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TEILDOKUMENT:

Podiumsdiskussion: Öko-Steuern - Weg zu mehr und qualifizierter Beschäftigung?


[Seite der Druckausg.: 85 ]


Gerhard Voss
Institut der deutschen Wirtschaft/IW
- Statement -


Umweltpolitik bewegt sich in einem Spannungsverhältnis zwischen Ökonomie und Ökologie. Allgemein betrachtet darf die Umweltpolitik das Wirtschaftswachstum als Quelle der Beschäftigungssicherung nicht beeinträchtigen. Gleichzeitig muß sie aber die „zerstörerischen" Wirkungen des Wachstums begrenzen, was seinerseits Wachstumsspielräume einschränkt und den ökologischen Strukturwandel voranbringt.

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Struktureffekte

Bezüglich des ökologischen Strukturwandels muß zwischen zwei Entwicklungslinien unterschieden werden. Betroffen sind zum einen die umwelt- und energieintensiven Wirtschaftszweige. Wenn sie umweltpolitischen Zielen gerecht werden wollen, müssen sie ihre Produktion ändern und/oder einschränken. Zum zweiten sind die Hersteller von Umwelttechniken, die sogenannte Umweltschutzindustrie, betroffen. Wenn sie zielgerichtete technische Lösungen anzubieten hat, kann sie unter bestimmten Bedingungen ihre Produktion und Beschäftigung ausweiten.

In der Bundesrepublik Deutschland haben rund 2,5 Millionen Arbeitnehmer, das sind mehr als 10% der Gesamtbeschäftigten, ihren Arbeitsplatz in den energie- und umweltintensiven Wirtschaftszweigen (Tabelle l). Ihre Expansionsmöglichkeiten sind durch die vielfältigen umweltpolitischen Auflagen in der Bundesrepublik Deutschland eng begrenzt. Diese Industriezweige üben am Standort Deutschland aber auch wichtige Versorgungsfunktionen aus. Zu ihnen zählt u.a. die Energiewirtschaft, die chemische Industrie und die Mineralölindustrie, aber auch viele mittelständische strukturierte Wirtschaftszweige wie die Gießereien, die Industrie Steine und Erden oder die Papierindustrie. All diese Industriezweige ste-

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hen umweltpolitisch nicht einfach zur Disposition. Für sie existenzgefährdende Umweltschutzauflagen führen dazu, daß Produktionskapazitäten an Standorten mit niedrigerem Umweltschutz ausgelagert werden. Das ist auch nicht im Interesse eines grenzüberschreitenden Umweltschutzes. Die Umweltpolitik muß so gestaltet werden, daß diese Industriezweige am Standort Deutschland wettbewerbsfähig produzieren können. Es wäre widersinnig, wenn Industriezweige, die mit ihrer Produktionstechnik energiewirtschaftlich und ökologisch weltweit Vorreiter sind, am Standort Deutschland keine Chance hätten.

Tabelle l: Die energieintensiven Branchen

Wirtschaftszweig


Beschäftigte1) in 1.000

Anteil an der Gesamt-beschäftigung

Energie- und Wasserversorgung, Bergbau

409.496

1,77

Chemie und Mineralölverarbeitung

592.002

2,56

Steine und Erden, Glasindustrie

320.633

1,39

Eisen- und Stahlerzeugung, NE-Metallind.

588.219

2,54

Holz- und Papierindustrie2

835.503

3,61

Insgesamt

2.745.854

11,87


1)Sozialversicherungspflichtige Beschäftigte 1993.
2)einschließlich Druckereien mit 228.000 Beschäftigten.
Quelle: IW-Berechnungen

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Chancen der Umweltschutzindustrie

Ein überzogener Umweltschutz liegt auch nicht im Interesse der Umweltschutzindustrie, also der Industriezweige, die von strengen Umweltauflagen eher profitieren. Denn die im Umweltschutz überforderten Industriebereiche würden letztlich als Nachfrager für die Hersteller von Umwelttechniken ausfallen. Wegen der Wechselwirkungen zwischen den Entwicklungschancen umweltsensibler Branchen und den Herstellern von Umwelttechniken eignet sich ein forcierter Umweltschutz auch kaum als Konjunk-

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turprogramm. Oft wird die Bedeutung der Umweltschutzindustrie als Stütze des Arbeitsmarktes auch überschätzt. Nach Berechnungen des DIW wurden durch die Inlands- und Auslandsnachfrage nach umweltschutzbezogenen Investitionsgütern und Betriebsstoffen im Jahr 1990 rund 341.000 industrielle Arbeitsplätze direkt und indirekt ausgelastet. Zu dieser Umweltschutzindustrie gehören vor allem Teile der Bauwirtschaft, der Elektrotechnik und des Maschinenbaus.

Bei den Umweltschutzgütern hält die Bundesrepublik einen Welthandelsanteil von rund 20%, gefolgt von den USA mit 16 und Japan mit 13%. Allerdings ist diese Position gefährdet. Die USA und Japan haben auf diesem Sektor Exportoffensiven gestartet, um den Deutschen ihre Vorrangposition streitig zu machen. Zudem ist abzusehen, daß auf diesem Markt wegen des zu erwartenden überdurchschnittlichen Wachstums weitere Wettbewerber hinzukommen und der Konkurrenzdruck sich weiter erhöhen wird.

Es ist zudem sicher, daß auch der Markt für Umwelttechnik einem starken Wandel unterworfen sein wird. In den fortgeschrittenen Industrieländern ist jetzt schon ein Trend weg vom klassischen medialen Umweltschutz hin zum integrierten Umweltschutz erkennbar. Das heißt, die Produktionsprozesse werden so gestaltet, daß die Emissionen und der Ressourcenverbrauch von vorne herein minimiert werden.

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Rolle von Ökosteuern

Zur Förderung des ökologischen Strukturwandels wird heute instrumentell eine ökologische Steuerreform favorisiert. Die Konzeptionen, die vom DIW oder von der FÖS vorgeschlagen werden, versprechen jedoch mehr als sie in Wirklichkeit halten können. Diese Vorschläge beschränken sich auf die Erhebung ergiebiger Energiesteuern, die je nach politischem Geschmack dann „aufkommensneutral" wieder an die Steuerzahler zurückfließen sollen.

Doch Aufkommensneutralität dieser ökologisch motivierten Energiesteuerpläne bedeutet nicht Belastungsneutralität. Die Umverteilungsmasse der aktuellen Pläne für eine ökologische Steuerreform sollen die energieintensiven Wirtschaftszweige zahlen, die ohnehin auf der Schattenseite des

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ökologischen Strukturwandels stehen. Die Folgen ökologisch motivierter Energiesteuern lassen sich deshalb auf beschleunigten wirtschaftlichen Strukturwandel reduzieren, der primär die umwelt- und energieintensiven Wirtschaftszweige unter zusätzlichen Innovations- und Wettbewerbsdruck setzt. Die extreme Konsequenz einer solchen ökologischen Strukturpolitik:

Selbst wenn diese Industriezweige energiewirtschaftlich und umwelttechnisch weltweit das Spitzenniveau vorgeben, wird ihnen eine Produktion am Industriestandort Deutschland unmöglich gemacht.

Eine kritische Beurteilung der aktuellen Reformpläne heißt nicht, daß der grundsätzlich richtigen ökonomischen Idee widersprochen werden soll, umweltbelastende Aktivitäten der Produzenten und Konsumenten mit Steuern so zu belasten, daß sie sich umweltgerechter verhalten. Die Kritik stellt aber heraus, daß es bisher nicht gelungen ist, Konzepte für Umwelt-Steuern zu entwickeln, die die gewünschten ökologischen Lenkungseffekte erreichen. Eine Umweltsteuer, die auch ökologisch Sinn macht, müßte folgenden Kriterien genügen:

  1. Emissionsnähe: Zwischen Umweltbelastung und Umweltabgabe muß ein direkter Zusammenhang bestehen. Beispiel emissionsbezogene Kfz-Steuer: Die Emission von ozonbildenden Stickoxiden (NOx) wird besteuert.

  2. Relevanz: Das ökologische Ziel - Beispiel Senkung der NOx-Emission - muß mit technischen und ökonomischen Mitteln erreicht werden können. Beispiel: Einbau von Katalysatoren in Kraftwerken und Automobilen (technische Lösung); der Markt absorbiert die Kosten (ökonomische Lösung).

  3. Wettbewerbsneutralität: Die fiskalische Belastung muß im internationalen Gleichschritt wirksam werden. Beispiel: Die CO2-Steuer wird nur dann eingeführt, wenn sie europaweit gilt.

  4. Staatsquotenneutralität: Zusätzliches Öko-Abgabenaufkommen muß so eingesetzt werden, daß das umweltpolitische Ziel unterstützt wird. Beispiel: Der Einbau von Katalysatoren wird steuerlich begünstigt und aus dem Ökosteueraufkommen finanziert.

  5. Deregulierung: Umweltsteuern können nicht einfach auf das ordnungsrechtliche Netz „draufgesattelt" werden. Die ordnungsrechtlichen Re-

    [Seite der Druckausg.: 89 ]

    gelungen (Beispiel: Wärmenutzungsverordnung) müßten entsprechend angepaßt werden.

Umweltsteuern sind also kein Patentrezept, das auf alle Umweltprobleme paßt. Da alle umweltpolitischen Instrumente Vor- und Nachteile aufweisen, wird sich die Umweltpolitik auf einem gut abgewogenen Instrumenten-Mix gründen müssen.

[Seite der Druckausg.: 90 = Leerseite ]


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2000

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