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2. Das Phänomen der Lohnungleichheit

Im folgenden werden die vielfältigen Formen der Verdienstdifferenzen zwischen Männern und Frauen beschrieben, die ein geschlechtshierarchisches Gefälle, also eine ökonomische Besserstellung von Männern im Vergleich zu Frauen, aufweisen. Als Lohn wird im folgenden die materielle Gegenleistung für die Verausgabung der Arbeitskraft im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses definiert.

2.1 Ökonomische Schlechterstellung von Frauen im Bereich beruflicher Qualifizierung

2.1.1 Geschlechtsspezifische Ausbildungsorte

Ausbildungsberufe im dualen System zeichnen sich dadurch aus, daß die Auszubildenden eine tariflich festgelegte Ausbildungsvergütung erhalten. Daneben gibt es eine Reihe von Berufen, die in speziellen Schulen erlernt werden, wie die nichtakademischen Gesundheitsberufe, die Erziehungsberufe und die Pflegeberufe. Schüler und Schülerinnen dieser Schulen erhalten gegebenenfalls einmal während der Ausbildung das "Schüler-BAFöG". Die finanzielle Belastung der Jugendlichen in diesen Schulberufen ist erheblich höher als in Berufsausbildungen im dualen System. Daneben gibt es berufliche Vollzeitschulen, die allerdings keinen beruflichen Abschluß vermitteln, sondern eher ein "qualifizierendes Moratorium" für die Schüler und Schülerinnen bedeuten (Krüger 1991). In diesen Schulen erhalten sie ebenfalls keine tarifierte Vergütung. Bereits durch die "Wahl" des Berufes und damit des Ausbildungsortes sind ökonomische Weichen gestellt. Wie Untersuchungen belegen, wird die Berufsentscheidung besonders bei jungen Frauen nicht so sehr von der subjektiven Orientierung, sondern eher von den objektiven Zugangsmöglichkeiten bestimmt. Der Anteil der jungen Frauen an den Jugendlichen, die 1990 in den alten Bundesländern in einer betrieblichen Berufsausbildung standen, lag bei 42% (Bundesminister für Bildung und Wissenschaft 1992). Demgegenüber ist der Anteil der jungen Frauen in beruflichen Vollzeitschulen mit 64% überproportional hoch. Dabei besuchen junge Frauen sehr viel häufiger als junge Männer die Schulen, die keinen berufsqualifizierenden Abschluß vermitteln. In vielen frauentypischen Berufen bildet der oft gebührenpflichtige Schulbesuch nur eine Vorstufe für eine weitere Ausbildung, so im hauswirtschaftlichen (Rimele, Ramme 1990) oder im kaufmännischen Bereich. Vollzeitberufsschulen werden sehr häufig von jungen Frauen in Ermangelung eines angemessenen Ausbildungsplatzes besucht. In den Gesundheits-

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und Sozialberufen, die ebenfalls überwiegend von jungen Frauen erlernt werden, ist die Schule der eigentliche Ausbildungsort. Die in diesen Berufen vorgesehenen Praktika, z.B. Jahrespraktika in Sozialberufen, werden in der Regel ebenfalls nicht voll, d.h. vergleichbar mit der Ausbildungsvergütung im dualen System, vergütet (Ausnahme: Krankenpfleger/in). Durch solche Schulbesuche verlängert sich für die jungen Frauen die Zeit völliger finanzieller Abhängigkeit von den zum Unterhalt verpflichteten Erwachsenen.

Junge Frauen steht während der beruflichen Qualifizierung überproportional häufiger als jungen Männern gar keine Ausbildungsvergütung zur Verfügung. Teilweise müssen sie die Qualifizierung in den für sie typischen Berufen noch mitfinanzieren.

2.1.2 Geschlechtsspezifische Ausbildungsvergütung

Das durchschnittliche Entgelt in allen Ausbildungsberufen lag 1992 in den alten Bundesländern bei DM 838,- , in den neuen Bundesländern bei DM 620,- monatlich. Generell ist die Spanne zwischen den Ausbildungsvergütungen in den verschiedenen Berufen extrem hoch: So betrug 1992 das durchschnittliche Entgelt in der Ausbildung zum Gerüstebauer in den alten Bundesländern DM 1686-, in den neuen Bundesländern DM 1349,--, während es in der Ausbildung zum/ zur Herrenschneider/in in den alten Bundesländern DM 265,- ,in den neuen Bundesländern DM 210,- betrug. Damit liegt die Ausbildungsvergütung für den Beruf Gerüstebauer um das Sechsfache höher als die für den Beruf Herrenschneider/in. Darüber hinaus werden auch innerhalb eines Berufes je nach Branchen, Betriebsgrößen und Regionen durchaus unterschiedlich hohe Ausbildungsvergütungen bezahlt, weil die tariflich verankerte Ausbildungsvergütung nur die Mindestvergütung festlegt.

Junge Frauen werden überproportional in Ausbildungsberufen ausgebildet, in denen eine relativ niedrige Ausbildungsvergütung bezahlt wird: der überwiegende Teil der Berufe, in denen mehr als 80% Frauen ausgebildet werden (frauentypische Berufe) liegt am unteren Ende der Skala aller Ausbildungsvergütungen (Berufsbildungsbericht 1992, S. 78). Die beiden Ausbildungsberufe, in die relativ die meisten jungen Frauen und Männer einmünden, sind Friseuse und Kfz-Mechaniker (Friseuse: 7,3% der weiblichen Auszubildenden, Kfz-Mechaniker: 7,5% der männlichen Auszubildenden). Die Ausbildungsvergütung betrug 1991 bei Friseusen DM 541,-, bei den Kfz-Mechanikern DM 796,- (alte Bundesländer).

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Demgegenüber sind Ausbildungsbereiche, in denen die sehr hohe Ausbildungsvergütungen gezahlt werden, jungen Frauen noch immer verschlossen, so das Bauhauptgewerbe mit einer durchschnittlichen Ausbildungsvergütung von DM 1399,- (alte Bundesländer) bzw. DM 1077,- (neue Bundesländer). Aber auch das "Eindringen" junger Frauen in bislang männlich dominierte Berufe hat ihre ökonomische Stellung während der Ausbildung bisher kaum verbessert. Der bisher erreichte Anteil von 9% der Frauen in diesen Berufen verteilt sich vornehmlich auf solche Ausbildungsberufe, die innerhalb der männlich dominierten Berufe gerade weniger gut bezahlt sind, wie Gärtnerin, Bäckerin, Köchin, Tischlerin.



Tabelle: Verdienst von Frauen in ehemaligen Männerberufen


Berufe

Frauenanteil

Frauenanteil

durchschnittlicher


Jahr 1977

Jahr 1990

Verdienst(1988)

Gärtnerin

19,8%

40,5%

532,00 DM

Bäckerin

2,3%

21,5%

517,00 DM

Köchin

14,8%

28,6%

607,00 DM

Tischlerin

1,3%

10,6%

555,00 DM

Quelle: Beicht 1990, Berufsbildungsbericht 1992




Junge Frauen befinden sich überwiegend in den Ausbildungsberufen, die sich durch eine unterdurchschnittliche Vergütung auszeichnen.

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2.2. Ökonomische Schlechterstellung von Frauen im Erwerbsarbeitssystem

2.2.1 Verdienst nach der Ausbildung

Die Verdienste von Jugendlichen nach einer Ausbildung sind sehr unterschiedlich, die von jungen Frauen jedoch erheblich schlechter als die von jungen Männern.

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Tabelle: Bruttomonatsverdienste Ende 1991 ehemaliger Auszubildender (Lehrbeginn 1987 und 1989, altes Bundesgebiet)


Monatsverdienste

Frauen

Männer




bis DM 2499,-

60%

28%

DM 2500,- bis 3499,-

27%

45%

DM 3500,- und mehr

1%

13%

Keine Angaben

12%

13%

Quelle: Berufsbildungsbericht 1992, S. 69




Die Gründe für diese geschlechtshierarchischen Verdienstdifferenzen liegen sowohl in den Lohndifferenzen zwischen den Berufen und der geschlechtsspezifischen Berufseinmündung als auch in der geschlechtsspezifischen Zuweisung von Arbeitsplätzen nach der Ausbildung in den Mischberufen.

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2.2.2 Verdienst in Männer- und Frauenberufen

Die Einmündung in die typischen Frauen- und typischen Männerberufe führt dazu, daß bereits ein Jahr nach Abschluß der betrieblichen Ausbildung männliche Erwerbstätige ein Viertel mehr verdienen als weibliche Erwerbstätige (Engelbrech 1991).

Die tariflich verankerten Bruttomonatsverdienste in den frauentypischen Berufen liegen am unteren Ende der Einkommensskala: So verdient eine Friseuse im ersten Berufsjahr DM 1500,-, während ein Kfz-Mechaniker im ersten Berufsjahr bereits DM 2468,- erhält. Auch die Möglichkeiten der Steigerung des tariflichen Verdienstes sind in den typischen Frauenberufen relativ gering. Vom ersten bis fünften Berufsjahr können die Frauen in den typischen Frauenberufen ihre Verdienste als Arzthelferin um DM 200,- , als Kauffrau im Einzelhandel um DM 53,- steigern (zum Vergleich als Kfz-Mechaniker: um DM 354,-).

Im öffentlichen Dienst verteilen sich die Frauen überwiegend in etwa drei Gehaltsgruppen: die Gruppe mit den Verdiensten um DM 2500,-, die Gruppe mit den Verdiensten um DM 2700,- und die Gruppe mit den Verdiensten um DM 2800,- brutto (ohne Sozialzulagen). "Es scheint so, als habe ein allgemein gültiger gesellschaftlicher

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Bewertungsmaßstab den typischen Frauentätigkeiten einen "Einheitslohn" zugewiesen, der bei rund DM 2700,- brutto liegt." (Dürk 1992, S. 27).

In den typischen Frauenberufen ist die Nachwuchsquote, also der Anteil der Auszubildenden an den in den Berufen Beschäftigten, überproportional hoch. Dies deutet auf eine besonders intensive Nutzung junger weiblicher Arbeitskräfte hin. Bei überproportional niedriger Ausbildungsvergütung werden sie während der Ausbildung (voll) eingesetzt, haben später aber relativ wenig Chancen, in ihrem Beruf übernommen zu werden. Darüber hinaus sind auch teilweise die Arbeitsbedingungen (Arbeitszeiten, Bezahlung) für junge Frauen so unattraktiv, daß sie auf eine Übernahme von sich aus verzichten. Dies trifft insbesondere für die Berufe Arzthelferin, Friseurin, Näherin und Hauswirtschafterin zu (Berufsbildungsbericht 1992). Wechseln die in den typischen Frauenberufen ausgebildeten jungen Frauen aber den Berufsbereich, werden sie als "ungelernt" oder als "angelernt" im industriellen Bereich, bzw. als "einfache" Angestellte an Arbeitsplätzen eingesetzt, die den jeweils untersten Lohn- oder Gehaltsgruppen zugeordnet sind.

Die Verdienstchancen für Männer in typischen Frauenberufen sind demgegenüber sehr viel besser: 1986 verdiente z.B. die Mehrheit der Friseure mehr als DM 2500,-, 50% machte eine Meisterausbildung und 75% waren in Vorgesetztenfunktionen. Demgegenüber verdiente die Hälfte aller Frauen, aber nur ein Achtel der Männer im Friseurberuf brutto weniger als DM 1500,- (Minister für Bildung und Wissenschaft 1990, S. 79).

Frauen, die in den für sie typischen Berufen arbeiten, erhalten relativ weniger Entgelt als sie in den Berufen erhalten würden, die für sie als untypisch gelten (Engelbrech 1992).

2.2.3 Verdienst in Mischberufen

Frauen erzielen in den sogenannten Mischberufen, also in den Berufen, die zu etwa gleichen Teilen mit Frauen und Männern besetzt sind, die relativ höchsten Verdienste. Dieselben Berufe bieten für Männer die relativ niedrigsten Verdienstmöglichkeiten.

Die relativ schlechteren Bruttoverdienste erwerbstätiger weiblicher Absolventen einer Berufsausbildung sind aber auch auf die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Vergütung innerhalb derselben Berufsbereiche zurückzuführen. Bereits 1985 verdienten von den 23-24jährigen Erwerbstätigen mit betrieblicher Ausbildung für einen Ange-

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stelltenberuf 16% der Männer, aber nur 3% der Frauen mehr als DM 2000,- netto (Engelbrech 1991).

Eine Untersuchung der Verdienste von jüngeren Frauen und Männern in qualifizierteren Angestelltenberufen des kaufmännisch-verwaltenden Bereiches kam zu dem Ergebnis, daß Männer ein relativ höheres Einkommen haben als Frauen, obwohl die Ausgangsvoraussetzungen bei beiden Geschlechtern gleich waren: Sie hatten eine einschlägige Berufsausbildung, eine unbefristete Vollzeitstelle im erlernten Beruf und bislang eine ununterbrochene Erwerbstätigkeit vorzuweisen: Mehr als DM 4000,- verdienten demnach 22% der männlichen, aber nur 4% der weiblichen Angestellten im Alter von 30-34 Jahren (Damm-Rüger 1991). Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine Untersuchung bei Bankkaufleuten und Groß- und Einzelhandelskaufleuten. Nach drei Jahren Erwerbsarbeit verdienten Frauen deutlich weniger als Männer, obschon die Männer in dieser Zeit noch ihren Wehr- bzw. Ersatzdienst abgeleistet hatten (Kloas/Puhlmann 1991).

Analysen der Gehaltsstrukturen in mehreren Branchen kommen zu dem Ergebnis, daß die Bezahlung der Männer weitaus differenzierter erfolgt und die gesamte Bandbreite der Gehaltsstufen umfaßt, während die Frauen fast alle im unteren Bereich "über einen Kamm geschoren werden." (Keese 1993).

Auch die tariflich vorgesehenen Steigerungen in den überwiegend von Frauen besetzten unteren Vergütungsgruppen im öffentlichen Dienst bis BAT Vc sind im Vergleich mit den Steigerungsraten in höheren Vergütungsgruppen geringer: In Vergütungsgruppe VII beträgt die Differenz zwischen Eingangs- und Endstufe DM 550,-, in der Vergütungsgruppe I dagegen DM 3100,- (Tarife 1992).

2.2.4 Verdienst nach Lohnstrukturmerkmalen

Die Verdienstdifferenz zwischen Männern und Frauen beträgt nach der amtlichen Verdienststatistik im Jahre 1991 in den alten Bundesländern nach Statusgruppen:

21% für Angestellte mit Leitungsfunktionen,

25% für Facharbeiterinnen,

30% für Arbeiterinnen,

35% für Angestellte.

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In der amtlichen Verdienststatistik werden nur die Vollzeitverdienste erfaßt, so daß diese Zahlen nicht etwa die um Teilzeitbeschäftigung verminderten Verdienste der Frauen miterfassen.

Die Verdienstdifferenz bei Arbeiterinnen erklärt sich unter anderem durch die immer noch vorhandenen Leichtlohngruppen. Danach werden Tätigkeiten, die überwiegend an mit Frauen besetzten Arbeitsplätzen anfallen, tariflich niedriger eingestuft als Tätigkeiten, die üblicherweise Männern zugewiesen werden. Als Bewertungskriterium wird allein die Schwere der körperlichen Arbeit herangezogen. Die Bezahlung höher qualifizierter, aber körperlich als leichter eingestufter Arbeit ist bei Anwendung der Leichtlohngruppen niedriger als die körperlich schwerer, aber unqualifizierterer Arbeiten. 1992 waren in den alten Bundesländern immerhin noch 71.000 Frauen und 17.000 Männer von den tariflich verankerten Leichtlohngruppen betroffen (Deutscher Bundestag 1992).

Selbst im Bereich der leitenden Angestellten, in dem der Frauenanteil noch relativ gering ist, sind die Gehaltsunterschiede eklatant: die Gehälter von Managerinnen liegen trotz ihrer beruflichen Bewährung auf der gleichen Stufe der Untemehmenshierarchie im Schnitt etwa 20% unter den Verdiensten der Männer.

Die Bruttolöhne in den verschiedenen Branchen weisen erhebliche Unterschiede auf: In Industriezweigen mit hohem Frauenanteil haben Facharbeiterinnen oft nicht das Lohnniveau, das ungelernte Arbeiterinnen in Männerbranchen erreichen. Die Bildung geschlechtsspezifischer Branchenverdiensthierarchien zeigt, daß die Entgelte, die am unteren Ende der Branchenverdiensthierarchie der Männer gezahlt werden, den Spitzenverdiensten entsprechen, die die Branchenverdiensthierarchie der Frauen aufweisen (Weiler 1992).

Die geschlechtsspezifische Lohndifferenz nach dem Alter der Beschäftigten weist einen international feststellbaren Trend auf, nach dem die Unterschiede im Entgelt der Männer und Frauen bei den jungen Erwerbstätigen am geringsten, während sie in der Mitte und am Ende der beruflichen Laufbahn am krassesten ausgeprägt sind (Kommission der Europäischen Gemeinschaften, o.J.).

Der Umfang der Arbeitszeit beeinflußt die Entgelthöhe. Die Tatsache, daß nur 2,2% aller erwerbstätigen Männer, aber 33,8% aller erwerbstätigen Frauen weniger als 35 Stunden in der Woche beschäftigt sind, zeigt deutlich die Wirkungen der geschlechts-spezifischcn Arbeitsteilung. Die Lohneinbußen der Frauen sind jedoch nicht nur durch

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ihre verminderte Stundenzahl zu erklären, vielmehr gibt es eine Reihe zusätzlicher Bedingungen, die das Entgelt von Teilzeitarbeitenden schmälern: Tarifvertragliche Leistungen gelten in manchen Bereichen erst ab einer bestimmten Wochenstundenzahl, so daß diejenigen, die diese Wochenstundenzahl nicht erreichen, auch von zusätzlich vereinbarten finanziellen Leistungen ausgeschlossen sind. Die Lohnberechnung erfolgt für Teilzeitbeschäftigte nach einem bestimmten Teiler, der der wöchentlichen oder monatlichen Stundenzahl der Vollzeitbeschäftigten entsprechen sollte: Hier wird in manchen Fällen, z. B. in Bereichen des Einzelhandels, durch Zugrundelegung eines erhöhten Faktors das Entgelt der Teilzeitbeschäftigten gemindert. Die Mehrarbeitszulagen, die für Vollzeitbeschäftigte tariflich verankert sind und die zu einem nicht geringen Anteil das höhere Entgeltniveau der Männer begründen, sind bisher nur in 5 der 36.000 Tarifverträge auch für Teilzeitbeschäftigte verankert (Weiler 1992). Zur Lohnminderung bei Teilzeitarbeit tragen darüber hinaus aber auch innerbetriebliche Prozesse bei: generell werden vornehmlich Arbeitsplätze in den unteren Lohn- und Gehaltsgruppen als Teilzeitarbeitsplätze ausgewiesen und oft erhalten Teilzeitkräfte eine niedrigere Eingruppierung als männliche Vollzeitkräfte an denselben Arbeitsplätzen.

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2.3 Ökonomische Schlechterstellung von Frauen in den neuen Bundesländern

Entgegen offiziellen Darstellungen gab es auch in der ehemaligen DDR ein Lohngefälle zwischen Frauen und Männern, wobei die Frauen im Durchschnitt etwa 16% weniger verdienten als die Männer (alte Bundesländer 30%). Die Lohnrelationen zwischen den Beschäftigtengruppen in der ehemaligen DDR war sehr stark nivelliert: Hoch- und Fachschulkader verdienten netto ca. 15% mehr als Produktionsarbeiter, während diese Spanne in den alten Bundesländer bis zu 70% betrug. Entsprechend war auch das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen geringer (Stephan/Wiedemann 1990). Die zu erwartende Angleichung der Verdienststrukturen nach dem westdeutschen Vorbild wird die Verdienstdifferenzen zwischen Männern und Frauen erheblich erhöhen. Bereits 1991 betrug die Verdienstdifferenz zwischen Männern und Frauen in den neuen Bundesländern:

11% bei Angestellten mit Leitungsfunktionen,

15% bei Facharbeiterinnen,

19% bei Arbeiterinnen,

22% bei Angestellten.

Durch die Übernahme der differenzierten Leistungsgruppen und die jetzt schon zu beobachtende Abdrängung von Frauen in die jeweils untersten Leistungsgruppen werden

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die Verdienste der Frauen in Zukunft weiter - im Vergleich zu denen der Männer - absinken (Kurz-Scherf 1992). Hinzu kommt, daß bei der Angleichung generell die niedrigeren Lohngruppen niedrigere Zuwachsraten zu erwarten haben: bei ihnen ist zum Westniveau nur ein Abstand von ca. 100% zu überwinden, während die höheren Leistungsgruppen Zuwächse von bis zu ca. 180% erwarten. Da Frauen aber überwiegend in den unteren Leistungsgruppen vertreten sind, ergibt sich eine doppelte, "kumulativ wirkende, relative Benachteiligung der Frauen durch die zu erwartende Angleichung der Verdienststrukturen nach westdeutschem Vorbild." (Kurz-Scherf 1992, S. 26).


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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