft, die Ärzte, was bei der pharmazeutischen Industrie und die pharmazeutische Industrie wiederum, was bei den Krankenhäusern korrigiert werden muß.

Das wäre nicht nur wenig originell, sondern würde auch gegen den vernünftigen Grundsatz verstoßen, daß jeder sich zunächst einmal mit jenem Bereich beschäftigen sollte, in dem er sich am besten auskennt. Und am besten kennt man immer die eigenen Fehler, obwohl man unbestreitbar am liebsten über die der anderen redet oder klagt.

Wenn ich sage, prüfen, wie man sich gemeinsam aus der mißlichen Lage befreien kann, so meine ich dieses „gemeinsam" ernst. Ich jedenfalls werde mich an solchen Spielchen wie „Vorfahrt für die Selbstverwaltung" nicht beteiligen, die ja - von einem Politiker reklamiert - in Wahrheit nichts anderes bedeuten, als Verantwortung auf andere abzuladen.

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Die Selbstverwaltung ist in der vor uns liegenden Stabilisierungs- und Reformphase zweifellos an führender Stelle gefordert. Aber sie ist weder Ersatz noch Ausfallbürge für politische Drückebergerei. Was politisch geleistet werden muß, muß auch die Politik erbringen. Das der Selbstverwaltung zu übertragen, hieße sie zu überfordern und zu beschädigen.

Daß eine überforderte Selbstverwaltung nicht leisten wird, was sie nicht leisten kann, weiß ein jeder. Ist es nur eine haltlose Verdächtigung oder nicht bereits ein konkreter Verdacht, wenn ich feststelle, daß eine überforderte Selbstverwaltung sich geradezu vorzüglich zu politischer Denunziation mit den Vokabeln „unfähig", „gescheitert" eignet?

Ist es aus der Luft gegriffen, wenn ich behaupte, daß so manch einer - und hieße er Seehofer - daraus die sehnsüchtig erwartete öffentliche Legitimation herleiten würde, dann eben doch politisch die Problemlösung herbeizuführen? Etwa nach dem Motto „Ihr seht es ja, ich mußte etwas tun"?

Wer will denn ausschließen, daß die Verkehrsregel „Vorfahrt für die Selbstverwaltung" lediglich in eine Umleitung locken soll, auf der man sich zwangsläufig verfahren muß? Und wenn man dann endlich wieder auf dem richtigen Weg ist, hat die Politik zwischenzeitlich die Verkehrsschilder neu sortiert. Man befindet sich dann in einer schmalen immer enger werdenden Gasse mit dem unangenehmen Schild „No return", wenden verboten.

Hat daran wirklich niemand von Ihnen gedacht?

Ich will Ihnen nicht den Namen jenes Herren verraten, der daran gedacht hat und der mit viel Bedacht die Schilder derzeit neu sortiert.

Nein, Gemeinsamkeit muß anders aussehen. Gemeinsamkeit bedingt, daß jeder der Beteiligten die Verantwortung übernimmt, die ihm zukommt und keiner sich drückt. Wenn ich damit wieder bei meiner Eingangsforderung angelangt bin - ich erinnere: Jeder beginne bei den eigenen Fehlern und nicht bei denen der anderen -, so will ich bei deren Erfüllung auch sogleich ernst machen.

Bei einer Analyse der Gesundheitspolitik in den vergangenen drei Jahren fallen die politische Fehler drastisch ins Auge. Der durch die drohende neue Ausgabenwelle entstandene Eindruck, das Gesundheits-Strukturge-

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setz (GSG) habe versagt, ist falsch. Versagt hat zu einem guten Teil die Politik. Denn sie hat die strukturwirksamen Teile dieses Gesetzes entweder nicht umgesetzt, boykottiert, in ihr Gegenteil verkehrt oder - wie jüngst - wieder abgeschafft.

Bevor hier die erste Bewertung kommt, „der hat ja gut reden, den trifft's ja nicht, der ist in der Opposition", will ich gleich anschließen: So einseitig möchte ich das nicht verstanden wissen. Ich bekenne durchaus sozialdemokratische Mitverantwortung. Zwar hat die SPD auf regierungsamtliches Handeln im Hinblick auf die GSG-Umsetzung weder Verantwortlichkeit noch Einfluß. Aber wenn ich auf die Umsetzung des stationären Teiles im GSG verweise, dann wird sozialdemokratische Mitverantwortung überdeutlich.

In 14 von 16 Bundesländern zeichnet hier sozialdemokratische Politik verantwortlich. Kaum etwas von dem, was an Veränderungen in der Krankenhausversorgung im Kompromiß von Lahnstein zwischen den Beteiligten vereinbart worden ist, wurde wirklich umgesetzt, dem Gehalt nach nicht, dem Geist und Sinne nach schon gar nicht.

  • Angefangen vom vermeintlich abgeschafften Selbstkostendeckungsgrundsatz, der dann klammheimlich im Kleingedruckten der Bundespflegesatzverordnung wieder eingeführt wurde,

  • über die Einführung eines Budgets für die Krankenhausausgaben, eines Budgets, das aufgrund der zahlreichen Budgetierungsmaßnahmen gar keines war,

  • bis hin zu den Schritten in Richtung auf die Finanzierungsmonistik, bei der zwar sehr viel von der Übernahme der Investitionskosten durch die Krankenkassen, aber sehr wenig von der Aufgabe der Letztverantwortung der Länder für die Krankenhausbedarfsplanung die Rede war,

kaum etwas, das vereinbart und in Überschriften Gesetz geworden war, wurde praktisch in Tatsachen umgesetzt.

Ich bin weit davon entfernt, mich als Bundespolitiker aufgrund dieser bedauerlichen Entwicklung zu Lasten der Länder herausreden zu wollen. Ich bekenne vielmehr: Die SPD als Ganzes trägt Mitverantwortung. Daß die Mechanismen in der Krankenhausversorgung so funktionierten, wie sie funktioniert haben, war bekannt. Daß die Länder als Vertreter der

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Krankenhausinteressen sich so verhalten, wie Leistungserbringer im Gesundheitswesen es halt tun, haben wir gewußt - alle gemeinsam haben wir nicht die Kraft gefunden, daraus die Konsequenzen zu ziehen; die CDU nicht, die SPD nicht, und die CSU schon gar nicht.

Solange wir diese Blockade nicht überwinden, solange die Parteien, die in Bund und Ländern Verantwortung tragen, nicht die Kraft finden, dem unbestreitbar Notwendigen zum Durchbruch zu verhelfen - und zwar jede Partei für sich und im eigenen Verantwortungsbereich - brauchen wir uns über den Gesamterfolg von Strukturreformmaßnahmen nicht weiter den Kopf zu zerbrechen.

Weit davon entfernt allerdings bin ich, gleichsam unter dem Rubrum „die Politik" Verantwortung für regierungsamtliches Versagen oder Unterlassen zu übernehmen. Wie von der Regierungskoalition mit den Vereinbarungen von Lahnstein umgegangen wurde, davon legt der Vertragsbruch in Sachen Positivliste und Arzneimittelinstitut beredtes Zeugnis ab. Ich will die Liste der Verstöße gegen Inhalt und Sinn von Lahnstein hier nicht im einzelnen aufblättern, sie kennt ohnehin jeder hier im Saal. Aber sie berechtigt zu einem eindeutigen Urteil: Diese Koalition aus CDU/CSU und FDP hat das Gesundheits-Strukturgesetz in seinem strukturwirksamen Teil nie wirklich akzeptiert, geschweige denn gewollt. Hier liegt die entscheidende Ursache für die neue Kostenwelle.

Das aber heißt: Wäre das GSG in vollem Umfang umgesetzt worden, wir würden heute über Detailkorrekturen oder seine strukturelle Komplettierung diskutieren, nicht aber über den Zwang, einen neuen Ausgabenschub in der Krankenversicherung verhindern zu müssen. Wie ein Wanderprediger bin ich in den vergangenen zwei Jahren angesichts der eifrigen Diskussion der Verbände um eine vermeintlich neue Stufe der Gesundheitsreform durch die Lande gezogen und habe gefordert: Erst das GSG umsetzen und so die Voraussetzungen für anhaltende Beitragsstabilität schaffen und dann prüfen, ob neuer gesetzlicher Handlungsbedarf besteht.

Niemand hat sich darum geschert und nun hängen wir in der Kurve. Daß jetzt zuallererst die SPD nach Rezepten gefragt wird, hier Abhilfe zu schaffen, mag man angesichts der Vorgeschichte als pervers empfinden. Aber so ist das nun einmal.

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Die Antworten auf diese Fragen an die SPD liegen ja mittlerweile im Deutschen Bundestag vor:

  • eine einjährige Verlängerung der bisherigen Budgetierung in der gesamten Breite des Spektrums als eine Art Notbremsung und

  • eine Fortschreibung und Ergänzung des strukturwirksamen Konzeptes von Lahnstein mit einer an der Wirtschaftsentwicklung orientierten Globalbudgetierung.

Bevor ich auf diese Pläne meiner Partei eingehe, will ich darlegen, was mich an der aktuellen Lage und die sich aus ihr herleitenden Diskussion so bedrückt. Wir diskutieren abermals kurzfristig, abermals taktisch, abermals punktuell. Es geht nicht um strategische Lösungen für die langfristigen Probleme unseres Gesundheitswesens, es geht um die Stabilität der Beitragssätze im nächsten Jahr.

Das ist angesichts der Lohnnebenkostenbelastung der Arbeitnehmer und der Unternehmen auch nicht gerade wenig, aber mit der Frage, ob die Richtung unserer Gesundheitsversorgung noch stimmt, hat das nichts zu tun. Die aber muß beantwortet werden, und zwar unter strukturellen Aspekten.

Angesichts unserer Ausgangslage im Jahre drei nach der Gesundheitsstrukturreform gibt es nicht wenige - übrigens auch in meiner Partei -, die die Auffassung vertreten, zukünftig auf strukturelle Reformen ganz zu verzichten, statt dessen die Entwicklung laufen zu lassen und sich darauf zu beschränken, alle vier bis sechs Jahre mit dem Kostendämpfungs-Holzhammer dazwischenzufahren.

So resignativ, wie diese Zeitgenossen die Erfolgsmöglichkeiten struktureller Reformen im Gesundheitswesen beurteilen, bin ich nicht. Noch nicht!

Wenn wir uns allerdings auch dieses Mal wieder nur ein Kostendämpfungstänzchen leisten und uns um die beschlossenen Strukturveränderungen dann wenig kümmern, geraten wir in die Nähe zu einer Situation, in der das periodische Holzhammerritual in der Tat die einzige Lösung bleibt.

Warum eigentlich machen wir uns nicht an die Beantwortung der wirklich wichtigen, eigentlich der wichtigsten Frage: Wieviel will unsere Gesellschaft in Zukunft noch für Gesundheit ausgeben? Jeder drückt sich vor dieser Diskussion, sie wird politisch im Keim erstickt.

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Seit dieser unsinnigen, von der FDP im politischen Raum angezettelten Diskussion um Grund- und Wahl-, Regel- und Zusatzleistung ist eine vorurteilsfreie Prüfung der Frage, welche Leistungen wir in der gesetzlichen Krankenversicherung zukünftig vorhalten sollen, völlig unmöglich geworden. Denn jeder, der dieses ventiliert, gerät beinahe schon automatisch in unfreiwillige Nachbarschaft zur FDP-Kahlschlagsphilosophie.

Dabei wäre doch die Prüfung dieser Frage nach einer vorläufigen Bilanz der Diskussion um die Höhe der gesellschaftlich erwünschten Gesundheitsausgaben von zwingender Konsequenz. Eine Antwort darauf ist notwendig.

Seit Jahren geht der Hartmannbund mit der Feststellung hausieren, eine Kostenexplosion im Gesundheitswesen gebe es nicht, der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt pendele zwischen 7,5 und 8,5% hin und her. Die Wahrheit ist: Abgesehen von einigen Ausrutschern stimmt diese Interpretation.

Aber wer macht sich angesichts der ebenso hektischen wie kurzfristigen Diskussion um aktuelle Gesetzesklempnereien schon die Mühe, das zur Kenntnis zu nehmen? Vor allem aber zu analysieren, woher trotz dieser Fakten die beklagte Steigerung der Krankenversicherungsbeiträge denn kommt?

Ist es nicht so, daß sich seit nun mehr fast 15 Jahren die Relationen zwischen den volkswirtschaftlichen Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital zugunsten des Faktors Kapital verschieben?

Wird die Produktion nicht immer weniger arbeitsintensiv aber dafür stetig kapitalintensiver? Selbst wenn wir Vollbeschäftigung und nicht Massenarbeitslosigkeit hätten, ginge also der Einsatz des Faktors Arbeit strukturell im Verhältnis zum Faktor Kapital zurück.

Wer denkt denn daran, daß die Finanzierung der Krankenversicherung ausschließlich über den Faktor Arbeit abgewickelt wird? Wenn ein schrumpfender Produktionsfaktor Arbeit also Bemessungsgrundlage für die Finanzierung von Gesundheitsausgaben ist, müssen die Krankenversicherungsbeiträge tendenziell steigen, selbst wenn diese Ausgaben konstant bleiben. Denn immer weniger müssen den gleichen Aufwand finanzieren.

Ich will hier nicht etwa eine Diskussion über Wertschöpfungsabgabe oder Maschinensteuer initiieren. Aber müssen wir nicht prüfen, wie sich ange-

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sichts solcher Entwicklungen langfristig die Finanzierungsgrundlagen unserer Krankenversicherung verändern müssen, wenn eine leistungsfähige Gesundheitssicherung für alle Menschen auch zukünftig im Rahmen eines Sozialstaates Bundesrepublik Deutschland bereitgehalten werden soll?

Nicht nur im Gesundheitswesen kommt der Prävention eine herausragende Bedeutung zu. Das gilt auch für die Politik. Gerade die eben erwähnten Problemfelder bieten ein klassisches Beispiel für politische Prävention. Aber wir betreiben sie eben nicht, sondern beschäftigen uns statt dessen mit aktuellen Gesetzeskrümel - präziser gesagt, wir werden damit beschäftigt. Die Wahrheit ist doch, daß sich viele Verbandsvertreter und eine Reihe von Politikern liebend gerne damit von den schwierigen Grundsatzproblemen ablenken lassen.

Es ist sicherlich nicht vorwerfbar, wenn die politischen Parteien zu diesen Grundfragen derzeit noch keine tragfähigen Antworten bieten können. Vorwerfbar ist vielmehr, daß sie der Diskussion darüber beharrlich ausweichen. Für mich steht fest: Mit der Diskussion dieser Fragen müssen wir endlich beginnen!

Wenn ich mich nunmehr den Vorstellungen der SPD zu einer Ergänzung der Gesundheitsstrukturreform zuwende, so ist es ein Gebot der Ehrlichkeit, darauf hinzuweisen, daß wir das Lahnsteiner Konzept nicht einfach sinngemäß fortschreiben, sondern in einem Punkte teilweise auch korrigieren. Ich meine dabei die von meiner Partei geforderte Globalbudgetierung auf Dauer, die an die Stelle des sektorale Budgets treten soll.

Die Philosophie von Lahnstein war: Wir setzen auf Wettbewerb und erwarten von seinen Folgen eine Stabilisierung der Ausgabenentwicklung in der Krankenversicherung. Vom Prinzip her sind Stabilisierung der Ausgaben durch Wettbewerb einerseits und Stabilisierung der Ausgaben durch Budgets andererseits aber unterschiedliche, ja gegensätzliche Lösungsansätze.

Eine Ausgabenobergrenze macht wettbewerbliche Bemühung um Stabilität überflüssig. Zudem geht von ihr nach aller Erfahrung die Wirkung aus, daß die Beteiligten diese Obergrenze auch in der Regel in vollem Umfange ausschöpfen, sich also eigentlich wettbewerbswidrig verhalten. Ich jedenfalls kenne kein Budget, das nicht auch ausgeschöpft worden wäre.

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Nach den Vorstellungen der SPD soll ein Globalkonzept die Gesamtausgaben der Krankenversicherung nach oben begrenzen, das sich entsprechend der Steigerungsrate des Bruttoinlandsproduktes fortschreibt. Wohl ist mir dabei nicht unbedingt, denn wir gehen damit ein doppeltes Risiko ein:

  • Zum einen orientieren wir - unter der Erwartung, daß der vorgezeichnete Budgetrahmen ausgeschöpft werden wird - die Gesamtausgaben der Krankenkassen an einer anderen Größe, als deren Gesamteinnahmen. Denn letztere entwickeln sich bekanntlich nach der Grundlohnsumme. Die Bindung von Einnahmen und Ausgaben an unterschiedliche Bezugsgrößen muß zu Inkongruenzen führen; das ist das prinzipielle Risiko dieses Vorschlages.

  • Zum anderen zeigt die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes in den vergangenen zehn Jahren, daß das wirtschaftliche Ergebnis des Produktionsfaktors Kapital stetig zu Lasten des wirtschaftlichen Ergebnisses beim Faktor Arbeit zunimmt. Das heißt: Gemessen am volkswirtschaftlichen Gesamtergebnis ist der Lohnanteil daran relativ zurückgegangen. Das Bruttoinlandsprodukt ist also stets stärker gewachsen, als die Lohnsumme. Das wird sich auch in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren nicht ändern. Das wiederum bedeutet: Die Ausgaben der Krankenkassen werden stärker wachsen, als deren Einnahmen. Die zwangsläufigen Folgen sind Beitragssatzerhöhungen, wenn - ich wiederhole - die Budgetobergrenze erreicht wird. Zur Sicherung von Beitragsstabilität ist daher diese Form der Globalbudgetierung nicht geeignet - das ist das systematische Risiko.

Für mich lautet der eindeutige Schluß daraus: Wir brauchen ein zusätzliches Sicherungselement für eine stabile Beitragssatzentwicklung - eben den Wettbewerb.

Nun haben mir pfiffige Zeitgenossen in diesem Zusammenhang die Frage gestellt, wenn ohnehin letztendlich doch der Wettbewerb für stabile Beitragssätze sorgen muß, warum dann überhaupt die Globalbudgetierung, die sei doch überflüssig. An dieser Frage ist natürlich mehr dran als manchem lieb ist.

Als einer, bei dem die Budgetierung nicht unbedingt an der ersten Stelle der Prioritätenliste steht, will ich die Antwort nicht verweigern. Politik

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geht manchmal seltene Wege. Wenn es dem Zustandekommen eines Kompromisses - und sei es eines innerparteilichen - dient, kann ich diese Regelung der Globalbudgetierung akzeptieren, denn sie ist nicht mehr als ein zweites Sicherheitsnetz; ohne den von mir favorisierten Wettbewerb ist Beitragssatzstabilität nicht zu erreichen.

Ich warne also alle Beteiligten, vor allem die Krankenkassen, vor dem Irrglauben, ein so ausgestaltetes Globalbudget würde die Beitragsfrage lösen. Es tut es nicht! Ohne wettbewerbliche Anstrengungen, ohne Bemühen um Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit wird es auch in Zukunft nicht gehen.

Nun will ich unter dem Stichwort zukünftiger Wettbewerb nicht allzusehr ins Detail gehen, denn die Friedrich-Ebert-Stiftung veranstaltet dazu am 6. Dezember eine Konferenz in Bonn, auf der sich ein Teil der heutigen Runde wiedersehen wird. Gleichwohl will ich nicht verhehlen, daß ich bei diesem Stichwort die übliche Reaktion der Vertreter der Gesundheitsverbände, ihre Blicke vor allem auf die Krankenkassen zu richten, gelinde gesagt, reichlich deplaziert finde.

Den Wettbewerb, den wir wollen, soll sich nicht nur unter Krankenkassen abspielen. Gemeint sind auch die Ärzte, auch die Krankenhäuser, auch die pharmazeutische Industrie. Wir haben das einmal unter das Schlagwort „Einkaufsmodell" zusammengefaßt. Bitte gehen sie davon aus: Beschlußlage und politische Absicht der SPD in dieser Frage haben sich nicht geändert.

Aus der Tatsache, daß wir für diese Vorschläge derzeit keine Mehrheit im Parlament finden, sollten keine falschen Schlüssen gezogen werden. Als einer, der in Lahnstein dabei war, sage ich. Sie glauben gar nicht, wie schnell auf einmal Mehrheiten für unkonventionelle Vorschläge zustande kommen, wenn es politisch eng wird. Die Wahlfreiheit für die Versicherten stand auch einmal bei vielen auf dem politischen Index. Innerhalb von wenigen Stunden war sie dann da. Das kann sich bei anderen Themen durchaus wiederholen.

Erlauben Sie mir zu einem Aspekt des Wettbewerbes unter den Krankenkassen dennoch Stellung zu nehmen. Wir wollen diesen Wettbewerb um die Versicherten überall dort, wo er mit den sozialen Zielen der Krankenversicherung in Übereinstimmung zu bringen ist. Wer die derzeitige Si-

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tuation verfolgt, der könnte, fast zu dem Eindruck kommen, daß diese einschränkende Bedingung ebenso systematisch wie geflissentlich von den Beteiligten übersehen wird.

Damit das nicht vergessen wird: Wettbewerb, der den sozialen Zielen der Krankenversicherung entspricht und nicht widerspricht darf also

  • das Solidaritätsprinzip nicht aushebeln,

  • die Umverteilungswirkungen in der Finanzierung nicht relativieren,

  • den Zugang aller Versicherten zu den medizinisch gebotenen Leistungen nicht erschweren oder gar blockieren,

um nur drei der Ziele zu benennen.

Ich will in diesem Zusammenhang ein Beispiel nennen, das vor wenigen Wochen als das Nonplusultra eines sinnvollen Wettbewerbes durch die Presse ging. Ich meine die von den Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) in Hamburg und Berlin geplante Beitragsrückgewähr für Gesunde.

Ich will mit meiner Meinung dazu nicht hinter dem Berg halten. Eine solche Beitragsrückgewähr ist

  • gesellschaftspolitisch unannehmbar,

  • gesundheitspolitisch falsch,

  • finanzwirtschaftlich fragwürdig und

- wettbewerbspolitisch kontraproduktiv.

Wer diese Maßnahme einführt, wer den kranken Beitragszahlern zumutet, Beitragsermäßigungen für Gesunde mitzufinanzieren, legt die Axt an die solidarische Krankenversicherung. Ich nenne das eine sozialpolitische Perversion.

Jeder muß wissen: Für die SPD wird hier ein Rubicon überschritten, jenseits dessen es nur noch erbitterte und entschlossene Gegnerschaft in dieser Sache geben kann. Wir haben die soziale Krankenversicherung nicht Jahrzehnte gegen anti-solidarische Systemüberwinder verteidigt, um zuzulassen, daß sie nun durch einige AOK's zerstört wird.

Ich fasse mich an den Kopf, wenn ich sehe, daß ausgerechnet jene Krankenkassen diesen unannehmbaren Weg gehen, die in Gefahr stehen, finanziell zu kollabieren. Ich frage mich selbstkritisch, ob es nicht ein Fehler war, in der Vergangenheit in der großen Familie der Krankenversiche-

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rung so nachhaltig für finanzielle Solidarität mit den beiden AOK's in Hamburg und Berlin geworben zu haben, wenn mit diesen Solidaritätsleistungen der anderen nun die Solidarität unter den Beitragszahlern zerstört werden soll.

Damit kein Zweifel bleibt: Ein derartiger Wettbewerb ist unerwünscht, die SPD steht hierfür nicht zur Verfügung.

In der Diskussion der vergangenen Wochen hat auch die Verbesserung der Lage der Hausärzte eine besondere Rolle gespielt. Dies gehört zu den erklärten Zielen der SPD. Mit Unverständnis haben einige Körperschaften und Verbände auf unsere Ablehnung der Verbesserungen in der hausärztlichen Vergütung reagiert. Das sei ein Widerspruch zu unserer Absicht, die Hausärzte zu stärken, meinte man.

Mit Verlaub: Wer den Hausärzten einredet, jene 600 Mio. DM, um die es da ging, würden ihre Lage klären, der streut ihnen Sand in die Augen. Ob diese 600 Mio. DM nun 4,70 DM oder 7,50 DM pro Fall sein werden, ist nebensächlich. Die Wahrheit ist: Mit diesem finanziellen Zückerchen wird nichts geklärt. Im Gegenteil: Die Hausärzte werden in ihrer derzeitigen Lage, die sie strukturell benachteiligt einzementiert.

Die relative finanzielle Benachteiligung der Hausärzte gegenüber den Fachärzten kann nur durch eine Veränderung der Strukturen, die sie verursacht haben, überwunden werden. 600 Mio. DM als Beruhigungspille lösen das Problem nicht, sie werden nur dazu führen, daß die Diskussion in sechs oder 12 Monaten von vorne beginnt. Deshalb war die Ablehnung des entsprechenden Gesetzes durch die SPD zwingend.

Sie kennen die Vorschläge meiner Partei zu diesem Themenkomplex. Wir wollen wirklich Strukturen verändern.

Wir wollen:

  • einen eigenständigen Honorartopf für Hausärzte,

  • eigene Vergütungsverhandlungen zwischen Hausärzten und Krankenkassen,

  • eine eigene Interessenvertretung der Hausärzte in der kassenärztlichen Vereinigung,

  • eine eigene Gebührenordnung für Hausärzte mit nur von ihnen abrechenbaren Leistungen.

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Ich weiß, für manche in diesem Saale ist das starker Tobak. Gleichwohl:

Ich hoffe, daß wir uns in der nachmittäglichen Diskussion dieses Themas vielleicht doch näher kommen können, zumindest aber die jeweiligen Motive besser verstehen lernen.

Den besonderen Zorn einiger Ärztevertreter trifft die Sozialdemokraten, wenn es um unseren Vorschlag geht, die Anwendung des Honorarverteilungsmaßstabes an das Einvernehmen der Krankenkassen zu binden. Ich rate zu emotionsloserer Betrachtung, denn manchmal habe ich den Eindruck, hier wird einem Phantom nachgejagt.

Der Honorarverteilungsmaßstab hat eine konkrete Funktion. Er erlaubt den Kassenärztlichen Vereinigungen, die Vergütung der Ärzte an anderen Maßstäben und Verhältnissen zu orientieren, als die Gebührenordnung es eigentlich vorsieht. Es ist ja richtig: Die Vertragsgebührenordnung regelt zunächst einmal die Abrechnung zwischen Krankenkasse und Kassenärztlicher Vereinigung für die Gesamtheit der Ärzte, die Verteilung dieses Honorarvolumens auf die einzelnen Ärzte ist ein zweiter davon getrennter Schritt.

Natürlich weiß ich auch, daß die Verteilung dieses Gesamtkuchens durch die Kassenärztlichen Vereinigungen nicht willkürlich erfolgen kann. Aber ist denn nicht doch ein Körnchen Wahrheit an der Behauptung, durch die Anwendung eines Honorarverteilungsmaßstabs könnten die Kassenärztlichen Vereinigungen die in der Vertragsgebührenordnung in Verhandlungen mit den Krankenkassen getroffenen Vereinbarungen unterlaufen?

Im übrigen: Einen guten Teil seiner Legitimation erhält der Honorarverteilungsmaßstab durch die Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigungen, allzu große Einkommensdisparitäten zwischen den einzelnen Arztgruppen zu verhindern. Aber Hand aufs Herz: Ist das je geschehen? Oder ist es nicht vielmehr so, daß die erheblichen Einkommensverzerrungen zwischen den unterschiedlichen Arztgruppen - etwa den technisch orientierten einerseits und den zuwendungsorientierten andererseits - nicht gerade entstanden sind trotz Honorarverteilungsmaßstab? Etwa weil er gar nicht erst wirksam angewendet wurde?

Ich will das überhaupt nicht im Sinne eines Vorwurfs an die Kassenärztlichen Vereinigungen verstehen, sondern vielmehr im Sinne einer Aufforderung, kritisch, vor allem selbstkritisch zu prüfen, ob die Kassenärztlichen

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Vereinigungen mit der Anwendung des Honorarverteilungsmaßstabes nicht aus sich selbst heraus überfordert sein müssen.

In eine allgemeine Frage gekleidet würde die Problematik nämlich lauten:

Kann ein Gremium, das die Pflicht hat, spezielle Interessen zu vertreten, zum Schutz der Interessen von Minderheiten tätig werden, wenn es vom Vertrauen der Mehrheit abhängig ist? Oder ist es damit vom Prinzip her nicht überfordert?

Ich denke, wir werden uns heute Nachmittag zur Frage des Honorarverteilungsmaßstabes auseinandersetzen. Wenn die Dinge so sind, wie sie sind, sollten wir nicht nur die Variante des SPD-Konzeptes, also die zukünftig nur einvernehmlich mit den Krankenkassen mögliche Anwendung des Honorarverteilungsmaßstabes diskutieren, sondern auch die Variante, dieses Instrument ganz abzuschaffen.

Erlauben Sie mir zum Abschluß einige Bemerkungen zum Bereich der Arzneimittelversorgung und zur Rolle der pharmazeutischen Industrie. Ich will mit einem Geständnis beginnen. Ich verstehe die Strategie der Pharma-Industrie nicht, sich im Gesamtkontext der Gesundheitspolitik mit ihren Interessen zu positionieren. Ich habe sie vor und während der Lahnsteiner Konsensgespräche nicht verstanden, und ich begreife sie auch heute nicht.

Die Pharma-Verbände haben vor Lahnstein darauf verzichtet, die Preisgestaltung für Arzneimittel auf dem verordnungsfähigen Markt am Grundsatz einer Verhandlungslösung zwischen Anbieter und Nachfrager zu orientieren und statt dessen auf eine einseitige Preisfestsetzung durch die Nachfrager gesetzt, genannt Festbeträge.

Als Vertreter von Anbieterinteressen ist dies eine erstaunlich „wirksame" Wahrnehmung eigener Anliegen.

Nach Lahnstein, als es um die Frage der Positivliste ging, haben sie sich für deren Abschaffung statt deren Verwirklichung eingesetzt. Unter innovationspolitischen Gesichtspunkten ist dies ein erstaunlich kurzsichtiges Verhalten. Warum wird die Arzneimittelpositivliste nicht so verstanden, wie sie wirkt: als Schutz innovativer Präparate und Therapieverfahren vor Substitutionskonkurrenz jener, die sich lediglich aufs Nachahmen oder Molekülvariieren beschränken?

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Das politische Ergebnis, das wir heute vorfinden, ist doch eindeutig:

  • Die Koalition wird mit ihrem Versuch, die Positivliste wieder abzuschaffen, wahrscheinlich Erfolg haben.

  • Das gesetzliche Arzneimittelbudget ist - wie Sie wissen - eine Dauereinrichtung, die nur durch ähnlich wirkende Arzneimittelrichtgrößen abgelöst werden kann.

  • Um dieses Arzneimittelbudget oder aber um durch Richtgrößen nach oben begrenzte Ausgaben der Krankenkassen für Medikamente konkurrieren nun innovative Präparate mit Nachahmerprodukten, ja selbst mit therapeutischen Schrott - und das völlig gleichberechtigt.

Soll das etwa eine optimale Strategie der pharmazeutischen Unternehmen sein, die unter dem Motto firmieren könnte: „Wir wollen unsere Innovationsfähigkeit erhalten und stärken?"

Ich finde, es ist hohe Zeit sich das alles noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Darauf zu vertrauen, daß es irgendwann einmal wieder einen nicht in den Ausgaben limitierten Arzneimittelmarkt geben werde, halte ich für reichlich gewagt. Wo also sollte das Schutzinstrument für innovative und qualitativ hochwertige Arzneimittel herkommen, wenn nicht durch eine qualitätsorientierte Positivliste, wie sie im Gesetz vorgesehen ist?

Niemand sollte überrascht sein, wenn die SPD in ihrem Konzept zur Fortschreibung der Gesundheitsstrukturreform für die Arzneimittelversorgung und den Arzneimittelmarkt ihre bisherigen Positionen aufrecht erhält:

  • Wir wollen die Positivliste und das Arzneimittelinstitut. Sie sind Instrumente zur Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung.

  • Wir wollen Preisverhandlungen zwischen Pharma-Industrie und Krankenkassen zur Sicherung einer preiswürdigen Arzneimittelversorgung. Jeder muß dabei allerdings in Rechnung stellen, daß eine Verhandlungslösung bei Arzneimittelpreisen weniger denn je auf der grünen Wiese beginnen wird. Die bestehenden Festbeträge haben im Hinblick auf Preise und Preiswürdigkeit Fakten geschaffen, die nicht mehr aus der Welt verhandelt werden können.

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Uns liegt an einer leistungsfähigen pharmazeutischen Industrie. Leistung allerdings messen wir zuallererst in den Kategorien von Innovationsbereitschaft und Innovationsfähigkeit. Denn davon hängt der Nutzen für die Menschen ab. Erst danach reden wir über Produktionsziffern und Weltmarktanteile. Wir wissen nämlich: Das zweite hängt vom ersten ab und nicht umgekehrt.

Eine leistungsfähige Pharma-Industrie ist eine High-Tech-Branche par excellence. An ihrem Bestand muß ein Industrieland wie die Bundesrepublik Deutschland allerhöchstes Interesse haben. Das aber heißt, es muß für jene Rahmenbedingungen sorgen, die diesen Bestand möglich macht.

Wir haben in diesem Zusammenhang in den vergangenen Wochen das Anliegen der forschenden Pharma-Unternehmen diskutiert, die Regelungen über die Festbetragsfähigkeit von patentgeschützten Arzneimitteln zu verbessern. Ich verstehe dieses Anliegen nicht nur, ich unterstütze es. Ich darf dabei in aller Zurückhaltung darauf hinweisen, daß die SPD es war, die während der Beratungen des Gesundheitsstrukturgesetzes eine wesentliche Verbesserung der Stellung dieser Arzneimittelgruppe in Zusammenhang mit der Erweiterung der Festbetragsregelung durchgesetzt hat.

Und sollte es jemand vergessen haben, so füge ich an: Es war diese Runde, in der die Vereinbarungen hierzu getroffen wurden. Ich bitte also die Vertreter der Pharma-Industrie: Tragen Sie mit Ihren Forderungen keine Kohle an die Ruhr; da ist nämlich schon welche.

Einem Eindruck allerdings muß ich widersprechen, der von einigen Unternehmen einseitig verbreitet wird. Der Eindruck nämlich, als sei mit der Erteilung eines Patentes bereits das positive Urteil über Innovation, therapeutischen Fortschritt oder verbesserten therapeutischen Nutzen gefällt. Das ist ein Irrtum, denn jeder weiß: Auch Molekülvariationen werden patentiert, obwohl sie nicht unbedingt Fortschritt bedeuten, sondern viel zu oft zu einer Art „Plagiat auf höherem Niveau" werden.

Diese spezielle Art der Innovation interessiert uns nicht, sie ist auch politisch nicht schutz- oder unterstützungswürdig. Verbesserte Wirksamkeit, bessere Verträglichkeit, geringere Nebenwirkungen, neues therapeutisches Prinzip, das sind die Kategorien, in denen bei uns Innovation gemessen wird.

Niemand möge also bitte enttäuscht sein, wenn ich für die SPD feststelle, daß der Vorschlag, mit dem die Regierung die Festbetragsregelung für

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patentgeschützte Arzneimittel verändern will, unsere Zustimmung nicht finden wird. Wer Molekülvariationen zusammenbasteln will, um auslaufenden alten Patentschutz durch neuen zu ersetzen und so Festbetragsfreiheit auch ohne wirklich innovative Leistung zu sichern, wird bei uns nicht auf Gegenliebe stoßen.

Statt dessen bieten wir eine Alternative: Wir können uns vorstellen, das Arzneimittelrecht so zu verändern, daß das Bundesinstitut nicht nur therapeutische Wirksamkeit, pharmakologische Qualität und relative Unbedenklichkeit zur Grundlage für die Zulassung macht, sondern darüber hinaus auch - dann allerdings zulassungsunabhängig - den therapeutischen Nutzen des zugelassenen Präparates bewertet.

Fällt diese Bewertung positiv aus, handelt es sich also wirklich um ein innovatives Präparat, gilt Festbetragsfreiheit für die Laufzeit des Patentes auch für bisher festbetragsfähige Präparate; anderenfalls nicht. Lassen sie uns auch darüber heute Nachmittag diskutieren.

So, das war es, was ich den Teilnehmern in meinem Einleitungsreferat als eine Art Aufgalopp mitteilen wollte. Bleibt nur noch der Wunsch nach interessanten, spannenden Stunden.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2000

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