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1. Fragestellung

Organisationsformen und Strategien zur Frauen- und Geschlechterfrage sind in Bewegung. Es gibt Veränderungen von Ressortzuschnitten auf Bundes- und Landesebene, die Stellung von Gleichstellungsbeauftragten im Reformprozeß von Verwaltungen ist in der Diskussion. Frauenministerien werden aufgelöst, und es ist umstritten, ob das ein Machtverlust der Frauenpolitik bedeutet oder eine Qualitätsverbesserung ist. Große Gewerkschaften schließen sich zusammen, und es steht noch offen, ob diese Zusammenschlüsse eine besondere Form des Frauenausschlusses mit sich bringt. Demgegenüber setzt sich eine neue Strategie immer stärker durch: Mainstreaming. Entwickelt auf internationaler, speziell europäischer Ebene scheint Mainstreaming als eine Möglichkeit, die Geschlechterfrage zu lösen und die Frauen aus ihrer Zweitrangigkeit zu befreien. Da wird Frauenförderpolitik als überholt abgetan, der Querschnittspolitik wird die mangelnde Parteilichkeit für Frauen angekreidet und Mainstreaming gilt als postmoderne Innovation der Frauenpolitik. Andere sehen im Mainstreaming aber auch einen „alten Hut", einen Neuaufguß schon sehr alter Bemühungen, Querschnittspolitik zu betreiben. Und manche halten Mainstreaming sogar deswegen für modern, weil es die längst fällige Anpassung an Männer und männliches Denken bedeutet.

Organisatorische Veränderungen, aber auch die Formen konkreter Mittelvergaben geraten ins Kreuzfeuer frauenpolitischer Strategieüberlegungen: Ist die Zeit reif für Integrationspolitik (Mainstreaming), für Bündnisse mit Männern und für die Kürzung von Mitteln für frauenspezifische Projekte, oder ist angesichts der Verschärfung der Geschlechterhierarchie und der Verknappung von öffentlichen Mitteln und damit auch des politischen Spielraumes eher eine konsequente Frauenpolitik angesagt? Geht es gerade jetzt um die Stärkung der Eigenständigkeit der Frauenpolitik, die Stärkung autonomer Projekte und Bewegungen? Macht Mainstreaming gar die Politik der geschlechtergerechten Quotierung von Positionen überflüssig, oder setzt es sie voraus? In welchem Verhältnis stehen diese beiden politischen Strategien zur Frauenförderpolitik?

Zur Beantwortung dieser vielfältigen Fragen und zur Beurteilung der Positionen wird im folgenden eine Orientierung in den Geschlechtertheorien gesucht. In diesen neuen Diskursen finden sich ebenfalls sehr verschiedene Perspektiven und Positionen, dennoch können sie zur Selbstaufklärung der Standpunkte beitragen. Denn jede frauenpolitische Strategie läßt sich in einer spezifischen Sicht auf die Geschlechterfrage verankern, sie beantwortet auf ihre Weise die Frage nach dem Selbstverständnis von Frauen und der Bedeutung der Kategorie Geschlecht. Geschlechtertheorien bieten auch eine Erklärung für auf die von vielen bedauerte Tatsache, daß nicht jede Frau feministisch denkt, daß nicht jede Frau sich diskriminiert fühlt und daß nicht jede Frau die Notwendigkeit einer Frauenförderpolitik sieht. Ist dies als Unaufgeklärtheit zu verbuchen, die durch Bildung oder direkte Diskriminierungserfahrung zu verändern ist, oder sind vielleicht nur die Geschlechtertheorien, und besonders die alltäglichen, nicht in der Lage, die Realität zu erfassen? Anknüpfend an die neuen Diskurse um das Mainstreaming und die alten um die Frauenförderung, die Quotierung und die autonome (Projekt-)Praxis soll geklärt werden, welche Theorie der Geschlechter jeweils die eine oder andere Strategie trägt. Es wird der Versuch gemacht, die Theorieentwürfe mit der frauenpolitischen Praxis zu verknüpfen und ein Stück weit aufzuklären.

Zunächst werden dazu geschlechtertheoretische Grundlagen für die verschiedenen politischen Strategien erläutert und in einem zweiten Schritt die verschiedenen Strategien in ihren jeweiligen Legitimationen und Begrenzungen analysiert.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 1999

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